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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Behandlungsintensive Populationen in Österreich

Meeting Abstract

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  • Andreas Goltz - Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Wien, Austria
  • Manfred Hinteregger - Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Wien, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP047

doi: 10.3205/17dkvf307, urn:nbn:de:0183-17dkvf3078

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Goltz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: In Österreich zeigt sich, ähnlich wie in vielen Ländern der Welt, dass ein Großteil der Versicherten keine bis sehr wenige Leistungen in einem Jahr in Anspruch nehmen, es einen kleinen Anteil der Versicherten gibt, die einen Großteil der Ressourcen benötigen. Diese behandlungsintensiven Populationen oder Hochnutzer liegen aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs immer wieder im Forschungsinteresse.

Fragestellung: Diese Studie untersucht die Gruppe dieser behandungsintensiven Populationen in Österreich. Im Rahmen der Studie wurde analysiert, welche Charakteristika (Alter, Geschlecht, Sozioökonomik, Diagnosen) diese Personen ausmachen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Hochnutzer langfristig behandlungsintensiv bleiben oder ob es sich eher um kürzere Episoden handelt.

Methode: Es handelt sich um eine deskriptive Längsschnittstudie.

Datengrundlagen und Forschungspopulation: Für die Analyse wurde ein Forschungsdatensatz des Hauptverbands (GAP-DRG) genutzt, der Abrechnungsdaten aus den Jahren 2006 bis 2011 für Versicherte einer Gebietskrankenkasse in pseudonymisierter Form beinhaltet. Als Forschungspopulation für die vorliegende Analyse werden jene Pseudonyme herangezogen, die von 2006 bis 2011 durchgehend in der Datenbank vorhanden sind (n=723.426 Personen).

Identifikation der behandlungsintensiven Populationen

In jedem untersuchten Jahr werden diejenigen Personen als behandlungsintensiv identifiziert, die zumindest bei zwei der folgenden drei Kriterien statistische Ausreißer (in dieser Studie: in der Verteilung außerhalb von eineinhalb Interquartilsabständen) waren:

1.
Anzahl an Kontakten im niedergelassenen Bereich.
2.
Aufenthaltstage in einer Krankenanstalt.
3.
Anzahl an erhaltenen Leistungen im niedergelassenen Bereich.

Es wird bewusst eine Methode zur Identifikation der Hochnutzer auf Basis der Inanspruchnahme und nicht auf Basis der entstehenden Kosten gewählt.

Ergebnisse: In jedem Jahr wurden etwa 4,5% der Forschungspopulation als behandlungsintensiv identifiziert, über den Zeitraum von 6 Jahren waren über 11% der Forschungspopulation zumindest in einem Jahr behandlungsintensiv. Diese behandlungsintensiven Populationen hatten 7 mal mehr Arztkontakte und erhielten bei diesen Kontakten ca. 6 mal mehr Leistungen als die nicht-behandlungsintensiven Populationen. Nicht-behanldungsintensive Personen hatten im Median keinen stationären Aufenthalt, während behandlungsintensive Personen im Median 5-6 Tage im Krankenhaus verbrachten.

Personencharakteristika: Die behandlungsintensiven Populationen unterschieden sich signifikant von den nicht-behandlungsintensiven. Sie waren älter, tendenziell weiblicher und sozioökonomisch schlechter gestellt.

Diagnosen: Die Art der Diagnose hängt deutlich stärker von Alter und Geschlecht ab als von der Tatsache, ob eine Person Hochnutzer ist oder nicht. Häufige Diagnosen der Nicht-Hochnutzer finden sich ebenso häufig bei den Hochnutzern. Es zeigt sich jedoch, dass Hochnutzer deutlich häufiger unter Multimorbidität leiden. Nicht-Hochnutzer lagen im Schnitt zwischen einer und drei, Hochnutzer bei drei bis fünf Diagnosen.

Dauer der hohen Behandlungsintensität: Nur 5% aller behandlungsintensiven Personen war über den gesamten Untersuchungszeitraum behandlungsintensiv. Demgegenüber stehen knapp 40%, welche lediglich in einem Jahr behandlungsintensiv waren. Die verbleibende zweite Hälfte der Hochnutzer war zwar in mindestens zwei Jahren behandlungsintensiv aber nicht durchgehend über den gesamten Forschungszeitraum.

Diskussion: Wie in vielen vorangegangenen Studien konnte erneut gezeigt werden, dass ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung für einen relativ großen Teil der Inanspruchnahme im Gesundheitswesen verantwortlich ist. Während die meisten Erkenntnisse den Erwartungen entsprechen, ist es insbesondere erwähnenswert, dass die identifizierten Personen nicht unter besonders ausgefallenen Krankheiten leiden, sondern dass der Unterschied zu Nicht-Hochnutzern viel häufiger in einer vorliegenden Multimorbidität erkennbar war.

Praktische Implikationen: Die Studie kann keinen Hinweis darauf geben, ob die Inanspruchnahme bedarfsgerecht erfolgt ist oder ob es zu Über-/Unter-/Fehlversorgung gekommen ist. Bei einem fragmentierten Gesundheitssystem, wie es das österreichische ist, liegt jedoch die Vermutung nahe, dass die Kontinuität der Versorgung insbesondere bei Hochnutzern leidet. Es sollte daher die Diskussion gestartet werden, wie konkret Betreuungsmodelle für diese vulnerablen Personen entwickelt und umgesetzt werden können.