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Patientenanzahl und Jahrestherapiekosten in der frühen Nutzenbewertung – Kann der Beschluss des G-BA vorhergesagt werden?
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Veröffentlicht: | 26. September 2017 |
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Hintergrund: Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) sind Arzneimittelhersteller verpflichtet, ein Nutzendossier beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G BA) einzureichen. Dieses dient als Grundlage der Nutzenbewertung des Arzneimittels. Im Dossier werden u.a. Angaben gemacht zur voraussichtlich infrage kommenden Anzahl Patienten (Zielpopulation) und den Jahrestherapiekosten (JTK).
Fragestellung: Welche Qualitätsindikatoren sind ausschlaggebend, damit es zu einer Übereinstimmung der Quantifizierung der Zielpopulation und der JTK des G-BA mit der des Arzneimittelherstellers kommt?
Methode: Dossiers mit kompletter Verfahrensdurchführung zwischen dem 01.01.2015 und dem 31.12.2016 wurden systematisch analysiert. Als Prognosefaktoren wurden folgende Qualitätsindikatoren definiert: 1) Orphan Drug (ja/nein), 2) Therapiegebiet (geringer/mittlerer/hoher prozentualer Anteil an allen Verfahren), 3) Zielpopulation (Bewertung der Ableitung durch: Validität der Datengrundlage, Übertragbarkeit der Daten, Bewertung der Ableitungsmethode; Ausprägungen: (gut/mittel/schlecht)), 4) JTK (<100.000.000€/100.000.000€ bis 500.000.000€/>500.000.000€), 5) Beteiligte IQWiG Mitarbeiter (Anzahl ≤2/>2/Ressortleiter involviert). Alle oben genannten Qualitätsindikatoren führten zu einem Gesamt-Prognosescore von 0 – 10, wobei 0 bedeutete, dass alle günstigen Ausprägungen der einzelnen Prognosefaktoren auftraten, dagegen ein Maximalwert von 10, dass alle ungünstigen Ausprägungen der einzelnen Prognosefaktoren getroffen wurden.
Im nächsten Schritt wurde der Zusammenhang zwischen den durch den Hersteller erbrachten Informationen zur Zielpopulation und den JTK und der vom G-BA bestätigten Quantifizierung bestimmt. Dieser Vergleich führte entweder zu einer Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung zwischen dem G-BA und dem Arzneimittelhersteller.
Anschließend wurde diese Übereinstimmung dem Gesamt-Prognosescore gegenübergestellt, um daraus den Vorhersagegehalt abzuleiten.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 88 Nutzendossiers von 38 Arzneimittelherstellern in die Analyse einbezogen. Der Gesamt-Prognosescore lag im Mittelwert bei 5,7 [Min.: 2, Max.: 8]. Gleicht man den Gesamt-Prognosescore mit der Übereinstimmung der JTK bestimmt durch den Hersteller und dem G BA ab, so lässt sich ableiten, dass für 74% der herangezogenen Nutzendossiers die Prognose durch die im Projekt definierten Qualitätsindikatoren übereinstimmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass bei 26% andere als die im Projekt definierten Qualitätsindikatoren zu der Quantifizierung seitens des G-BA geführt haben. Hinsichtlich der Zielpopulation zeigen sich ähnliche Werte: Für 81% der herangezogenen Nutzendossiers stimmt die Prognose durch die hierfür definierten Qualitätsindikatoren überein, für 19% stimmt die Prognose nicht mit der Bewertung durch den G-BA überein.
Diskussion: Die hier herausgefilterten Qualitätsindikatoren ergeben einen Hinweis auf die letztendlich vom G-BA beschlossene Höhe der JTK und der Zielpopulation. Dennoch scheint es weitere Faktoren zu geben, welche den G BA in seiner Entscheidung beeinflussen und zu einem abweichenden Ergebnis führen. Eine sichere Prognose mit Hilfe der definierten Faktoren ist damit nicht möglich.
Praktische Implikation: Eine hohe Qualität der Ableitung der JTK und der Zielpopulation und eine Zustimmung seitens des G-BA sollte in jedem Nutzendossier angestrebt werden. Neben den aufgeführten Indikatoren haben weitere nicht identifizierbare Faktoren Einfluss bei der Bewertung des G-BA. Daher erscheint eine Analyse weiterer bisher nicht eingeschlossener Indikatoren in Folgeprojekten notwendig.