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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Identifikation von interprofessionellen Lehrinhalten und -formen für Medizin und Pflege – Ergebnisse einer qualitativen Expertenbefragung

Meeting Abstract

  • Sabine Homeyer - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifswald, Germany
  • Madlén Steinbrückner - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
  • Roman F. Oppermann - Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences, Neubrandenburg, Germany
  • Peter Hingst - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
  • Adina Dreier-Wolfgramm - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifswald, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP034

doi: 10.3205/17dkvf295, urn:nbn:de:0183-17dkvf2955

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Homeyer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die künftige Versorgung der älteren Bevölkerung in Deutschland erfordert innovative Konzepte, die sich u.a. durch eine verstärkte Teamorientierung und verbesserte Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe kennzeichnen. Eine gute interprofessionelle Kooperation erfordert spezifische Kompetenzen, die während der Ausbildung erworben werden müssen. Interprofessionelles Lernen (IPL) hat sich dabei als geeigneter Lernansatz bewährt. Pflege und Medizin als die beiden größten Berufsgruppen im Gesundheitswesen sind davon insbesondere betroffen. Bisher ist jedoch nur wenig zu geeigneten Lehrthemen und deren Umsetzung mit spezifischen Lehrformen bekannt. Daher erfolgte in der Care-N Study M-V (Cooperative academical regional evidence-based Nursing Study in Mecklenburg-Vorpommern) die Untersuchung von möglichen Lehrthemen und Lehrformen für das IPL von Medizin- und Pflegestudierenden in Deutschland.

Fragestellung: Folgende Fragestellungen wurden untersucht: (a) Welche Lehrinhalte sind für gemeinsame Lehrveranstaltungen für Medizin- und Pflege geeignet? (b) Welche Lehrformen sollten zur Umsetzung verwendet werden? und (c) Wie können Lehr- und Lernzenten in das IPL eingebunden werden? Die Ergebnisse sollen einen Überblick zu Themen und Lehrformen für das IPL geben, um ein interprofessionelles Lehrkonzept für Medizin und Pflege entwickeln zu können.

Methode: Es wurde eine qualitative Delphi-Befragung des Typs Ideenaggregation durchgeführt. Zur Befragung wurden insgesamt 25 ExpertInnen aus sechs Bereichen rekrutiert: (1) Wissenschaft, (2) Praxis (Berufsfeld Medizin/Pflege) (3) Ausbildung, (4) Leistungserbringung, (5) Politik/Verbände/Organisationen und (6) Kostenträger. Die Datenerhebung erfolgte in zwei schriftlichen Befragungsrunden und einer abschließenden Gruppendiskussion. Die beiden schriftlichen Befragungen wurden mittels qualitativer halbstrukturierter Interviews durchgeführt und mit Cardiff TeleForm (Version 10.2) digitalisiert. Die Gruppendiskussion wurde audiotechnisch erfasst und transkribiert. Die Datenauswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse und der Software MAXQDA (VERBI GmbH, Berlin).

Ergebnisse: Die befragten ExpertInnen gaben eine Vielzahl von geeigneten IPL Themen für Medizin und Pflege an, die sich wie folgt zuordnen lassen: (a) Grundlagen der Versorgung (z.B. Ethik, Medizinische Soziologie, Verhalten in Notfallsituationen), (b) Kommunikation und Beratung (z.B. Patienten- und Angehörigenberatung) sowie (c) spezifische Versorgungskonzepte (z.B. Entlassungsmanagement). Die ExpertInnen befürworten dabei das gemeinsame Lernen überwiegend in Seminaren und kleineren Lerngruppen. Spezifische interprofessionelle Fähigkeiten und Fertigkeiten sollten mit Hilfe des problemorientierten Lernens (POL) und in praktischen Übungen geübt werden. Insbesondere für Themen wie Kommunikation, Erste Hilfe/Notfallmedizin sowie Patienten- und Angehörigenberatung wird das praktische Üben mittels Simulationspatienten-Training (SP-Training) in Skill Labs und das Arbeiten auf einer Ausbildungsstation von den Experten präferiert.

Ein Lehr- und Lernzentrum kann das IPL aus Sicht der Experten insbesondere für das Üben von praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten positiv beeinflussen: (1) die Zusammenarbeit (z.B. gemeinsame Entwicklung von Behandlungsmaßnahmen), (2) die Kommunikation (z.B. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung gemeinsamer Visiten) und (3) die patientenzentrierte Versorgung (z.B. Shared Decision Making). Im Vergleich zu konventionellen Lehrmethoden (z.B. Vorlesung) erfordert die Nutzung des Lehr- und Lernzentrums jedoch einen höheren organisatorischen Aufwand, eine intensivere Abstimmung beider Curricula sowie eine adäquate Qualifikation von Dozenten für die interprofessionelle Lehre.

Diskussion: Die befragten Experten sehen insbesondere das Thema Kommunikation als geeignet für eine gemeinsame Lehrveranstaltung von Pflege und Medizin an. Dieses sollte bevorzugt in Seminarform mit kleineren Lerngruppen unter Nutzung von POL und praktischen Übungen vermittelt werden. Für das Erlernen praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten (z.B. Patientenbeobachtung, klinische Untersuchungstechniken, Wundmanagement) eignen sich vor allem das SP-Training unter Einbezug von Lehr- und Lernzentren sowie das gemeinsame Arbeiten auf einer Ausbildungsstation.

Praktische Implikationen: Eine systematische Identifikation geeigneter Themen und Lehrformen für das IPL von Pflege und Medizin steht bislang aus. Dies stellt jedoch eine wichtige Ausgangsbasis dar, um künftig ein IPL Gesamtkonzept entwickeln zu können.