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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Multidimensionale Analyse der Ursachen für die niedrige Prävalenz der ambulanten Peritonealdialyse in Deutschland – MAU-PD

Meeting Abstract

  • Nadine Scholten - IMVR - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, Köln, Germany
  • Martin Hellmich - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Ute Karbach - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Thomas Mettang - Nierenzentrum Wiesbaden, Wiesbaden, Germany
  • Holger Pfaff - Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Stephanie Stock - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Gero von Gersdorff - Uniklinik Köln, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP213

doi: 10.3205/17dkvf203, urn:nbn:de:0183-17dkvf2036

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Scholten et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die symptomatische Therapie bei Nierenversagen ist die Dialyse. Zu den Nierenersatzverfahren zählen die Hämodialyse (HD), ein extrakorporales Verfahren, welches fast ausschließlich in Dialysezentren durchgeführt wird, und die Peritonealdialyse (PD), ein Verfahren, welches meist im häuslichen Umfeld von den Patienten selbst durchgeführt werden kann. Entsprechend der Angaben im Jahresbericht zur Qualitätssicherung in der Dialyse betrug die Anzahl ständiger GKV Dialysepatienten für 2014 ca. 71.000 (ca. 13.000 neue Dialysepatienten jährlich), wovon aktuell 5,4 Prozent zu den PD-Patienten und 93,9 Prozent zu den HD-Patienten zu zählen sind [1]. Für die Mehrheit der Dialysepatienten stellt die PD eine mögliche Therapieoption dar [2] und laut Qualitätsvereinbarung gemäß §135 Abs. 2 SGB V sollten Verfahren, die im häuslichen Umfeld durchgeführt werden können, vorrangig durchgeführt werden [3]. Obwohl für die Durchführung einer PD-Behandlung nur wenige absolute Kontraindikationen existieren [4] und die Mortalität bei beiden Verfahren etwa gleich hoch ist [5], kommt die PD, die den Patienten ein zeitlich selbstbestimmteres Leben und mehr Lebensqualität [6] ermöglicht in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern selten zur Anwendung [4].

Fragestellung: Welche Faktoren ursächlich sind, dass so wenig terminal niereninsuffiziente Patienten per PD dialysieren und welche Rolle die verschiedenen Akteure (Patienten, Ärzte, Pflegepersonal, Kassen etc.) spielen, ist für Deutschland bisher nicht umfassend untersucht worden. Genau diese Wissenslücke soll mit dem beantragten Projekt geschlossen werden. Projektziele sind die Darstellung der aktuellen Versorgungssituation von Dialysepatienten auf regionaler Ebene, die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Kosten und Kostenarten (HD vs. PD), sowie die Identifikation und das Gegenüberstellen der Einflussfaktoren, die die Entscheidung für bzw. gegen die PD beeinflussen.

Methode: Um die Versorgungssituation von Dialyse-Patienten in Deutschland, sowohl regional als auch ökonomisch zu betrachten wird eine Sekundärdaten-basierte Analyse der Versorgungssituation durchgeführt. Datenbasis stellen die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß §295 SGB V (ZI), sowie die Qualitätssicherungsdaten des KfH (QiN) und die GKV-Daten zweier kooperierender Krankenkassen dar. Hinzukommen im Sinne eines Mixed-Methods-Ansatzes qualitative Einzelinterviews mit Patienten und Fokusgruppen mit Nephrologen und Pflegekräften sowie quantitative Befragungen (standardisiert postalische). Anhand der qualitativen und quantitativen Daten, dieser Akteure werden mögliche Einflussfaktoren in der Erbringung der PD identifiziert und quantitativ ihre Verbreitung und Relevanz analysiert. Regressionsanalysen werden durchgeführt um den Einfluss der arzt-, pflege- und patientenseitigen Einflussfaktoren auf die abhängigen Variablen PD ja/nein und Einstellung zur PD zu erheben.

Praktische Implikationen: Erwartet wird die Identifikation und quantitative Analyse der Einflussfaktoren, welche die Entscheidung für bzw. gegen eines der beiden Dialyseverfahren (HD vs. PD) beeinflussen, sowie die damit verbundenen Kosten. Aus den Ergebnissen des vorliegenden Forschungsvorhabens wird ein Maßnahmenplan mit praktischen Lösungen erarbeitet. Dabei können sich Lösungsvorschläge ergeben, die auf der organisationalen (interne und/ oder externe Organisationsstrukturen und -prozesse), sowie auf der individuellen Ebene (Arzt oder Patient) ansetzen. Aus der Studie könnte sich z.B. die Entwicklung einer Handlungshilfe für behandelnde Nephrologen oder für betroffenen Patienten ergeben. Die Veröffentlichung der Ergebnisse in nationalen wie auch internationalen Publikationen, so wie die Diskussion dieser mit den beteiligten Akteuren ermöglichen einen öffentlichen Diskurs zu diesem Thema und bereiten hierüber im Gespräch mit den Dialyseanbietern, den Kostenträgern sowie den weiteren Akteuren der Gesundheitsversorgung den Boden für gemeinsame Lösungsmöglichkeiten.


Literatur

1.
Potthoff F, Münscher C, Berendes A, Weber W. Jahresbericht 2014 zur Qualität in der Dialyse. Münster; 2015.
2.
Francois K, Bargman JM. Evaluating the benefits of home-based peritoneal dialysis. International journal of nephrology and renovascular disease. 2014; 7: 447–55.
3.
Vereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Ausführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren. 2014.
4.
Haag-Weber M. Peritonealdialyse - Eine Behandlung für fast alle Dialysepatienten? Dialyse aktuell. 2013; 17: 310–4.
5.
Lukowsky LR, Mehrotra R, Kheifets L, Arah OA, Nissenson AR, Kalantar-Zadeh K. Comparing mortality of peritoneal and hemodialysis patients in the first 2 years of dialysis therapy: a marginal structural model analysis. Clin J Am Soc Nephrol. 2013; 8: 619–28.
6.
Kutner NG, Zhang R, Barnhart H, Collins AJ. Health status and quality of life reported by incident patients after 1 year on haemodialysis or peritoneal dialysis. Nephrol Dial Transplant. 2005; 20: 2159–67.