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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Niedrigschwelliges Gesundheits- und Case Management durch Pflegende in der ambulanten Versorgung in einer deprivierten großstätischen Region

Meeting Abstract

  • Thomas Zimmermann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Alexander Fischer - Gesundheit für Billstedt/Horn UG, Hamburg, Germany
  • Irena Lorenz - Gesundheit für Billstedt/Horn UG, Hamburg, Germany
  • Helmut Hildebrandt - OptiMedis AG, Hamburg, Germany
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP239

doi: 10.3205/17dkvf186, urn:nbn:de:0183-17dkvf1862

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Zimmermann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die gesundheitliche Situation in den Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn mit ca. 110.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist durch eine hohe Krankheitslast (Multimorbidität, metabolisches Syndrom, affektive Störungen, Übergewicht, infektiöse Darmerkrankungen sowie sonstige Viruserkrankungen bei Kindern) gekennzeichnet. Hinzu kommen die Herausforderungen durch eine multiethnische Bewohnerschaft und soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, Armut und damit eine hohe Quote von Transferleistungen. Zudem ist das Quartier in einigen medizinischen Teilgebieten tendenziell unterversorgt (bspw. Allgemeinmedizin, Augenheilkunde, Gynäkologie, Pädiatrie, Psychotherapie) und lässt einen deutlichen Mangel an sektorübergreifender Versorgungskoordination erkennen.

Fragestellung: Wie können die gesundheitlichen Chancen der Bevölkerung in der deprivierten Region einer Großstadt verbessert werden? Wie kann die Versorgungsqualität erhöht und die Über-, Unter- und Fehlversorgung durch stärkere Einbindung der Patientinnen und Patienten erhöht werden, um die vorhandenen Ressourcen gezielter einzusetzen?

Methoden: Aufbau einer Tandem-Kooperation zwischen Pflegenden in einem Gesundheitskiosk und den Praxen der ambulanten haus- und gebietsärztlichen Versorgung unter Einbeziehung aller weiteren sozialräumlichen Angebote der verschiedenen Leistungserbringer wie Pflegedienste, Familienhilfe, Elternschule sowie ambulanter Sozialpsychiatrie und unter Berücksichtigung der sprachlichen Vielfalt im Quartier.

Ergebnisse: In einem Einkaufszentrum im Herzen der Stadtteile Billstedt und Horn wurde ein Gesundheitskiosk eingerichtet. In dem Kiosk bieten Pflegende mit multiethnischem Hintergrund in enger Abstimmung mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und auf der Basis einer Überweisung leitliniengerecht, nicht-medizinische Versorgungsleistungen an. Im Kiosk werden das Selbstmanagement und die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten gefördert bspw. durch die Vor- und Nachbereitung von ärztlichen Gesprächen und durch Hilfe zur Selbsthilfe im Umgang mit psychischen und körperlichen Beschwerden. Die Pflegenden erbringen Beratungsleistungen, um Übergewicht, Bewegungsmangel und andere gesundheitsschädliche Verhaltensweisen zu reduzieren. Außerdem werden Patientinnen und Patienten dabei unterstützt, soziale Alltagsprobleme wie Konflikte in Beruf, Partnerschaft und Familie aktiv zu bewältigen, den wahrgenommenen Stress abzubauen und den Alltag besser zu strukturieren. Außerdem sorgen die Pflegenden durch Case Management-Leistungen für eine bessere Koordination der Versorgung, um langfristig Krankenhausaufnahmen zu reduzieren und die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten.

Diskussion: Der Aufbau eines Gesundheitskiosk für ein niedrigschwelliges Gesundheits- und Case Management durch Pflegende stellt eine neuartige, patientenorientierte und dazu sektorübergreifende, intergrierte Form der Versorgung in einer sozial benachteiligten Region einer Großstadt dar. Die nicht-medizinischen Versorgungsangebote des Kiosks orientieren sich an den Lebensverhältnissen der gesetzlich Versicherten und optimieren alle Sektoren der Versorgung. Sie beziehen die gesamte somatische und psychische Gesundheitsversorgung ein, integrieren öffentliche Gesundheitspflege, vernetzen verschiedene Gesundheitsfachberufe und Leistungserbringer. Durch Einbeziehung verschiedener Sprachen bei der Auswahl der Pflegenden berücksichtigt der Kiosk gezielt interkulturelle Aspekte.

Förderkennzeichen Innovationsfonds: 01NVF16025 (INVEST Billstedt/Horn)