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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Digital gestützte Gesundheitsstrukturen als Blaupause für eine wohnortnahe Versorgung – Vorstellung eines im Rahmen des Innovationsfonds geförderten Telemedizin-Projektes zu neuen Versorgungsformen

Meeting Abstract

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  • Veronika Strotbaum - ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH, Bochum, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP232

doi: 10.3205/17dkvf178, urn:nbn:de:0183-17dkvf1782

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Strotbaum.
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Gliederung

Text

Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und wohnortnahen Versorgung stellt das Gesundheitswesen zunehmend vor Herausforderungen. Aufgrund des steigenden Altersdurchschnitts der Bevölkerung mit den einhergehenden epidemiologischen Veränderungen ist einerseits eine intensivere Versorgung notwendig. Anderseits fehlen insbesondere in ländlichen Regionen ärztliche Spezialisten/-innen. Vor diesem Hintergrund können digital gestützte Versorgungsprozesse eine Option sein, die Versorgungstrukturen flexibler und leistungsfähiger zu gestalten und insbesondere eine sektorenübergreifende Vernetzung zu fördern. Die Bereiche der Intensivmedizin und Infektiologie stellen dabei zwei Felder dar, in denen zum einen der Zugang zu ärztlicher Expertise besonders relevant ist, hier insbesondere in Hinblick auf die zunehmenden Antibiotikaresistenzen und die Notwendigkeit eines adäquaten und leitliniengerechten Umgangs mit diesen wichtigen Medikamenten. Zum anderen bezüglich des Optimierungspotenzials, welche telemedizinisch gestützte Kooperationsstrukturen hier bieten können, um infektiologisches und intensivmedizinischen Wissen kontinuierlich bereit stellen zu können.

Im Rahmen dieses Beitrags soll ein in der ersten Runde des Innovationsfonds gefördertes Projekt vorgestellt werden, welches mittels Anwendungen der Tele-Infektiologie und Tele-Intensivmedizin sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich die Form der Versorgung patientenorientierter gestalten soll . Durch regelmäßige Televisiten, Expertenchats, Fortbildungen und eine 24/7 Verfügbarkeit stellt das Projekt den teilnehmenden peripheren Krankenhäusern und Arztnetzen Experten/-innenwissen von zwei Universitätskliniken zur Verfügung. Im Rahmen des Projektes soll ein sektorenübergreifendes telemedizinisches Netzwerk als neue digitale Versorgungsform aufgebaut und beispielhaft in der Infektiologie und der Intensivmedizin implementiert werden, um die Behandlungs- und Prozessqualität sowie die Effizienz der Versorgung relevanter Patient*innenkollektive flächendeckend zu verbessern. Dabei soll evaluiert werden, inwiefern die Behandlungsqualität messbar verbessert werden kann und patientenrelevante Outcomes sowie gesundheitsökonomische Parameter verbessert werden können.

Es handelt sich um eine nicht-randomisierte, prospektive Studie einer Versorgungsinnovation als Längsschnittuntersuchung im Stepped-Wedge Design mit circa 40.000 ambulanten & stationären Patienten/-innen. Primärer Endpunkt: Verbesserung der Behandlungsqualität durch die Erhöhung des Umsetzungsgrads für die zen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie der Initiative „Klug entscheiden“. Sekundäre Endpunkte: Leitliniengerechte Sepsistherapie durch z.B. rechtzeitige Gabe von Antibiotika innerhalb von drei Stunden; Reduktion Sepsis-Sterblichkeit; gesundheitsökonomische Parameter (z.B. Zahl dialysepflichtiger Patient*innen nach Entlassung, Verlegungstransporte), gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten/-innen. Weiterhin soll erfasst werden, in welchem Maß die neue Versorgungsform von den Anwendern/-innen akzeptiert wird.

Im ambulanten Sektor werden mehrheitlich papierbasierte Dokumentationsbögen eingesetzt, die Daten zum telemedizinischen Konsil fallbezogen erfassen. Bei den stationären Daten handelt es sich um administrative, Struktur- und klinische Daten. Zum Einsatz kommt hierbei ein CRF (Case Report Form) sowie eine Datenerfassungsmaske in elektronischer Form. Hinzu kommen von Patienten/-innen oder Fachkräften auszufüllende Fragebögen.

Es handelt sich um eine recht großes, intersektorales Netzwerk, welches das Ziel hat, am Beispiel zwei relevanter medizinischer Bereiche eine neue, telemedizinisch gestützte Versorgungsform zu implementieren. Das Projekt kann insbesondere durch das umfassende, aber dennoch pragmatische Evaluationsdesign einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Implementierung und Weiterentwicklung der Telemedizin in Deutschland leisten. Die Ergebnisse sollen mit dazu beitragen, den Nutzen der Telemedizin bzw. telekooperativer Strukturen in anderen medizinischen Feldern und anderen Regionen einschätzen zu können, um damit nutzenstiftenden telemedizinischen Anwendungen einen schnelleren Weg in die Regelversorgung ebnen zu können.

Bei positiven Ergebnissen besteht die realistische Chance, dass telekonsiliarische Verfahren ein Teil der GKV-Regelversorgung werden und vom G-BA/Bewertungsausschuss mit einer Vergütungsziffer versehen werden. Sollen die Ergebnisse in anderen medizinischen Feldern oder Regionen adaptiert werden bzw. soll eine ähnliche digitale Gesundheitsstruktur aufgebaut werden, ist natürlich stets zu erwägen, inwiefern regionale Anpassungen erforderlich sind. Daher ist auch die Implementierungsforschung eine Aufgabe, die nach Abschluss des Projektes weiter forciert werden sollte. Der Beitrag soll daher auch die Rahmenbedingungen telemedizinisch gestützter Netzwerke als (zukünftige) Versorgungsform zur Diskussion stellen.