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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Patientenpartizipation in der häuslichen Versorgung: Welche Möglichkeiten und Grenzen bestehen aus Sicht der beruflich Pflegenden?

Meeting Abstract

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  • Melanie Messer - Universität Bielefeld, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV100

doi: 10.3205/17dkvf125, urn:nbn:de:0183-17dkvf1254

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Messer.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Patientenpartizipation gehört zu den Schlüsselbegriffen für gute Versorgung. Den aktuellen normativen Bestrebungen aus Wissenschaft und Politik folgend, ist diese uneingeschränkt für alle Patienten in allen Settings zu fordern. Bei pflegebedürftigen Menschen, die in der eigenen Häuslichkeit leben, ist es jedoch eine besondere Herausforderung diese aktiv an der Gestaltung ihrer Versorgung teilhaben zu lassen. Um die Partizipation dieser vulnerablen Patienten überhaupt anzubahnen, liegt eine besondere Verantwortung bei den beruflich Pflegenden.

Fragestellung: Die Untersuchung geht unter anderem der Frage nach, welche Möglichkeiten aus Sicht der beruflich Pflegenden für Patientenpartizipation in der häuslichen Versorgung bestehen und an welche Bedingungen diese geknüpft sind, aber auch wo Pflegende die Grenzen für Patientenpartizipation ziehen.

Methoden: Es wurden 29 problemzentrierte Experteninterviews mit beruflich Pflegenden durchgeführt, die als Pflegedienstleitung, Qualitätsbeauftragte und/oder Gesundheits- und Krankenpflegende tätig sind. Die Datenauswertung erfolgte über einen mehrschrittigen, kategorienbildenden Prozess mit thematisch- und fallvergleichenden Analysen.

Ergebnisse: In der häuslichen Versorgungspraxis finden sich Ansätze von Patientenpartizipation, die in ihrer Ausgestaltung von einer körperlich aktiven Mitarbeit pflegebedürftiger Patienten bis zur Beteiligung an Entscheidungen reichen. Zentraler Orientierungspunkt für die Ausrichtung der Bemühungen beruflich Pflegender ist hierbei das eigene Selbst- und Aufgabenverständnis. Ein direkter Bezug zum aktuellen Partizipationsdiskurs lässt sich jedoch nicht identifizieren. Die Möglichkeiten für Patientenpartizipation in der häuslichen Versorgung werden von beruflich Pflegenden vor allem in alltagsnahen Situationen im Bereich der Grundpflege angesiedelt. Dennoch setzen sie hier bestimmte Bedingungen voraus, wie z. B. die Bereitschaft von Patienten zur Mitarbeit, ein niedriges erwartetes Schadenspotenzial für Patienten und Pflegende oder aber auch bereits vorhandene Bewältigungsroutinen von Patienten. Bei behandlungspflegerischen Versorgungsbedarfen werden von beruflich Pflegenden hingegen kaum Möglichkeiten für eine Partizipation von Patienten gesehen. Als begrenzend werden der empfundene Handlungsdruck durch den MDK, Qualifikationsdefizite sowie die Arbeitsbedingungen der häuslichen Pflege, aber auch die hohe Vulnerabilität der Patienten empfunden. Darüber hinaus können auch anhaltende Kontroversen und Konflikte mit pflegebedürftigen Patienten zur Begrenzung von Partizipationsmöglichkeiten führen.

Diskussion: Die Ergebnisse machen deutlich, dass die möglichen Handlungsfelder für die Partizipation pflegebedürftiger Patienten in der häuslichen Versorgung aus Sicht beruflich Pflegender eng gesteckt sind. Die als begrenzend empfundenen Umstände sind mannigfaltig und setzen sich zusammen aus pflegepersonbezogenen, patientenbezogenen und rahmenbedingungsbezogenen Aspekten. In den daran geknüpften Bedingungen deuten sich jedoch auch Missverständnisse in der partizipativen Beziehungsgestaltung an, etwa wenn eine hohe Compliance des Patienten als Voraussetzung für Partizipation verstanden wird.

Praktische Implikationen: Aus den gewonnen Erkenntnissen lassen sich, anknüpfend an die Perspektive der Pflegenden, praktische Implikationen für eine Förderung von Partizipation pflegebedürftiger Patienten in der häuslichen Versorgung ableiten. Diese sollten insbesondere auf die Förderung des Selbst- und Aufgabenverständnisses, die Schulung von kommunikativen Kompetenzen, eine Verankerung von partizipationsfördernden Strukturen auf Organisationsebene und in den Rahmenbedingungen häuslicher Pflege zielen.