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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Die Rolle von Organisationsstrukturen und Patientencharakteristiken im Entlassungsprozess. Eine Mehrebenenanalyse

Meeting Abstract

  • Marina Nowak - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Michael Swora - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Ute Karbach - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Lena Ansmann - Universität zu Köln, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV135

doi: 10.3205/17dkvf091, urn:nbn:de:0183-17dkvf0914

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Nowak et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Brustkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen junger Frauen, weshalb der Versorgungsprozess innerhalb des Gesundheitssystems von besonderer Relevanz ist. Zusätzlich ist die Brustkrebsversorgung der Patientinnen komplex bei einer kurzen Verweildauer im Krankenhaus. Die Forderung nach einem optimierten Entlassungsprozess liegt sowohl im Interesse der Patientinnen als auch im wirtschaftlichen Interesse der Brustzentren. Eine Konzeptskizze zum Entlassmanagement, durch den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt, identifiziert Probleme beim Übergang vom Krankenhaus zu den weiterbehandelnden Leistungserbringern und betont die Bedeutung der Organisation des Entlassungsprozesses. Ziel des Rahmenvertrags Entlassmanagement, welcher zum 01.07.2017 in Kraft tritt, ist es, im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung die zielgerichtete und bedarfsgerechte Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Um die Aufgabe erfolgreich umzusetzen, ist Wissen über die Einflussfaktoren durch die Organisation und die Patienten auf die Qualität des Entlassungsprozesses nötig, um diese bei der Entlassung aus der stationären Versorgung berücksichtigen zu können.

Forschungsfrage: Es wird der Forschungsfrage nachgegangen, ob ein Zusammenhang verschiedener Organisationsstrukturen und Patientencharakteristika mit der Patientinnenerfahrung mit dem Entlassungsprozess in Brustzentren in Nordrhein-Westfalen besteht. Ziel ist es, Ressourcen und Faktoren herauszufinden, die die Erfahrung mit dem Entlassungsprozess beeinflussen. So können Hinweise für Maßnahmen der Organisationsentwicklung gegeben werden.

Methode: Mithilfe einer Mehrebenenanalyse wurde eine explorative Analyse des Zusammenhangs zwischen Krankenhausstrukturen sowie Patientinnencharakteristiken und Patientinnenerfahrungen mit dem Entlassungsprozess durchgeführt. Als Datengrundlage dienen die Ergebnisse von 12.849 Patientinnen aus Brustzentren in Nordrhein-Westfalen, erhoben durch den Kölner Patientinnenfragebogen für Brustkrebs der Jahre 2014, 2015 und 2016. Zusätzlich wurden Daten zur Bettenanzahl, Trägerschaft und zum Lehrstatus aus den Qualitätsberichten 2014 der 90 inkludierten Krankenhäuser hinzugeführt.

Ergebnisse: Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass Unterschiede in der Bewertung des Entlassungsprozesses zwischen den Krankenhäusern vorliegen. Das Modell ohne Prädiktoren ergibt einen Intraklassenkoeffizienten von 0,027, d.h. knapp 3 Prozent der Gesamtvariation werden durch Krankenhausmerkmale erklärt.

Der Entlassungsprozess wird von älteren Patientinnen als besser wahrgenommen, sowie von Patientinnen, die sich in einer Partnerschaft befinden oder eine Privat- oder Zusatzversicherung haben. Dies gilt ebenso für Patientinnen, die eine Mastektomie anstatt einer Maßnahme der Brusterhaltung erhalten haben, sowie Patientinnen die sich in Rente wegen Erwerbsminderung befinden. Patientinnen mit einem höheren UICC Stadium oder mehr Nebenerkrankungen haben hingegen eine schlechtere Wahrnehmung ihrer Erfahrungen mit dem Entlassungsprozess.

Auf der Kontextebene zeigt sich, dass in Krankenhäusern, die gemeinsam mit einem anderen Krankenhaus ein Brustzentrum bilden, die Erfahrungen des Entlassungsprozesses besser ausfallen, im Vergleich zu Krankenhäusern die alleine ein Brustzentrum darstellen.

Diskussion: Unterschiede in den Erfahrungen mit dem Entlassungsprozess zwischen den Krankenhäusern der Brustzentren, trotz der kurzen Verweildauer und Standardisierung der Prozesse, scheinen teilweise durch die Ergebnisse bestätigt zu werden. Ein positiver Effekt auf die Erfahrungen mit dem Entlassungsprozess könnte durch den Zusammenschluss von mehreren Krankenhäusern zu einem Brustzentrum entstehen. Allerdings haben die Patientencharakteristiken einen deutlich stärkeren Einfluss als die inkludierten Variablen auf Kontextebene. Bei Maßnahmen zur Verbesserung des Entlassungsprozesses sollte darauf geachtet werden, dass dies patientenorientiert verläuft, mit besonderem Fokus auf den Krankheitsstatus und die Krankheitsbehandlung, sowie wenn möglich den sozialen Kontext der Patientin. Die Ergebnisse liefern keinen Hinweis darauf, dass der Lehrstatus, die Trägerschaft oder die Krankenhausgröße den Entlassungsprozess beeinflussen, weshalb bei der Weiterentwicklung des Entlassungsprozesses diese Aspekte nicht berücksichtigt werden müssen.

Praktische Implikation: Die Gesetzesänderung zum Entlassmanagement wird momentan in Deutschland diskutiert. Aufgrund des Rahmenvertrags zum Entlassmanagement ist davon auszugehen, dass der Entlassungsprozess in Zukunft verändert wird. Dabei hilft ein verbessertes Verständnis der bestehenden Ressourcen und Barrieren auf Organisations- und Patientenebene, um eine Optimierung des Entlassungsprozesses zu erreichen. Bei der spezifischen Umsetzung und Betrachtung des Entlassungsprozesses ist es von hoher Relevanz die Bedingungen für die Patienten zu fokussieren und patientenzentriert vorzugehen.