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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Benefit einer Treuhandstelle für die klinische Krebsregistrierung

Meeting Abstract

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  • Angela Bialke - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
  • Kerstin Weitmann - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifswald, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV139

doi: 10.3205/17dkvf085, urn:nbn:de:0183-17dkvf0858

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Bialke et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Mit dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz wurde 2013 die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (KKR) vorangetrieben. Es legt u.a. die Einrichtung fachlich und institutionell unabhängiger KKR sowie die Grundlagen für eine einheitliche Erfassung von Behandlungs-, Therapie und Verlaufsdaten deutschlandweit fest. Die Förderung der KKR ist an Kriterien gebunden, die u.a. eine eindeutige Registrierung von Krebsfällen umfassen und damit Doppelerfassungen ausschließen, eine Vollständigkeit personenidentifizierender Daten (IDAT) von über 95% sowie die vollständige Erhebung des Vitalstatus fordern[1].

Fragestellung: Voraussetzung für die eindeutige Zusammenführung von verschiedenen Meldungen zu ein und demselben Patienten ist der Ausschluss von Dopplern bei den IDAT. Bei Meldungen mit vollständigen und korrekten IDAT ist dies i.d.R. unproblematisch und kann während der primären Dokumentation erfolgen. Aufgrund der großen Anzahl handschriftlicher Meldungen sowie manueller Eingabe ist die Qualität der registrierten Daten jedoch nicht in jedem Fall ausreichend. In dieser Situation kann eine Treuhandstelle (THS) die Erfüllung der Förderkriterien verbessern und wichtige Registerroutinen unterstützen.

Methode: Dopplerausschluss und Record Linkage werden durch ein Zusammenspiel von Software, manueller Nachbereitung und den Abruf von amtlichen Melderegisterdaten in der Treuhandstelle ermöglicht.

Identitätsmanagement: Alle Schreibweisen von Namen und Anschrift, die einer Person zugeordnet werden können, einschließlich Schreib- und Übertragungsfehlern werden als „Neben-Identitäten“ dieser Person dauerhaft gespeichert und zusammen mit dem Herkunftssystem verwaltet.. Mittels Melderegisterabgleich kann i. d. R. eine Hauptidentität herangezogen werden, deren Daten als korrekt angenommen werden.

Parameter: Nachname(n), Vorname(n), Geschlecht, Geburtsdatum, PLZ des Hauptwohnortes, Diagnosezeitpunkte und zur Verfügung stehende Information zur Krankenkasse einschließlich der einheitlichen Krankenversichertennummer werden gegeneinander abgeglichen, und abhängig von den vorgegebenen Schwellwerten der Übereinstimmungswahrscheinlichkeit automatisch zusammengeführt oder einer manuellen Prüfung unterzogen.

Algorithmen: Im Anschluss an eine Normalisierung (Großschreibung, Umlaut-, Sonderzeichen-, Akzent-Ersetzung) erfolgt der Vergleich der Parameter mittels der Levenshtein-Distanz. Der anschließende Record Linkage wird mit dem probabilistischen Fellegi & Sunter-Ansatz umgesetzt.

Entscheidung: Die Entscheidung, ob es sich bei zwei IDAT-Datensätzen um ein und denselben oder unterschiedliche Patienten handelt, erfolgt teils automatisiert anhand eines konfigurierbaren Abgleichverfahrens und teils manuell durch eingewiesenes Personal auf Basis von Standardarbeitsanweisungen (SOPs) und ggf. erst nach Abgleich mit dem Melderegister. Die Basis jeder Entscheidung wird anhand eines eindeutigen Codes dokumentiert.

Widerspruchs- und Pseudonymverwaltung: Widersprüche und für die Register- und Auswertearbeit benötigte Pseudonyme werden mittels geeigneter Software verwaltet und den IDAT eindeutig zugeordnet.

Studiendesign, Datenerhebung und ‑auswertung: Die Daten stehen durch die Registerarbeit zur Verfügung. Sie werden auf rechtlicher Basis auf Vollständigkeit geprüft, mittels des IDAT-Managementsystems E-PIX auf Doppler hin untersucht und mit den Meldeamtsdaten abgeglichen. Anschließend werden die IDAT einem Vorher- /Nachher-Vergleich unterzogen, bei dem die Anzahl von dokumentierten IDAT der Anzahltatsächlich betroffener Personen gegenübergestellt werden.

Ergebnisse: Am Beispiel des KKR Mecklenburg-Vorpommern wird der Einfluss einer THS mit entsprechenden technischen Mitteln und geschultem Personal auf den Anteil von Synonymfehlern (Doppelte Personen-Datensätze zu ein und demselben Patienten) und Homonymfehler (fälschliche Zuordnung der Daten verschiedener Personen zu einem Patienten) gezeigt.

Diskussion: Die Bereitstellung einer THS erfordert zusätzliches Personal und technische Ressourcen. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Entscheidung, ob zwei Personen-Datensätze zu ein und demselben Patienten gehören im Moment der Neueingabe ohne Zusatzinformationen fehleranfällig ist. Auch optimale Verfahren innerhalb der Tumordokumentationssoftware können das Entstehen von Synonym- und Homonymfehlern nicht ausschließen. Häufig kann bei sehr ähnlichen Patientendaten erst der Melderegisterabgleich zur richtigen Lösung führen. Das Verwalten aller „Identitäten“ einschließlich der getroffenen Entscheidungen in der THS erleichtert zukünftige Zuordnungen und sichert die langfristige Nachvollziehbarkeit.

Praktische Implikationen: In der Praxis kann eine THS in den KKR sowohl die Vollständigkeit von Krebsverlaufsdaten durch korrekte Zusammenführung zu ein und demselben Patienten erhöhen als auch dazu beitragen, die für die Finanzierung des KKR notwendige Erfüllung der benannten Förderkriterien zu erreichen.