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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Surveillance ambulant-sensitiver Krankenhausfälle (ASK) bei Diabetes mellitus – zeitliche Entwicklung 2005-2014

Meeting Abstract

  • Johannes Pollmanns - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Germany
  • Saskia E. Drösler - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Germany
  • Maria Weyermann - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Germany
  • Rebecca Paprott - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Christa Scheidt-Nave - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV201

doi: 10.3205/17dkvf046, urn:nbn:de:0183-17dkvf0464

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Pollmanns et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Rahmen des Aufbaus einer Nationalen Diabetes-Surveillance unter Federführung des Robert Koch-Instituts wurden vier wesentliche Handlungsfelder definiert: (1) Diabetesrisiko reduzieren, (2) Früherkennung und Behandlung verbessern, (3) Diabetes-Komplikationen reduzieren, (4) Krankheitslast und Krankheitskosten senken. Für jedes Handlungsfeld werden Kennzahlen (Indikatoren) auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz ausgewählt und ein Set von Kernindikatoren über einen strukturierten Expertenkonsens ausgewählt. Entscheidende Kriterien für einen Kernindikator sind Informationsgehalt, Validität und Änderungssensitivität im Hinblick auf konkrete Präventions- oder Versorgungsziele. Außerdem muss eine verlässliche und über die Zeit vergleichbare Abbildung des Indikators über verfügbare Datenquellen für den Aufbau von Zeitreihen gesichert sein. Idealerweise sollen dabei auch möglichst tief gegliederte regionalisierte Auswertungen möglich sein.

Fragestellung: Für das Handlungsfeld 3 wurde geprüft, ob die von der Organisation für Ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) regelmäßig verwendeten Indikatoren zur Erfassung der Versorgungsqualität von Personen mit Diabetes mellitus auf Bevölkerungsebene unter Nutzung der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG-Statistik nach §21 KHEntgG) die o.g. Kriterien für Kernindikatoren erfüllen.

Methode: Die OECD verwendet derzeit Krankenhausaufnahmeraten bei Diabetes mellitus und stationär durchgeführte Amputationsraten der unteren Extremität bei Diabetes mellitus als Indikatoren der diabetesbezogenen Versorgungsqualität. Der Zähler ist die Anzahl der Krankenhausaufnahmen, der Nenner die Bevölkerung ab 15 Jahren in einer definierten Region. Auf Basis der DRG-Statistik wurden insgesamt fünf Indikatoren abgebildet: Krankenhausaufnahmeraten pro 100.000 Bevölkerung bei (1) diabetischen Spätfolgen, (2) kurzfristig aufgetretenen Komplikationen, (3) Stoffwechselentgleisungen ohne Komplikationen, (4-5) Amputationen der unteren Extremität inkl. bzw. exklusive Zehenamputationen. Die benötigten Daten waren über das Forschungsdatenzentrum des statistischen Bundesamtes verfügbar. Auf Bundesebene wurden mittels SAS (Version 9.4) für die Jahre 2005-2014 alters- und geschlechtsspezifische Raten sowie altersstandardisierte Raten (95% Konfidenzintervalle) mit Bezug auf die Bevölkerung von 2005 als Vergleichsjahr berechnet. Für das Jahr 2014 wurden regionale Unterschiede in den Indikatoren auf Kreisebene auf Basis der alters- und geschlechtsstandardisierten Raten berechnet und mittels RegioGraph Planung 2015 dargestellt.

Ergebnisse: Mit Ausnahme der Krankenhausaufnahmeraten wegen Stoffwechselentgleisungen ohne Komplikationen und wegen Amputationen inkl. Zehen sind alle Indikatoren auf Bundesebene im Zeitverlauf bei beiden Geschlechtern rückläufig. Den stärksten Rückgang zeigen Krankenhausaufnahmeraten wegen Spätkomplikationen (2005 Männer: 225,9 Fälle/100.000 Einwohner [95%-KI: 224,2; 227,6], 2005 Frauen: 157,6 [156,3; 158,8]; 2014 Männer: 214,6 [213,1; 216,1], 2014 Frauen: 117,0 [115,9; 118,0]). Krankenhausaufnahmeraten wegen diabetesbezogener Amputationen inkl. Zehen nehmen bei Männern zu (2005: 65,5 Fälle/100.000 Einwohner [95%-KI: 64,6; 66,4], 2014: 70,3 [69,4; 71,2]). Aufnahmeraten wegen Stoffwechselentgleisungen ohne Komplikationen stagnieren bei Frauen. Regionale Unterschiede zeigen sich insbesondere für Aufnahmeraten bei Spätkomplikationen, mit hohen Aufnahmeraten in den nordöstlichen Bundesländern, im Nordosten Bayerns und in Teilen NRWs. Hohe Krankenhausaufnahmeraten wegen Amputationen zeigen sich in allen östlichen Bundesländern und in Nordbayern. Bei Amputationen ohne Zehen sind hohe Raten vor allem in Thüringen und Sachsen-Anhalt zu erkennen.

Diskussion: Die DRG-Statistik erlaubt eine zeitnahe, kontinuierliche und regional gegliederte Abbildung von versorgungsrelevanten diabetesspezifischen Indikatoren, die auch international etabliert sind. Limitationen ergeben sich daraus, dass Krankenhausfälle in den Zähler eingehen und Mehrfachzählungen möglich sind. Somit können keine Inzidenzraten abgebildet werden. Änderungen in der ICD-basierten Kodierung können zudem die Einschätzung zeitlicher Veränderungen erschweren. Die beobachteten regionalen Unterschiede können durch eine Vielzahl von Faktoren (z. B. Unterschiede in Prävalenz und Versorgungsstrukturen, soziale Deprivation) mitbestimmt werden.

Praktische Implikationen: Die DRG-basierten Indikatoren scheinen prinzipiell für die Aufnahme als Kernindikatoren im Rahmen der Diabetes-Surveillance geeignet, erfordern jedoch weitere methodische Aufbereitung im Hinblick auf die genannten Limitationen sowie die Erklärung regionaler Unterschiede und zeitlicher Trends.