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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Gesundheitsstatus von geflüchteten Patienten in drei primärärztlichen Versorgungszentren im Jahr 2016

Meeting Abstract

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  • Christian Beruf - Zentrum für Forschung, Weiterbildung und Beratung an der ehs Dresden gGmbH, Dresden, Germany
  • Katja Lindner - Zentrum für Forschung, Weiterbildung und Beratung an der ehs Dresden gGmbH, Dresden, Germany
  • Julia Henry - Zentrum für Forschung, Weiterbildung und Beratung an der ehs Dresden gGmbH, Dresden, Germany
  • Thomas Fischer - Evangelische Hochschule Dresden (ehs), Dresden, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV154

doi: 10.3205/17dkvf034, urn:nbn:de:0183-17dkvf0347

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Beruf et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 745.545 Asylanträge gestellt, was eine Erhöhung um 156 % zum Vorjahr darstellt. Damit entstand nicht nur quantitativ zusätzlicher Versorgungsbedarf, sondern Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede, sowie spezielle Abrechnungsmodalitäten stellten zusätzliche Herausforderungen dar. Um diese speziellen Versorgungsbedarfe abdecken zu können, wurden in einer deutschen Region drei Versorgungszentren für geflüchtete Menschen etabliert, die Aufgaben der primärärztlichen Versorgung übernehmen. Neben allgemeinärztlichen und ausgewählten fachärztlichen Sprechstunden (z.B. gynäkologisch, pädiatrisch), halten diese Zentren Sprachmittler und Sozialarbeiter bereit.

Gleichzeitig ist der Gesundheitsstatus von Geflüchteten im primärmedizinischen Versorgungsbereich außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland bisher weitgehend unbekannt. Eines der Hauptziele der interdisziplinären wissenschaftlichen Begleitung der Zentren ist daher die Analyse des Gesundheitsstatus und der Versorgungslage von Asylsuchenden.

Fragestellung: Basierend auf den Behandlungs- und Abrechnungsdaten des Jahres 2016 sollen das Morbiditätsspektrum und die Behandlungsanlässe der Patienten in den Zentren analysiert werden. Ziel ist es dabei, Aussagen über den Output der auf Flüchtlinge spezialisierten primärärztlichen Versorgungszentren zu treffen und auf dieser Basis Ableitungen über den Gesundheitsstatus und den Versorgungsbedarf geflüchteter Menschen in Deutschland vorzunehmen. Im Einzelnen wird folgenden Fragen nachgegangen:

  • Welches Morbiditätsspektrum weisen die behandelten Geflüchteten in den allgemeinmedizinischen Versorgungseinrichtungen auf?
  • Wie verteilt sich die Krankheitslast nach Geschlecht, Alter und zuständiger Unterbringungsbehörde?
  • Wie lassen sich die Ergebnisse in den nationalen und internationalen Forschungsstand einordnen?

Methode: Bei der Studie handelt es sich um eine quantitative Sekundärdatenanalyse der Abrechnungs- und Behandlungsdaten von drei primärärztlichen Versorgungszentren für Geflüchtete.

Dazu wurden die in standardisierter Form vorliegenden Patienten-, Behandlungs- und Abrechnungsdaten aus der Praxissoftware der Zentren extrahiert. Die Zuordnung zu Behandlungsfällen und spezifischen Patienten wurde dabei in anonymisierter Form erhalten. Die extrahierten Daten wurden in der Folge bereinigt und statistisch deskriptiv mit IBM SPSS ausgewertet.

Folgende Merkmale flossen in die Auswertung ein: demographische Angaben (Alter, Geschlecht), Leistungsdaten (EBM, Verordnungen für Diagnostik), Diagnosen (ICD) und Kostenträger (Land, örtlicher Sozialhilfeträger oder Träger der Kinder- und Jugendhilfe).

Ergebnisse: In einer vorläufigen Auswertung der Daten aus einem der drei Zentren zeigt sich, dass vorwiegend virale Infekte, Rückenschmerz, sowie Haut- und Augenerkrankungen Behandlungsanlässe in der Praxis darstellen. Zusätzlich deutet sich ein Anstieg von chronischen und psychischen Diagnosen im Zeitverlauf an. Geschlechtsunterschiede sind ebenfalls vorhanden.

Die Datenlieferung und -auswertung für das Jahr 2016 wird im Juli/August 2017 abgeschlossen. Es werden verschiedene Resultate zur Patientenstruktur, unter anderem nach Geschlecht, Alter, Quartal und Kostenträger, dargestellt. Zusätzlich wird die Verteilung der Diagnosen und medizinischen Leistungen der behandelten Patient_innen unter verschiedenen Aspekten betrachtet.

Diskussion: Differenzen bei der Häufigkeit von Behandlungsanlässen im Vergleich zu anderen Untersuchungen können auf die unterschiedliche Organisation anderer Versorgungsmodelle bzw. andere Versorgungsziele (Erstuntersuchung bei Ankunft in der Gemeinschaftsunterkunft) zurückgeführt werden.

Die Datengrundlage der Analyse stellen Abrechnungsdaten dar, so dass nur abgerechnete Hauptdiagnosen einbezogen werden konnten, wodurch gestellte Nebendiagnosen, Einzelbefunde oder Voruntersuchungen nicht berücksichtigt werden können. Dadurch ist die Aussagekraft zum Gesundheitsstatus limitiert. Underreporting ist bei Erkrankungen zu vermuten, die nicht im Fokus der Primärversorgung stehen, wie etwa Traumata und subakute psychische Erkrankungen.

Die Abrechnungsmodalitäten über einzeln ausgestellte Behandlungsscheine und ohne eine einheitliche Patientennummer seitens der Sozialleistungsträger erschwert darüber hinaus die Auswertung der Routinedaten von geflüchteten Menschen.

Praktische Implikationen: Auf Grundlage der Ergebnisse sollen quantitative und qualitative Anforderungen an die primärmedizinische Versorgung von geflüchteten Menschen abgeleitet werden. Somit kann abgebildet werden, welche Versorgungsschwerpunkte in diesem Bereich benötigt werden.