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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Pilotierung einer komplexen Intervention zur Verbesserung von sozialer Teilhabe und Lebensqualität von Pflegeheimbewohnern mit Gelenkkontrakturen (JointConImprove): Konzept der Prozessevaluation

Meeting Abstract

  • H. Klingshirn - Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, München, Deutschland
  • S. Saal - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • K. Beutner - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • J. Hirt - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • R. Strobl - Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, München, Deutschland
  • E. Grill - Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, München, Deutschland
  • G. Meyer - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • M. Müller - Hochschule Rosenheim University of Applied Sciences, Fakultät für Angewandte Gesundheits- und Sozialwissenschaften, Rosenheim, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV087

doi: 10.3205/16dkvf275, urn:nbn:de:0183-16dkvf2759

Veröffentlicht: 24. Oktober 2016

© 2016 Klingshirn et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Gelenkkontrakturen sind ein häufiges Phänomen bei Pflegeheimbewohnern und führen zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität und der Möglichkeit zur sozialen Teilhabe. Um diesem Problem entgegenzuwirken wurde im Rahmen eines BMBF-geförderten Projekts eine aus mehreren Komponenten bestehende, komplexe Intervention entwickelt: das Konzept der „kontraktursensiblen Pflege“.

Die Intervention verfolgt das Ziel, die Lebensqualität und die soziale Teilhabe der Betroffenen zu verbessern und bietet dazu Handlungsstrategien auf Individual- und Organisationsebene an. Das Kernelement der Intervention ist eine eintägige Schulung für Pflegefachkräfte, die in den Pflegeheimen als Multiplikatoren für die Umsetzung des Konzepts verantwortlich sind. Die Multiplikatoren erhalten während des Implementierungsprozesses Unterstützung durch eine einmalige Vor-Ort-Beratung sowie eine bedarfsorientierte telefonische Beratung. Daneben findet in jeder Einrichtung eine Informationsveranstaltung für alle Interessierten statt.

Die Pilotstudie adressiert vorrangig die Machbarkeit und Durchführbarkeit der Intervention, sowie der Studienprozeduren. Dazu findet eine umfangreiche Prozessevaluation statt, welche die Wirkweise der Intervention in Abhängigkeit verschiedenster Mechanismen und Kontextfaktoren überprüft und damit sowohl eine Hauptstudie vorbereitet, als auch die Intervention weiterentwickelt.

Fragestellung: Im Rahmen der Prozessevaluation werden folgende Fragestellungen untersucht:

  • Implementierung: Wie wurde die Intervention implementiert, und welche Komponenten wurden tatsächlich umgesetzt?
  • Einflussmechanismen: Nach welchem Wirkprinzip ergeben sich Veränderungen und was sind Barrieren und Förderfaktoren für eine erfolgreiche Implementierung?
  • Kontext: Wie beeinflusst das Umfeld den Implementierungsprozess und die Ergebnisse?

Methode: Die Pilotstudie wird als cluster-randomisierte kontrollierte Studie mit insgesamt sieben Pflegeheimen (n=4 Intervention, n=3 Kontrolle) in zwei Regionen Deutschlands durchgeführt.

Das Konzept der Prozessevaluation basiert auf dem Modell von Grant et al. [1] für die Konzeption und Berichterstattung der Prozessevaluation bei cluster-randomisierten kontrollierten Studien. Dabei werden sowohl die zugrunde liegenden Kontextfaktoren als auch die Prozesse rund um die Rekrutierung und Durchführung auf Cluster- und Individualebene untersucht.

Die Datenerhebung erfolgt nach einem Mixed-Methods-Ansatz und bedient sich qualitativer (Einzelinterviews, Fokusgruppen, Tagebücher) und quantitativer Methoden (standardisierte Fragebögen, Protokolle), um Prozesse und Mechanismen innerhalb der Studie auf allen Ebenen abzubilden:

  • Monitoring und Dokumentation des Rekrutierungsprozesses,
  • Evaluation von Einrichtungsmerkmalen, Erwartungen und Erfahrungen von Pflegekräften durch standardisierte Fragebögen,
  • Evaluation der Interventionskomponenten (Schulung, Informationsveranstaltung, Vor-Ort-Beratung) durch standardisierte Fragebögen, Protokolle und Feldnotizen,
  • Abschlussevaluation aus Sicht der Multiplikatoren mit Tagebüchern, standardisierten Fragebögen und Fokusgruppen,
  • Evaluation der Erfahrungen von Angehörigen, Therapeuten und Sozialdienstes durch Einzelinterviews.

Die Auswertung des quantitativen Teils erfolgt mittels deskriptiver Analyse. Unterschiede in den jeweiligen Clustern werden über absolute und relative Häufigkeiten dargestellt. Die mündlichen qualitativen Erhebungen werden aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Auswertung erfolgt mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring.

Ergebnisse: An der Schulung nahmen insgesamt 14 Pflegefachkräfte teil. Die Schulungsevaluation ergab in der Bewertung mit Schulnoten (1–6) eine Durchschnittsnote von 1,8 (n=13, SD 0,45). Auch die Informationsveranstaltungen wurden mit einer Durchschnittsnote von 1,9 (n=97, SD 0,76) insgesamt positiv bewertet. Die telefonische Beratung wird von Seiten der Multiplikatoren wenig genutzt. Generell ergeben sich bei der Implementierung der Intervention deutliche Unterschiede zwischen den Clustern.

Die letzte Erhebungsphase findet im September 2016 statt, so dass die finalen Ergebnisse der Prozessevaluation Ende 2016 vorliegen werden.

Diskussion: Die Ergebnisse der Prozessevaluation zeigen auf, welche Komponenten der Intervention unter welchen Voraussetzungen erfolgreich sind, wo Barrieren oder Förderfaktoren bestehen und wie diese für die Weiterentwicklung der Intervention genutzt werden können.

Praktische Implikationen: Basierend auf der Prozessevaluation wird die Intervention der kontraktursensiblen Pflege kontinuierlich weiterentwickelt. Zunächst – im Rahmen dieser Pilotstudie – für die Umsetzung der Intervention im Folgeprojekt und für die Zukunft – in Abhängigkeit des Erfolgs der Intervention – in allen interessierten Pflegeheimen deutschlandweit.


Literatur

1.
Grant A, Treweek S, Dreischulte T, Foy R, Guthrie B. Process evaluations for cluster-randomised trials of complex interventions: a proposed framework for design and reporting. Trials. 2013 Jan 12;14:15. DOI: 10.1186/1745-6215-14-15 Externer Link