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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Analyse von Determinanten der Mobilitätsbereitschaft bei Patienten mit Psoriasis und chronischen Wunden

Meeting Abstract

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  • Nicole Zander - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen, Hamburg, Deutschland
  • Jobst Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen, Hamburg, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP054

doi: 10.3205/16dkvf264, urn:nbn:de:0183-16dkvf2641

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Zander et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In der Versorgungsplanung wird meist davon ausgegangen, dass Patienten den nächstgelegenen Arzt aufsuchen. Einzelne Erreichbarkeitsstudien geben jedoch Hinweis darauf, dass bei der Arztwahl nicht nur die Distanz, sondern auch individuelle Patientenpräferenzen eine Rolle spielen. Demnach ist davon auszugehen, dass das Mobilitätsverhalten ein komplexes Konstrukt ist, welches durch Faktoren wie Diagnose, das Vertrauensverhältnis zum Arzt aber auch die Mobilität der Patienten bestimmt wird.

Fragestellung: Die vorliegende laufende Pilotstudie beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Umständen ein Patient einen Mehraufwand hinsichtlich des Anfahrtsweges in Kauf nimmt und welche Rolle dabei sozidemographische Merkmale oder die Erkrankung und deren Schweregrad spielen.

Methode: Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen einer multizentrischen Querschnittsstudie. Die Befragung von insgesamt 310 Patienten wurde bei vier niedergelassenen Ärzten (Dermatologen/Gefäßchirurgen) und in der dermatologischen Sprechstunde in einem Universitätsklinikum durchgeführt. Dabei wurden Patienten mit Psoriasis (n = 159) und chronischen Wunden (n = 151) neben persönlichen Merkmalen zu ihrem Mobilitätsverhalten und Krankheitsbild befragt. Die Angaben zum Schweregrad erfolgten durch den behandelnden Arzt. Die Datenauswertung erfolgte anhand deskriptiver, multivariater und GIS-gestützter Verfahren. Der in Kauf genommene Mehraufwand wurde über die Differenz der Entfernung des nächstgelegenen Arztes zum tatsächlich besuchten Arzt definiert. Als Verkehrsmittel wurden dabei PKW und ÖPNV berücksichtigt. Die dafür notwendigen Daten stammen von der Deutschen Dermatologischen Akademie (Arztdaten) sowie von Open Streetmap (Netzwerkdatensatz).

Ergebnisse: Erste Analysen zeigen, dass eine hohe Bereitschaft, einen Mehraufwand in Kauf zu nehmen, vor allem durch die Kompetenz sowie das Leistungsangebot des Arztes bestimmt wird. Weiterhin ist die Aussicht auf eine bessere Therapie ebenfalls ein wichtiges Kriterium. Faktoren wie Alter, Geschlecht und Nationalität des Arztes scheinen hingegen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Gruppenvergleiche der beiden Diagnosen zeigten, dass Psoriasis-Patienten prinzipiell weitere Anfahrtswege hatten, als die Wundpatienten. Dies zeigte sich folglich auch im Mehraufwand, der sich zwischen den Indikationen signifikant mit p ≤ 0,001 unterschied: Während Psoriasis-Patienten, die in der Klinik behandelt wurden, im Mittel einen 33,7 km längeren Anfahrtsweg in Kauf nahmen, lag der Wert bei den Psoriasis-Patienten bei niedergelassenen Dermatologen bei 4,5 km und bei 2,2 km bei den Wundpatienten. Signifikante Zusammenhänge zwischen Schweregrad und in Kauf genommenen Mehraufwand konnten nicht gefunden werden. Korrelationsanalysen deuten aber daraufhin, dass bei Patienten in niedergelassenen Praxen ein negativer Zusammenhang besteht, während dies bei Klinikpatienten nicht der Fall ist. Ein signifikant negativer Zusammenhang (r = -0,4; p ≤ 0,001) bestand zwischen Alter und patientenseitigem Mehraufwand gemessen in Kilometern. Dies zeigte sich unter anderem auch darin, dass berufstätige Personen sich signifikant von nicht berufstätigen (v.a. Rentner) unterschieden. Berufstätige Probanden nahmen dabei weitere Wege und einen höheren Mehraufwand in Kauf.

Diskussion: Die ersten Studienergebnisse zeigen, dass individuelle Patientenpräferenzen (z.B. Aussicht auf bessere Therapie) die Bereitschaft, einen weiteren Weg zum Arzt in Kauf zu nehmen maßgeblich beeinflussen. Schweregrad und finanzielle Aspekte spielen dabei eher eine untergeordnete Rolle. Der in Kauf genommene Mehraufwand wird hauptsächlich durch das Alter der Patienten - und damit zusammenhängend vermutlich deren Mobilität - erklärt. Weiterhin wäre zu beleuchten, inwiefern sich niedergelassene Ärzte von der dermatologischen Ambulanz der Klinik, beispielsweise hinsichtlich der Verschreibung von Medikamenten, unterscheiden und wie derartige Charakteristika die Arztwahl beeinflussen.

Die Ergebnisse sind hinsichtlich Facharztgruppe und Diagnosen limitiert. Um weitere Patientenpräferenzen zu identifizieren wäre es sinnvoll, die vorliegende Pilotstudie auf mehrere Diagnosen auszuweiten und weitere Facharztgruppen einzubeziehen. So könnten krankheitsbildspezifische Unterschiede wie Mobilitätseinschränkungen aber auch verstärktes Verlangen nach einer Vertrauensbasis, z.B. bei psychischen Erkrankungen, näher beleuchtet werden.

Praktische Implikationen: Wenngleich es sich lediglich um erste Ergebnisse handelt und die Auswertung noch nicht abgeschlossen ist, zeigt sich ein komplexes Mobilitätsverhalten der Patienten, das von zahlreichen persönlichen, aber auch klinischen Merkmalen beeinflusst wird. Weitere Analysen sind notwendig, um detailliertere Aussagen zu erhalten.