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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Typ-1-Diabetiker im Kindes- und Jugendalter – Stoffwechseleinstellung, Blutdrucksituation und Folgekomplikationen bei Patienten im Disease Management Programm Nordrhein

Meeting Abstract

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  • Sabine Groos - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Jens Kretschmann - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Arne Weber - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Bernd Hagen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP051

doi: 10.3205/16dkvf261, urn:nbn:de:0183-16dkvf2616

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Groos et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Erkranken Kinder und Jugendliche an Diabetes mellitus Typ 1, stellt dies Betroffene, Angehörige sowie die betreuenden Ärzte hinsichtlich therapeutischer und präventiver Maßnahmen vor besondere Herausforderungen. Die bedeutsamste Rolle spielt zunächst die Stoffwechselkontrolle: Leitlinien empfehlen für Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus einen HbA1c-Zielbereich von unter 7,5 % (ADA, 2015; DDG, 2009), wobei sowohl das Risiko für Folgekomplikationen als auch das Risiko für Hypoglykämien berücksichtigt werden muss. Aber auch eine ungünstige Blutdruckeinstellung sowie das Gewicht können Risikofaktoren für das spätere Auftreten mikro- und makrovaskulärer Folgeschädigungen darstellen.

Fragestellung: Die folgenden Fragen sollen beantwortet werden: Wie sieht die Stoffwechselsituation bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes aus? Gelingt die glykämische Kontrolle und welche Risikofaktoren zeigen sich hier? Gibt es Blutdruck-Probleme? Wie ist die Gewichtssituation? Kommen in diesem Alter bereits Folgeschädigungen vor?

Methode: Als Datengrundlage dienen die Dokumentationen von 1.052 Kindern und Jugendlichen, die im Jahr 2014 im Disease Management Programm Diabetes mellitus Typ 1 in Nordrhein betreut wurden. Deskriptive Betrachtungen erlauben die Darstellung der HbA1c-Werte in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht, der Blutdruck- und der Gewichtssituation sowie der Auftretenshäufigkeit von Folgeschädigungen. Zusätzlich werden in einem multivariaten logistischen Regressionsmodell die Risikofaktoren für das Erreichen eines HbA1c-Werts unter 7,5 % ermittelt.

Zur Definition eines erhöhten Blutdrucks werden die Angaben der KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts herangezogen; als Grenzwerte werden die Werte der 95.Perzentilkurven der Blutdruckwerte – getrennt für vier Altersklassen sowie für Jungen und Mädchen – festgelegt. Die Einteilung in die Gewichtsklassen erfolgt ebenfalls unter Berücksichtigung des Alters und Geschlechts.

Ergebnisse: Von den betrachteten Kindern und Jugendlichen weisen 36 % einen HbA1c-Wert bis maximal 7,5 % auf, während für 9 % ein Wert über 10,0 % dokumentiert ist. Die Stoffwechseleinstellung wird mit zunehmendem Alter schlechter und gelingt Jungen insgesamt besser. Entsprechend sinkt im multivariaten Modell die Wahrscheinlichkeit, einen HbA1c unter 7,5 % zu erreichen, mit zunehmendem Alter. Auch besteht ein Zusammenhang mit dem Vorliegen einer diabetischen Folgekomplikation. Schwere Hypoglykämien sind sehr seltene Ereignisse; nur drei von 100 Patienten sind betroffen.

Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind für die Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes wesentlich häufiger erhöhte Blutdruckwerte dokumentiert. Ungefähr ein Viertel ist übergewichtig bzw. stark übergewichtig. Knapp 6 % sind bereits von allen drei Risikofaktoren (HbA1c ≥ 7,5 %, erhöhter Blutdruck und (starkes) Übergewicht) betroffen.

Insgesamt leiden 138 (13,1 %) Patienten unter mindestens einer der Folgeschädigungen Neuropathie (n = 3), Retinopathie (n = 25), Nephropathie (n = 102) bzw. deren Endpunkten Amputation (n = 1) und terminales Nierenversagen (n = 12). Bei keinem der Kinder und Jugendlichen ist eine Erblindung dokumentiert.

Diskussion: Eine Stoffwechseleinstellung, wie sie von Fachgesellschaften und Leitlinien empfohlen wird, gelingt bei Typ-1-Diabetikern im Kindes- und Jugendalter in vielen Fällen nicht. Zusätzlich sind einige dieser Patienten von erhöhtem Blutdruck bzw. von Übergewicht betroffen. Durch diese Bedingungen steigt das Risiko für das Auftreten von Folgeschädigungen im weiteren Krankheitsverlauf deutlich an, auch wenn schwere diabetische Folgeschädigungen in der betrachteten Altersgruppe noch recht selten vorkommen.

Praktische Implikationen: Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes bedürfen einerseits besonderer Aufmerksamkeit hinsichtlich der Kontrolle der Risikofaktoren für spätere diabetesassoziierte Folgeschädigungen. Andererseits zeigt sich aber auch die Bedeutung regelmäßiger Kontrolluntersuchungen zum frühzeitigen Erkennen möglicher Komplikationen.