gms | German Medical Science

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Die Rolle von Migrantenselbstorganisationen in der Gesundheitsversorgung – ein systematischer Review

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Basri Askin - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland
  • Anke Wagner - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland
  • Monika A. Rieger - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP048

doi: 10.3205/16dkvf251, urn:nbn:de:0183-16dkvf2516

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Askin et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die gleichberechtigte Teilhabe von Migrant/innen an der gesundheitlichen Versorgung ist ein wichtiges gesundheits- und integrationspolitisches Ziel. Die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund ist heterogen, nicht nur im Hinblick auf Herkunft und Ethnizität, sondern auch bezüglich ihrer sozialen Milieus und damit verbunden ihrer kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Teilhabe. Dementsprechend unterschiedlich können der gesundheitliche Zustand sowie die Erwartungen und Bedürfnisse an das Gesundheitssystem sein. In Deutschland wird in den letzten Jahren verstärkt die interkulturelle Öffnung von Institutionen, Organisationen und Einrichtungen gefordert. Ein essentieller Bestandteil gelingender Öffnungsprozesse ist die aktive Beteiligung der Zugewanderten und ihrer Interessenvertretungen. Migrantenselbstorganisationen (MSO) sind die von Menschen mit Migrationshintergrund gegründeten freiwilligen Zusammenschlüsse, Initiativen und Vereine. Sie verfolgen das Ziel, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund zu leisten. Bisher wurde das Engagement von MSO im Bereich Gesundheit(sversorgung) nicht systematisch untersucht.

Fragestellung: Welche Aussagen finden sich in der wissenschaftlichen Literatur hinsichtlich der Rolle von MSO in der Gesundheitsversorgung?

Lassen sich Good-Practice-Beispiele für eine gelungene Kooperation zwischen MSO und Akteur/innen und Einrichtungen aus dem Gesundheitswesen identifizieren?

Methode: Zur Beantwortung der Reviewfrage(n) wurde im Zeitraum 01.01. – 31.03.2016 eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken Pubmed, PsycINFO, EMBASE, Web of Science, Cochrane Library, Academic Search Premier und Google Scholar mit vorab definierten Suchbegriffen durchgeführt, um Studien zum Thema „Migrantenselbstorganisationen in der Gesundheitsversorgung“ zu identifizieren. Dabei wurden in den einzelnen Datenbanken jeweils die Begriffe „migrant organization“ (sowie Synonyme / verwandte Begriffe) und „health care“ (sowie Synonyme / verwandte Begriffe) verwendet. Um den aktuellen Stand der Forschung zu erfassen, wurde die Recherche auf den Zeitraum der letzten 10 Jahre begrenzt. Sowohl die Studienselektion als auch die Datenextraktion und die methodische Studienbewertung wurden unabhängig durch zwei Reviewer durchgeführt. Die interne Validität der eingeschlossenen Studien wurde mittels der SURE-Kriterien bewertet.

Ergebnisse: Die breitangelegte Suche in den Datenbanken ergab in einem ersten Resultat n=3.234 Publikationen. Davon wurden 121 Duplikate entfernt. Die übrigen n=3.113 wurden anhand des Titels und des Abstracts gesichtet. Insgesamt wurden 13 Arbeiten mit inhaltlichem Bezug als Volltexte gefunden, die derzeit im Hinblick auf das Review ausgewertet werden. Unter den Volltexten befinden sich auch empirische Studien, darunter zwei im Mixed-methods-Design und eine qualitative Studie, sowie ein Review. Parallel werden die Ergebnisse der Datenbanksuche durch Suche in den Referenzen sowie Handsuche ergänzt. Die Gründe für die hohe Ausschlussquote waren: fehlender Bezug zur Gesundheitsversorgung, keine Migrantenselbstorganisation als Akteure sowie andere Publikationssprache als deutsch oder englisch. Trotz der Fülle an wissenschaftlicher Literatur zum Thema „Migration und Gesundheit” scheint es bislang kaum publizierte Studien zu geben, die sich speziell mit der Rolle von MSO als potenzielle Partner/innen von professionellen Gesundheitseinrichtungen beschäftigen. Der Ansatz scheint vorwiegend aus Deutschland zu stammen, während im angloamerikanischen Raum eher mit dem Postulat „community-based“ gearbeitet wird. Detaillierte Ergebnisse werden im Rahmen des Kongresses vorgestellt.

Diskussion: Aus methodischer Sicht erwies sich die Identifikation geeigneter Suchbegriffe für die Datenbankrecherche als Herausforderung. MSO ist kein international feststehender Begriff. Im deutschsprachigen Raum werden die Begriffe Migrantenselbstorganisation, Migrantenselbsthilfeorganisation, Migrantenorganisation oder Migrantenverein oft synonym verwendet. Im englischsprachigen Raum ist diesbezüglich kein eindeutiger Sprachgebrauch erkennbar. Die Begriffe „migrant organisation“ und „migrant community“ sind zwar gängige Bezeichnungen, jedoch von ihrer sozialen Bedeutung her nicht immer vergleichbar mit der hiesigen Begriffsdefinition. Im Rahmen der Literaturrecherche kristallisierte sich als ein weiterer relevanter Begriff der der „Social clubs“ heraus, deren Bedeutung in einer vertieften Literaturrecherche nachgegangen werden sollte.

Praktische Implikationen: Aus den vorläufigen Erkenntnissen des Reviews zeigt sich, dass im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung die Zusammenarbeit mit MSO durchaus erfolgversprechend sein kann.