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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Erreichbarkeit von Hausärzten und ausgewählten Fachärzten mittels Pkw und ÖPNV im ländlichen Raum am Beispiel Vorpommern-Greifswald

Meeting Abstract

  • Ulrike Stentzel - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie & Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Jens Piegsa - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie & Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Daniel Fredrich - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie & Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Wolfgang Hoffmann - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie & Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Neeltje van den Berg - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie & Community Health, Greifswald, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP043

doi: 10.3205/16dkvf247, urn:nbn:de:0183-16dkvf2479

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Stentzel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Erreichbarkeitsanalysen von medizinischen Versorgungseinrichtungen sind insbesondere in dünnbesiedelten ländlichen Räumen relevant. Die Leistungserbringer konzentrieren sich oft in den größeren Orten, was dazu führt, dass die Entfernungen für Patienten in den kleineren Orten oft groß sind. Gerade hochaltrige Menschen sind oft von eingeschränkter Mobilität betroffen, hier ist im Kontext der Daseinsvorsorge die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln wichtig.

Fragestellung: Das Ziel dieser Arbeit ist die Ermittlung der Erreichbarkeit von hausärztlichen Praxen und von Praxen der ausgewählten Fachrichtungen Ophthalmologie, Urologie und fachärztliche Innere Medizin für den Landkreis Vorpommern-Greifswald. Dieser Landkreis ist mit einer Fläche von 9.927 km2 verhältnismäßig groß und mit 61 Einwohnern je km2 nur sehr dünn besiedelt. Durch die Analyse der Erreichbarkeit sollen Gebiete mit schlechter Erreichbarkeit identifiziert werden. Im Weiteren wird ermittelt, wie viele Einwohner davon betroffen sind.

Methoden: Grundlage der Pkw-Erreichbarkeitsanalyse sind die Orts- und Ortsteilmittelpunkte und digitale routing-fähige Straßendaten. Für die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV wurden die Fahrplandaten aller Verkehrsbetriebe in der Region und die Koordinaten der Bus- und Bahnhaltestellen benötigt. Zusätzlich wurden die Einwohnerzahlen der Gemeinden verwendet. Die Erreichbarkeitsanalyse mit dem Auto wurde mit einem geografischen Informationssystem (GIS) auf der Grundlage von digitalen routing-fähigen Straßendaten und einem Netzwerkanalyse-Tool des GIS realisiert. Die Erreichbarkeitsanalysen mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wurden ebenfalls mit Hilfe des GIS und zusätzlich mit einer institutseigenen Netzwerkanalyse-Anwendung, die mit einer Implementation des Dijkstra Algorithmus arbeitet, durchgeführt.

Ergebnisse: Die Pkw-Erreichbarkeit von Hausarztpraxen ist mit maximal rund 23 Minuten gut. Reisezeiten zu Fachärzten sind länger mit bis zu 43 Minuten. Die Mehrheit der Einwohner (80 %) erreicht den Facharzt innerhalb von 20 Minuten. Die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV ist teilweise unzureichend. Durchschnittlich beträgt die Reisezeit (Hin- und Rückfahrt) zu den Hausärzten 99,3 Minuten, fachärztlichen Internisten 143,0 Minuten, Augenärzten 129,3 Minuten und zu den Urologen 159,9 Minuten. Fast 9.000 Einwohner (3,8 %) können den nächsten Hausarzt nicht mit dem ÖPNV erreichen. Rund 15.500 Einwohner (6,5 %) haben keine ÖPNV-Verbindung zu einem der ausgewählten Fachärzte.

Diskussion: Erreichbarkeitsanalysen beruhen auf Modellen. Insbesondere bei der ÖPNV-Erreichbarkeit liegt eine ganze Reihe von Voraussetzungen zugrunde, die nicht direkt mit der ÖPNV-Fahrzeit zusammenhängen. Diese wurden jedoch so gewählt, dass sie der Realität möglichst nahe kommen. So wurden z.B. maximale Fußwegdistanzen zu Haltestellen von 1000 m und eine Fußgängergeschwindigkeit von 1,8 km/h festgelegt, da aufgrund der höheren ärztlichen Inanspruchnahme und der größeren Immobilität der älteren Bevölkerung der Fokus auf ältere Menschen gelegt wurde. Da die ÖPNV-Erreichbarkeit auf Basis der tatsächlichen Fahrpläne und inklusive des potentiellen Wechsels von Verkehrsmitteln berechnet wird, kann von einem hohen Genauigkeitsgrad der ÖPNV-Fahrzeit ausgegangen werden.

Praktische Implikationen: Erreichbarkeitsanalysen können Gebiete mit Defiziten in der Erreichbarkeit der medizinischen Versorgung identifizieren. Gute Erreichbarkeit mit dem ÖPNV ist dabei keine Frage der Distanz, sondern der Anbindung an das ÖPNV-Netz. Erreichbarkeitsanalysen sind relevanter Bestandteil in Planungsprozessen zur Daseinsvorsorge, einschließlich medizinischer Versorgung.