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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Defizite der fachärztlichen Ausstattung der ambulanten Versorgung am Krankenhaus

Meeting Abstract

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  • Max Geraedts - Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Deutschland
  • Rike Kraska - Universität Witten/Herdecke, Institut für Gesundheitssystemforschung, Witten, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP078

doi: 10.3205/16dkvf242, urn:nbn:de:0183-16dkvf2428

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Geraedts et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Ausweitung der ambulanten Tätigkeiten der Krankenhäuser steht in der Diskussion. Während die Krankenhausgesellschaft diese Ausweitung für notwendig erachtet, sprechen die Kassenärzte den Krankenhäusern die Fähigkeit ab, den ambulanten Behandlungsbedarf qualifiziert decken zu können.

Fragestellung: Vor diesem Hintergrund sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit Krankenhäuser in denjenigen Fachabteilungen, die ambulante Behandlungsmöglichkeiten vorhalten, eine durchgängige fachärztliche Versorgung garantieren, das heißt rund um die Uhr an 365 Tagen (§ 107 SGB V) („24/7“) oder zumindest 8 Stunden täglich.

Methode: Ausgangsmaterial der Analysen waren die Angaben der Krankenhäuser zur fachärztlichen Personalausstattung von Krankenhausabteilungen mit ambulanten Behandlungsmöglichkeiten in den strukturierten Qualitätsberichten des Jahres 2012. Daraus wurden die jeweiligen Anzahlen der Fach- und Belegärzte extrahiert. Unter Berücksichtigung durchschnittlicher Jahresarbeitszeiten wurden als Personalbedarf für eine 24/7-Versorgung 4,7 Ärzte und für eine 8-stündige Versorgung 1,6 Ärzte festgelegt. Der prozentuale Erfüllungsgrad pro Abteilung wurde durch einfache Division berechnet. Mögliche Unterschiede beim Erfüllungsgrad in Abhängigkeit von der Krankenhausgröße (5 Bettenzahl-Kategorien), der Trägerschaft (privat, öffentlich, freigemeinnützig) und der Region (Nordwest-, Ost-, Süddeutschland) wurden mithilfe von Chi2-Tests abgesichert.

Ergebnisse: 1.543 Krankenhäuser mit 8.761 Abteilungen gingen in die Analysen ein. 95% dieser Abteilungen verfügten über mehr als 1,6 Fachärzte, womit eine zumindest ganzjährige, am Tag mindestens achtstündige fachärztliche Versorgung vorgehalten wird. Eine 24/7-Versorgung mit Fachärzten wiesen nur 61% der Abteilungen auf. Bei Betrachtung der Krankenhauseben ergab sich, dass nur 23% der Krankenhäuser in allen angegeben Abteilungen mit ambulanten Behandlungsmöglichkeiten eine 24/7 Facharztausstattung garantieren konnten, während 79% überall eine 8-stündige Facharztausstattung besaßen. Im Hinblick auf die Ambulanzarten zeigten die Analysen, dass Hochschulambulanzen eine 8-stündige- oder 24/7-Facharztausstattung meistens erfüllten. Bei Notfallambulanzen gaben die Krankenhäuser an, bei Betrachtung der Abteilungsebene in 36% keine 24/7-Facharztausstattung zu garantieren, auf der Krankenhausebene waren dies sogar 68%.

Als signifikant positive Einflussgrößen auf die Facharztausstattung erwiesen sich vor allem die öffentliche Trägerschaft und höhere Bettenzahlen, wobei große Krankenhäuser aber oftmals auch Abteilungen mit schlechter Facharztausstattung anführten.

Diskussion: Die fachärztliche Ausstattung der ambulanten Versorgung am Krankenhaus in Deutschland entspricht bei vielen Ambulanzen und in vielen medizinischen Fachgebieten sicher nicht den Erwartungen der Patienten. Patienten gehen üblicherweise davon aus, dass sie, wie auch im ambulanten Sektor, in Krankenhäusern von Fachärzten versorgt werden. Die Analysen, die auf den Qualitätsberichten beruhen und damit unter einer eingeschränkten Datenvalidität zu interpretieren sind, weisen aber darauf hin, dass eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Fachärzten in den oft sehr kleinteilig organisierten Ambulanzen vielfach nicht erwartet werden kann.

Praktische Implikationen: Zum einen sollte überlegt werden, ob die Vielzahl der Abteilungen mit Ambulanzen und die Diversifizierung der Ambulanzen, wie sie gerade in größeren Kliniken anzutreffen ist, überhaupt notwendig ist. Zum anderen sollte die Mindestpersonalausstattung der Krankenhäuser mit ambulanten Behandlungsmöglichkeiten festgelegt werden, um die Patientensicherheit nicht zu gefährden.