Artikel
Analyse der Auslastung der Krankenhausbetten in Nordrhein-Westfalen
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 28. September 2016 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund: In der gesundheitspolitischen Diskussion wird im Zusammenhang mit dem Abbau von Krankenhausbetten oft mit einer geringen durchschnittlichen Bettennutzung argumentiert. Bei den mit der Krankenhausplanung befassten Verantwortlichen ist jedoch bekannt, dass ohne eine Bettenreserve die Belegungsspitzen dazu führen würden, dass Patienten nicht behandelt werden könnten oder vermehrt Wartezeiten entstehen würden. Der durchschnittliche Bettenauslastungsgrad verstellt oftmals den Blick auf die schwankende Belegung, die es erforderlich macht eine höhere Bettenzahl vorzuhalten. Der Krankenhausplan NRW 2015 sieht unterschiedliche Bettennutzungsvorgaben zwischen 75 % und 85 % je Fachgebiet vor. Bisher fehlte es an empirischen Untersuchungen zum zeitlichen Verlauf der Bettenauslastung und zu der Frage, inwieweit diese Vorgaben eine Versorgung auch in Bedarfsspitzen sicherstellen.
Die verfügbare Kapazität wird bei bestimmten Erkrankungen oder Zuständen der Patienten durch Sperrung der übrigen Betten im Krankenzimmer zudem reduziert. Hierunter fallen Infektionen bzw. Kolonisation mit multiresistenten Erregern, Patienten in palliativer Situation oder mit einer schweren Erkrankung oder Begleiterkrankung wie Demenz.
Fragestellung: Um dem nachzugehen, werden die Fragen untersucht,
- 1.
- wie sich die Belegung im zeitlichen Verlauf unter Berücksichtigung von Schwankungen Jahresverlauf, an verschiedenen Wochentagen und des Einflusses von Schulferien und Feiertagen verändert und
- 2.
- welchen Einfluss die Art des Fachgebiets und die Größe der Abteilung auf die Belegung und ergeben sich annähend vergleichbare Belegungsmuster für alle Fachabteilungen haben?
- 3.
- in welchem Umfang Bettensperrungen die verfügbare Bettenkapazität reduzieren?
Methode: Es wurde eine Sekundärdatenanalyse der Daten nach § 21 KHEntgG des Jahres 2012 für ganz Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Die Belegung der einzelnen Fachabteilungen wurde stundengenau unter Berücksichtigung interner Verlegungen ermittelt und die empirischen Ergebnisse wurden tabelliert bzw. grafisch visualisiert. Berücksichtigt werden die 12 Fachgebiete mit den höchsten Fallzahlen, darunter 94,1 % der Fachabteilungen, 93,1 % aller Belegungstage und 93,2 % der Fällen, die für 2012 vom Statistischen Landesamt ausgewiesen werden. Der normativ festgelegte Bettennutzungsgrad wurde dem Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2015 entnommen.
Im Rahmen einer explorativen Studie wurden zudem Daten aus 44 Fachabteilungen für einen Zeitraum von je 14 Tagen erhoben und ausgewertet, um alle Bettensperrungen aufgrund von Isolation, präfinaler Situation und schweren Erkrankungen zu erfassen. Die Stichprobe umfasst 18.987 Netto-Belegungstage in 1.980 Betten.
Ergebnisse: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass ...
- ... der zeitliche Verlauf der Bettenbelegung von der Jahreszeit, dem Wochentag, den Ferien und Feiertagen, sowie dem jeweiligen Fachgebiet abhängig ist.
- ... auch Krankenhäuser, deren Auslastung sich im Rahmen der Bettennutzungsvorgaben befindet, an vielen Tagen im Jahr eine Auslastung von über 100 % zeigen.
- ... durch Bettensperrungen durchschnittlich 8,7 % der verfügbaren Bettenkapazität entfällt. Dieser Anteil variiert zwischen 1,8% in der Orthopädie und 16,8 % in der Inneren Medizin.
Diskussion: Der deskriptiven Untersuchung sollte eine Modellbildung auf Basis statistisch-analytischer Methoden folgen. Die Untersuchung legt nahe, dass für die Hill-Burton-Formel eine empirische Bettennutzungsvorgabe bestimmt werden kann, die weitere Variablen wie die Abteilungsgröße oder einrichtungs- oder behandlungsspektrumspezifische Verweildauern berücksichtigt.
Da annähernd alle Fachabteilungen in Nordrhein-Westfalen untersucht worden sind, wäre es u. U. sinnvoll, die regionale Verteilung der Auslastung ergänzend zu berücksichtigen, denn nicht belegte Betten in einem Landesteil, können nur schwerlich mit Patienten aus einem anderen Landesteil belegt werden.
Die aus einer nicht repräsentativen Stichprobe ermittelten Auswirkungen von Bettensperrungen sollten an einer größeren, repräsentativen Stichprobe überprüft werden.
Praktische Implikationen: Ein Bettennutzungsgrad von 76,1 % bedeutet nicht, dass 23,9 % der Krankenhausbetten abgebaut werden können. Die Daten zeigen, dass auch Krankenhäuser, deren Auslastung sich im Rahmen der Bettennutzungsvorgaben befindet, an vielen Tagen im Jahr eine Auslastung von über 100 % aufweisen.
Die fachabteilungsbezogenen Bettennutzungsvorgaben im Krankenhausplan 2015 sollten kritisch hinterfragt werden, da diese aufgrund der weiter gesunkenen Verweildauern nach unten angepasst werden müssen.
Zusätzliche Bettensperrungen zeigen teilweise markante Auswirkungen auf die Auslastung der verbleibenden Bettenkapazität und hängen sehr stark von der Art der Fachabteilung ab. Es muss ein adäquater Weg für die Planung, Bereitstellung und Finanzierung der hierfür erforderlichen Kapazitäten gefunden werden.