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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Entwicklung und Evaluation eines „Four-Habits“-basierten Kommunikationstrainings für Hausärztinnen und Hausärzte

Meeting Abstract

  • Simone Steinhausen - Universität Witten / Herdecke, Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Köln, Deutschland
  • Verena Leve - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland
  • Stefan Wilm - Institut für Allgemeinmedizin, Med. Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
  • Frank Vitinius - Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Köln, Deutschland
  • Michael Langenbach - GFO Kliniken Bonn, St. Marien-Hospital, Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Bonn, Deutschland
  • August-Wilhelm Bödecker - Schwerpunkt Allgemeinmedizin an der Universität zu Köln, Wiehl, Deutschland
  • Holger Pfaff - IMVR - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, Köln, Deutschland
  • Ursula Becker - Seminare und Beratung im Gesundheitswesen, Allgemeinmedizin, Palliativmedizin, Systemische Familientherapie, Alfter, Deutschland
  • Edmund Neugebauer - Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Köln, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP129

doi: 10.3205/16dkvf220, urn:nbn:de:0183-16dkvf2202

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Steinhausen et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Qualität der Kommunikation zwischen Hausärzten und Patienten hat einen signifikanten Einfluss auf den Behandlungserfolg und die Berufszufriedenheit von Hausärzten.

Fragestellung: In dieser Studie soll ein effektives Kommunikationstraining für Hausärztinnen und Hausärzte entwickelt werden (CoTrain), dass die Bedingungen der deutschen hausärztlichen Versorgung berücksichtigt. Das angepasste Kommunikationstraining basiert auf dem international etablierten Four Habits Model (FHM).

Methode: Um das Kommunikationstraining an die Bedürfnisse von Patienten und Hausärzten anzupassen, wurden Fokusgruppendiskussionen mit Patienten und Hausärzten durchgeführt. Die resultierenden Audioaufnahmen wurden wortgetreu transkribiert und anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet. Dabei wurde das Material in einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe (Allgemeinmedizin, Psychosomatik, Soziologie, Patientin, Kommunikationstrainier/in) ausgewertet und daraus ein Code-System entwickelt. Zwei der Autoren wendeten dieses Code-System auf das gesamte Material an. Die Datensystematisierung und –analyse wurde computergestützt mit MAXQDA durchgeführt.

Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse wurden in eine Struktur umgestaltet, die mit den Inhalten des FHM verglichen wurde. Basierend auf diesen Befunden wurde ein Programm für ein Kommunikationstraining entwickelt. Dieses Kommunikationstraining wurde insgesamt neun Mal mit Kleingruppen von Hausärzten/innen durchgeführt und evaluiert. Aufgrund der Rückmeldungen innerhalb eines dreifachen, aufeinanderfolgenden Feedback-Prozesses wurden die Trainings überarbeitet und nach jedem dritten Termin mit dem entsprechend geänderten Programm umgesetzt (Abbildung 1).

Ergebnisse: Die im Fokusgruppenmaterial gefundenen Kategorien ließen sich in zehn Dimensionen gruppieren (Abbildung 2). Diese identifizierten Dimensionen wurden mit den Inhalten des FHM verglichen und die Änderungen entsprechend dokumentiert (Abbildung 3): Die meisten Dimensionen (1-5, 9) überschnitten sich mit den Prinzipien des FHM. Personenbezogene Dimensionen “Besondere/herausfordernde Patienten” (6), “Hausarzt als Person” (Motivation/Ressourcen) (8) and ”Angehörige” (10) sowie die umgebungsbezogenen Dimensionen “System” (7), “Zeit” (7a), “Praxisteam” (7b) wurden dem FHM hinzugefügt. “Patienten wahrnehmen” (3) mit ihren “Sorgen, Erwartungen und Konzepten” (3a) und “Empowerment” (3b) konnten als zentrale Dimensionen aus dem Fokusgruppenmaterial herausgearbeitet werden. Patienten benannten “Empathie” (4) und “Vertrauen” (5) als wichtige Beziehungsaspekte der Kommunikation. Sowohl in den Fokusgruppen als auch in der Trainingsevaluation (n=100) äußerten Hausärzte den Wunsch nach Refresher-Trainings und wünschten sich weiterhin einen Austausch mit ihren Kollegen/innen aus den Trainings.

Diskussion: Das FHM hat sich als eine gute Basis für die Trainingsentwicklung erwiesen und benötigte nur wenige handhabbare Änderungen, um im deutschen Gesundheitssystem eingesetzt zu werden. Die meisten der FHM-Prinzipien wurden in das CoTrain-Kommunikationstraining übernommen. Einige Teile benötigten Überarbeitung, um die Bedürfnisse von Patienten und Hausärzten in Deutschland zu adressieren und deren Akzeptanz zu erlangen. Obwohl es eigentlich ein Teil des FHM darstellt (Habit 2 und 3) implizieren ein stärkerer Fokus auf die Patienten sowie auf Beziehungsaspekte eine Schwerpunktverlagerung im CoTrain-Kommunikationstraining. Die Wahrnehmung des Patienten, das Verständnis für Krankheitskonzepte der Patienten und entsprechendes Empowerment, z.B. durch partizipative Entscheidungsfindung sind zentrale förderliche Faktoren für eine erfolgreiche Kommunikation.

Praktische Implikationen: Kulturelle oder systemische Unterschiede sollten berücksichtigt werden, wenn Interventionen von einer Nation oder einem Gesundheitssystem auf andere übertragen werden. Es kann hilfreich sein, alle relevanten Gruppen in den Entwicklungsprozess einer Intervention einzubeziehen – im vorliegenden Fall: Patienten, Hausärzte, Kommunikationstrainer und Soziologen. Eine Verlagerung der Schwerpunkte im Training zugunsten der identifizierten Dimensionen ist notwendig für die Implementation in Deutschland. Vor allem erfordert die häufig langjährige Hausarzt-Patient-Beziehung einen Fokus auf die Förderung von Empathie und Vertrauen in Kommunikationstrainings, um für beide Gesprächspartner zu guten Ergebnissen zu führen.