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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Fördert das wahrgenommene ärztliche Informationsverhalten und die Beteiligung des Patienten in der Behandlung das Vertrauen des Patienten in seinen Hausarzt?

Meeting Abstract

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  • Christine Wolter - Freie Universität Berlin, Public Health: Prävention und psychosoziale Gesundheitsforschung, Berlin, Deutschland
  • Burkhard Gusy - Freie Universität Berlin, Public Health: Prävention und psychosoziale Gesundheitsforschung, Berlin, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP123

doi: 10.3205/16dkvf215, urn:nbn:de:0183-16dkvf2159

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Wolter et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Ein Ziel von Patientenorientierung im Gesundheitswesen ist die Beteiligung des Patienten an der Verbesserung und Aufrechterhaltung von Gesundheit und Wohlbefinden. Eine gelingende Patient-Arzt-Interaktion bildet dabei die Basis für eine vertrauensvolle Kooperation, das Vertrauen des Patienten in seinen Arzt (Patient-Arzt-Vertrauen) ein bedeutsames Outcome. Gestärkt werden kann dieses durch ein patientenbezogenes Informationsverhalten sowie eine Beteiligung des Patienten in Bezug auf diagnostische und therapeutische Entscheidungen. Sowohl das Patient-Arzt-Vertrauen als auch eine partizipative Entscheidungsfindung (PEF) sind dabei mit besserem Gesundheitsverhalten der Patienten assoziiert und tragen zu positiven Behandlungsergebnissen bei.

Fragestellung: Fördert das wahrgenommene ärztliche Informationsverhalten und die Beteiligung des Patienten in der Behandlung das Vertrauen des Patienten in seinen Hausarzt?

Methode: Im Rahmen einer quantitativen Querschnittstudie wurden 197 Patienten in 11 Hausarztpraxen einer Kreisstadt per Fragebogen zu Behandlungsanlässen und Vertrauen sowie wahrgenommener Informiertheit und Beteiligung in gesundheitsbezogenen Entscheidungen durch den Arzt befragt. Mittels multipler hierarchischer Regressionen wurde der Vorhersagewert der wahrgenommenen Informiertheit und einer PEF für das Patient-Arzt-Vertrauen über soziodemografische Merkmale hinaus (Alter, Bildung, Länge der Arzt-Patient-Beziehung) bestimmt.

Ergebnisse: Sowohl die wahrgenommene Informiertheit (β = .60, p < .001) als auch die Patientenbeteiligung im Sinne einer PEF (β = .22, p < .01) erwiesen sich als signifikante Prädiktoren für das Patient-Arzt-Vertrauen. Die Varianzaufklärung für das Vertrauen betrug hier 51%. Es zeigten sich aber Unterschiede in Abhängigkeit vom Behandlungsanlass. Bei Patienten mit akuten Beschwerden (n = 46) war einzig die wahrgenommene Informiertheit bedeutsam (β = .70, p < .001) zur Vorhersage des Vertrauens (R² = 58%). Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen (n = 46) hingegen zeigte sich neben der wahrgenommenen Informiertheit (β = .55, p <.001) auch eine PEF (β = .28, p <.05) als signifikanter Prädiktor für das Patient-Arzt-Vertrauen (R² = 46%).

Diskussion: Das Patient-Arzt-Vertrauen lässt sich für Patienten mit unterschiedlichen Behandlungsbedarfen verschiedentlich erklären. Während für alle Patienten unabhängig vom Behandlungsanlass die wahrgenommene Informiertheit durch den Arzt einen wichtigen Beitrag zum Vertrauen leistet, ist eine PEF darüber hinaus nur für Patienten mit chronischen Erkrankungen ein wichtiger zusätzlicher Prädiktor für das Vertrauen. Im Kontext akuter Gesundheitsbeschwerden fördert potentiell eine eher unidirektionale Informationsvermittlung das Vertrauen, da hier vielmehr einmalige und schnelle Behandlungsentscheidungen erforderlich sind. Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen leistet hingegen auch die Wahrnehmung von Patientenbeteiligung im Sinne einer PEF einen wichtigen Beitrag zur Erklärung des Vertrauens. Da Patienten mit chronischen Erkrankungen auch häufiger eine PEF wünschen, kann die Berücksichtigung dessen nicht nur das Vertrauen stärken, sondern auch die Behandlungsergebnisse im Kontext chronischer Erkrankungen verbessern.

Praktische Implikationen: Die Berücksichtigung von Patientenpräferenzen stellt die wichtigste Prämisse für Art und Ausmaß von Patientenbeteiligung dar. Die PEF sollte dabei nicht als normatives Behandlungsmodell verstanden werden. Interventionen und Hilfen zur Verbesserung von Kommunikations- und Partizipationskompetenzen für Ärzte und Patienten können eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung fördern. Die differenzierte Wahrnehmung und Umsetzung von Patientenbedürfnissen – auch bezogen auf seine Beteiligung an Behandlungsentscheidungen – kann dann als Teil von Patientenorientierung in der Arzt-Patient-Beziehung auf Mikroebene auch zu mehr Patientensicherheit beitragen.