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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Datenerhebung bei Menschen mit Erblindung oder hochgradigem Sehverlust – digitale Instrumente als wertvoller Zugang für die ophthalmologische Versorgungsforschung

Meeting Abstract

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  • Fabian Steinbach - Bergische Universität Wuppertal, Bergisches Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health, Wuppertal, Deutschland
  • Robert P. Finger - Universitäts-Augenklinik Bonn, Bonn, Deutschland
  • Juliane Köberlein-Neu - Bergische Universität Wuppertal, Bergisches Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health, Wuppertal, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP147

doi: 10.3205/16dkvf207, urn:nbn:de:0183-16dkvf2079

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Steinbach et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Selbstangaben eines Patienten sind in der Versorgungsforschung ein wichtiger Bestandteil der Primärdatenerhebung. Der Zugang zum Patienten kann dabei entweder papierbasiert oder per

Telefoninterview sowie elektronisch erfolgen. Je nach Medium werden unter Umständen verschiedene Zielgruppen erreicht. Im ophthalmologischen Bereich stellt derzeit der papierbasierte

Einsatz von Fragebögen die häufigste Form der Datenerhebung dar, sie sind jedoch sehr ressourcenintensiv und vor allem für Menschen mit stark eingeschränkter Sehkraft eine Herausforderung. Im Rahmen einer aktuell laufenden Krankheitskostenstudie zur Erblindung und hochgradigen Sehbehinderung in Deutschland haben wir den Einsatz unterschiedlicher Datenerhebungsmethoden untersucht.

Fragestellung: Welche Datenerhebungsmethoden werden von den Befragten bevorzugt genutzt, wenn die Studie mehrere Möglichkeiten anbietet? Welche Populationen werden über die verschiedenen Erhebungsmethoden abgebildet?

Methode: Teilnehmer: mindestens 18 Jahre und eine Sicht von 6/18 oder geringer; Rekrutierung: Über die Zeitschriften und/oder Newsletter der deutschlandweit agierenden Vereine für Menschen mit Seheinschränkung (DBSV e.V., DVBS e.V., PRO RETINA Deutschland e.V.) Zugang: Papier-Bleistift, Interview und Online-Umfrage; Einflussgrößen: Alter, Geschlecht, Familienstand, Beruf; Alter bei Krankheits-Onset, Grad der Seheinschränkung, Lebensjahre mit minimaler Sicht; Statistik: Häufigkeitsverteilung der Instrumente geprüft mit Chi-Quadrat-Statistik, univariate ANOVA ohne Messwiederholung mit Tamhane-T2-Korrektur für Mittelwertunterschiede.

Ergebnisse: An der Umfrage nahmen 173 Personen (Frauen: 99 (57,2%)) mit einem Durchschnittsalter von 52,5 (SD ± 15,8) Jahren teil. Der Krankheits-Onset liegt bei 10,6 (SD ± 17,6) Jahren, die verbrachten Lebensjahre mit minimaler Sicht betragen 31,7 (SD ± 20,6) Jahre. Blind im Sinne des deutschen Gesetzes waren 140, hochgradig sehbehindert 19 und wesentlich sehbehindert waren 14 Teilnehmer.

Von den Teilnehmern wählten 53 die Papier-Bleistift-Methode, 46 entschieden sich für das Interview und 75 wählten die Online-Methode. Der Anteil der Personen, die die Online-Umfrage wählten, wich signifikant von einer Gleichverteilung ab (χ2 (2, N = 173) = 7,90, p = .019).

Je nach gewähltem Erhebungsinstrument wurden unterschiedliche Patientengruppen erreicht. So zeigten sich signifikante Mittelwertunterschiede für das Alter und die Lebensjahre mit minimaler Sicht (F(2, 171) = 21,90, p < .001; F(2, 164) = 6,62, p = .002 respektive). Teilnehmer der Online-Umfrage waren verglichen mit den Schwarzschrift- und Interview-Teilnehmern im Mittel 14,22 bzw. 14,32 Jahre jünger (p < .001). Bezüglich der Lebensjahre mit minimaler Sicht zeigte sich einzig ein signifikanter Unterschied zwischen den Interview- und Online-Teilnehmern: letztgenannte lebten 13,70 Jahre kürzer (p = .001) mit minimaler Sicht.

Diskussion: Das Online-Angebot wurde signifikant häufiger genutzt als die übrigen Instrumente. Die Vorhersage, ob eine Person eine Online-Umfrage wählt, gelingt mit den hier genutzten Variablen nur mit dem Alter.

Die Ergebnisse beziehen sich auf erste Response-Zahlen der Studie, sodass im Oktober die explorative Untersuchung um weitere Variablen und eine größere Fallzahl ergänzt wird.

Praktische Implikation: Junge und jüngere Personen mit Seheinschränkung bevorzugen bei Umfragen die computergestützte Variante. Wenn Personen mit Sehverlust im Alter von 43 Jahren (SD = 13,64) befragt werden, ist ein Online-Angebot eine gute Möglichkeit, die besagte Personengruppe zu erreichen. Exaktere Erkenntnisse der Methodenwahl sollte die Teilnahme und auch die Qualität der Primärdaten erhöhen.

Ein weiteres zu erforschendes Feld wird die Befragung und das damit verbundene Nutzungsverhalten mit Apps darstellen. Das Mobiltelefon wird zunehmend als Hilfsmittel genutzt und eignet sich aufgrund der Verfügbarkeit gerade für längsschnittliche Daten als geeignetes Instrument.