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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Ist-Analyse und Bedarfsermittlung als Ausgangsbasis für die Optimierung und Implementierung eines medizinisch-beruflich orientierten Behandlungskonzepts in der orthopädischen Rehabilitation

Meeting Abstract

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  • Philipp Preßmann - Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Bad Salzuflen, Deutschland
  • Jürgen Philipp - Salzetalklinik und Klinik am Lietholz, Bad Salzuflen, Deutschland
  • Birgit Leibbrand - Salzetalklinik, Bad Salzuflen, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP069

doi: 10.3205/16dkvf194, urn:nbn:de:0183-16dkvf1948

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Preßmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bei der Implementierung von Behandlungskonzepten in der medizinischen Rehabilitation empfehlen Brandes und Kollegen (2008) ein schrittweises Vorgehen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Erhebung des Ist-Zustandes in der Klinik. Die bestehenden Kenntnisse über die Maßnahme, die bisherige Durchführung von vergleichbaren Interventionen und potentielle Hindernisse sollten bei der Implementierung erhoben werden (Beelmann & Karing 2014, Vries et al. 2008). Zudem sollte dem Bereich der räumlichen, technischen, personellen und zeitlichen Ressourcen und der möglichen Integration der Maßnahme in den Therapieplan ein besonderes Augenmerk gewidmet werden (Vries et al. 2008). Bei all diesen Schritten kommt der Einbindung der späteren Anwender eines Konzeptes eine große Bedeutung zu (Altrichter & Wiesinger 2004, Winkler & Mandl 2004). Erst im Anschluss wird das neue Konzept implementiert und die dafür zuständigen Mitarbeiter geschult (Brandes et al. 2008). Die Umsetzungstreue des neuen Konzeptes kann durch Manuale verbessert werden (Diehl & Wahl 2012, Vries et al. 2008).

Fragestellung: Welche Potentiale und Möglichkeiten zur Optimierung und Implementierung eines medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitationskonzepts liegen aus Sicht der medizinischen und therapeutischen Mitarbeiter vor?

Methode: Im Rahmen einer formativen Evaluation wurden zur Bestandsaufnahme zunächst qualitative Interviews mit den Mitarbeitern der Psychologie, Sozialberatung, Ergo-, Sport- und Physiotherapie geführt, in denen eine Charakterisierung der bestehenden Therapien mit Berufsbezug thematisiert wurde. Zudem wurde in Gesprächen mit den medizinischen und therapeutischen Berufsgruppen erfragt, wie Angebote für Menschen mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) aussehen müssten, um dem Bedarf der Menschen gerecht zu werden bzw. wie bereits bestehende Angebote verändert werden könnten (vgl. Preßmann et al. 2015). Interviews wurden transkribiert, Gespräche protokolliert. Ausgewertet wurden alle Daten mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring 2010).

Ergebnisse: Aus Therapeutensicht können bereits in den angebotenen Einzelgesprächen (Psychologie und Sozialberatung) berufliche Belastungen thematisiert werden. Zudem wird ein möglicher Berufsbezug in verschiedenen Gruppen (Schmerzbewältigung, Entspannung, Rückenschule, Muskelaufbautraining) gesehen. Allerdings wird in den meisten Gruppenangeboten das Thema Beruf nicht schwerpunktmäßig behandelt und Erlerntes muss eher eigenständig durch die Rehabilitanden auf das Berufsleben übertragen werden. Durch die Erstellung eines Konzept-Manuals sollen berufliche Themen fest verankert und einheitlich angesprochen werden.

Aus Sicht der Psychologie wurde ein besonderer Bedarf in der Vertiefung des Themas beruflicher Stress gesehen, sodass zu einem vorhandenen Vortrag eine ergänzende Stressbewältigungsgruppe für Rehabilitanden mit BBPL entwickelt wurde.

Gleichfalls wurde ein Bedarf für die Erprobung von arbeits- und berufsbezogenen Belastungen der Rehabilitanden sowie dem Erlernen ergonomischer Arbeitsweisen identifiziert. Zum Aufbau eines entsprechenden Trainingsraums konnten räumliche und finanzielle Ressourcen freigesetzt werden. Die Inhalte wurden mit den Mitarbeitern der Sport- und Physiotherapie gemeinsam und vor dem Hintergrund etablierter Vorgehensweisen entwickelt.

Arbeits- und sozialrechtliche Themen sowie die Anbahnung von weiterführenden Leistungen zur Eingliederung in den Beruf und das soziale Umfeld werden von Sozialberatern in ausführlichen Einzelgesprächen thematisiert. Jedoch sahen die Sozialberater Handlungsbedarf auf der zeitlichen Schiene: durch Prozessoptimierung finden orientierende Gespräche zur Bedarfspriorisierung statt. Für beratungsintensive Fälle mit notwendigen Rücksprachen steht somit genügend Zeit zur Verfügung.

Alle benötigten Ressourcen wurden durch Umstrukturierungen ermöglicht und nahezu kostenneutral geschaffen. Eine Integration in die bestehende Therapieplanung konnte in Absprache mit den Mitarbeitern der Therapiesteuerung und den Therapeuten ermöglicht werden.

Diskussion: In der durchgeführten Ist-Analyse konnten sowohl die bestehenden beruflich orientierten Maßnahmen als auch die Möglichkeiten zur Konzeptoptimierung und -implementierung erhoben werden. In allen Phasen der Implementierung wurden notwendige Klinikakteure einbezogen, sodass die Gestaltung des Konzepts mit den Bedingungen in der Klinik zu vereinbaren ist (Beelmann & Karing 2014). Die Ergebnisse zeigen sowohl die Bedarfsermittlung als auch die entsprechenden Optimierungen in der Zuweisung, der Ausgestaltung von Therapien mit speziell berufsbezogenen Inhalten, die Priorisierung beratungsintensiver Fälle sowie die Manualisierung als Verbesserung der Behandlung von Menschen mit BBPL.

Praktische Implikationen: Eine Bestandsaufnahme als Vorbereitung einer Implementierung ist eine wichtige Maßnahme, um Potentiale und Herausforderungen zu erheben und anschließend unter Einbezug aller relevanter Praktiker eine erfolgversprechende Implementierung zu ermöglichen.