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Eine persönliche sektorenübergreifende elektronische Patientenakte: Professionalität mit System nutzen
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Veröffentlicht: | 28. September 2016 |
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Hintergrund: Der Einbezug von innovativen und systemgerechten E-Health-Lösungen spielt für die qualitative Weiterentwicklung von sektorenübergreifenden Versorgungsprozessen eine immer größere Rolle [1]. Die Berücksichtigung von Nutzer und Versorgungskontext stellt für die Umsetzung ein oft vernachlässigtes Gütekriterium dar [2].
Das übergeordnete Ziel des hier vorgestellten Projekts ist, Strukturen und Prozesse zu etablieren, die eine integrierte und sektorenübergreifende Versorgung chronisch kranker Menschen ermöglichen. Die Entwicklung und Implementierung einer Persönlichen sektorenübergreifenden elektronischen Patientenakte (PEPA) für Patienten mit kolorektalem Karzinom ist ein zentrales Vorhaben. Dabei steht die Notwendigkeit der Ausrichtung dieser E-Health-Lösung an bestehenden Bedingungen der Gesundheitsversorgung als Anforderung im Zentrum.
Fragestellung: Im Fokus steht die Evaluation der Gebrauchstauglichkeit des Prototyps aus der Perspektive Professioneller Nutzer (Ärzte und andere für die Versorgung relevante Gesundheitsberufe). Die zentrale Frage bezieht sich darauf, inwiefern die Kernfunktionalitäten des Prototyps eine nutzerfreundliche Handhabung im Versorgungsalltag der professionellen Nutzer ermöglichen. Zudem wird der jeweils spezifische Versorgungskontext in Bezug auf bestehende und potenzielle Herausforderungen durch die professionellen Nutzer hinterfragt.
Methode: Die aktuelle Projektphase ist Teil eines mehrgliedrigen Entwicklungs- und Implementierungsprozesses und integriert unterschiedliche Ansätze der qualitativen und quantitativen Methoden. Die Datenerhebung bezieht sich auf eine Teilnehmerzahl von insgesamt 23 professionellen Nutzern. Die Evaluation des Prototyps findet in der hier dargestellten Phase unter Laborbedingungen statt.
Teilnehmende Beobachtung und „think-aloud-protocol“: Während die Testnutzer unterschiedliche „Aufgaben“ mit der PEPA bearbeiten, werden sie beobachtet und gebeten, laut auszusprechen, worüber sie bei den einzelnen Schritten nachdenken („think-aloud“).
System Usability Scale (SUS): Im Anschluss werden die Teilnehmer gebeten, die Nutzerfreundlichkeit über einen standardisierten Fragebogen zu bewerten [3].
Interviews: Im Anschluss an die Testung nehmen alle Teilnehmer an einem ca. 30-minütigen Interview teil, um ihre Eindrücke sowie mögliche bestehende Herausforderungen in Bezug auf Ihren spezifischen Handlungskontext zu reflektieren.
Die Mitschriften der teilnehmenden Beobachtungen werden bereinigt, kodiert und mit qualitativen Methoden entsprechend der Fragestellung analysiert. Der SUS ermöglicht die Berechnung eines Wertes, der als Maß der Usability des Prototyps gilt. Die Interviews werden digital aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: Die zentralen Ergebnisse der Usability-Testung beziehen sich auf sechs Handlungsfelder, die sich aus der Auswertung der Tests ergeben: 1) allgemeine Fehler 2) Funktionalität 3) Navigation 4) Aufbau/Struktur 5) Design 6) Wording. Die Ergebnisse wurden dem Entwickelteam gespiegelt, um den Prototyp entsprechend anzupassen. Erste Ergebnisse der Interviews zeigen, dass die professionellen Nutzer den Prozess der Einführung positiv bewerten. Schulungsoptionen und kontinuierliche Supportangebote werden als relevante Voraussetzungen für eine Nutzung thematisiert. Bedeutsame Herausforderungen werden v.a. in Bezug auf bestehende Dokumentationsstandards und die interdisziplinäre Kommunikation gesehen.
Diskussion: Es zeigt sich, dass ein an den Nutzerbedarfen ausgerichteter Entwicklungs- und Implementierungsprozess von den Nutzern positiv bewertet wird. Der stetige Rückkopplungsprozess ermöglicht, E-Health-Lösungen stärker auf den spezifischen Handlungskontext der Nutzer auszurichten. Zu fragen bleibt, ob dieses Ergebnis auch für eine höhere Akzeptanz bei der Einführung im realen Versorgungskontext spricht.
Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, dass sich diese Ergebnisse auf den von uns festgelegten Settingrahmen beziehen. Die Übertragbarkeit auf andere Settings ist damit nicht grundsätzlich gegeben.
Praktische Implikationen: Durch den frühestmöglichen und kontinuierlichen Einbezug der Nutzer bei der Entwicklung und Einführung innovativer E-Health-Lösungen ist es möglich, die Produkte stärker an der bestehenden Versorgungslandschaft auszurichten. Umsetzungsbarrieren können von vornherein minimiert werden und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass E-health-Lösungen Akzeptanz und Umsetzung erfahren.
Literatur
- 1.
- Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. (GVG). Versorgung 2030 – eHealth, mHealth, Telemedizin - Bedeutung, Perspektiven und Entwicklungsstand. Köln: Druckhaus Süd GmbH; 2015.
- 2.
- Daxler S, et al. Nutzerintegration in Softwareprojekte durch Multi-Channel Feedback. In: Koch M, et al, Hrsg. Mensch und Computer 2014. Tagungsband. München: Oldenburg Wissenschaftsverlag; 2014. S. 175-184.
- 3.
- Brooke J. SUS – A quick and dirty usability scale. In: Usability Evaluation in Industry. London: Taylor & Francis; 1996.