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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Zur Integration der zahnmedizinischen Versorgung in die akutgeriatrische Rehabilitation

Meeting Abstract

  • Ina Nitschke - Universitätsklinik Leipzig, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Leipzig, Deutschland
  • Ina Nitschke - Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmedizin, Zürich, Schweiz
  • Angela Stillhart - Zentrum für Zahnmedizin, Universität Zürich, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmeidzin, Zürich, Schweiz
  • Frederick Frank - Universitätsklinik Leipzig, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Leipzig, Deutschland
  • Mohammad Houshmand - Universität Zürich, Zentrum für Zahnmedizin, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmedizin, Zürich, Schweiz
  • Ursula Müller-Werdan - Evangelisches Geriatriezentrum Berlin GmbH, Berlin, Deutschland
  • Rahel Eckardt - St. Josef Krankenhaus Berlin Tempelhof, Akademisches Lehrkrankenhaus, Berlin, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP085

doi: 10.3205/16dkvf187, urn:nbn:de:0183-16dkvf1875

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Nitschke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie hat gezeigt, dass immer mehr ältere Menschen eigene Zähne bis ins hohe Alter erhalten können: 78 % der 65- bis 74-Jährigen sind bezahnt, nur 22% zahnlos. Der Erfolg ist auf die lebenslangen oral-präventiven Maßnahmen zurückzuführen.

Mit dem Älterwerden, der Abnahme der Mobilität, der Zunahme der chronischen Erkrankungen, Unterbrechungen durch stationäre Aufenthalte und dem zunehmenden Hilfe- und Pflegebedarf ändert sich das zahnärztliche Besuchsverhalten: Der Zahnarzt wird öfters nur noch beschwerdeorientiert, statt kontrollorientiert aufgesucht mit der Folge, dass zunehmend behandlungsbedürftige orale Befunde auftreten.

Mit der Aufnahme in die Akutgeriatrie, steht dem Patienten eine intensive rehabilitative Zeit bevor, welche für eine mundgesundheitsbezogene Rehabilitation ungenutzt bleibt. Unterschiedlichste Maßnahmen bei der Physio- und Ergotherapie, Logopädie, Ernährungstherapie stehen an, Vorbereitungen für die bevorstehende neue Lebens-, Wohn- und/oder Pflegesituation finden statt, Mobilitätshilfsmittel werden angepasst und intensive Gespräche mit Angehörigen, Sozialeinrichtungen, Therapeuten und Ärzten werden in diese Zeit terminiert.

Die zahnmedizinische Betreuung findet im Rahmen des Aufenthaltes jedoch kaum Beachtung. Die Auf- oder Wiederaufnahme der zahnmedizinischen Betreuung in der Zahnarztpraxis wäre oft mit einem erheblichen logistischen, administrativen, finanziellen und medizinischen Aufwand für Patient, Angehörige, Sozial- und Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhaus verbunden. Die Möglichkeit für Zahnärzte in Krankenhauseinrichtungen tätig zu sein besteht selten, eine kontinuierliche, strukturierte Einbindung ist nicht vorhanden.

Fragestellung: Um die Ziele der gesamtheitlichen Rehabilitation beim Patienten in einem akutgeriatrischen Krankenhaus zu unterstützen und um eine gute zahnmedizinische Betreuung sicherzustellen, wäre die Etablierung eines Mundgesundheitsassessments mit Behandlungsplanung sinnvoll. Bei Eintritt in die Akutgeriatrie wären alle notwendigen Daten vorhanden, welche es dem Zahnarzt erlauben würden, zusammen mit dem Patienten, seinen Ärzten und Betreuerteam ein Therapieplan zu erstellen, unmittelbar notwendige Maßnahmen ohne viel Aufwand durchzuführen (z.B. Prothesenanpassung vor einer logopädischen Therapie) und die Individualprophylaxe dem neuen oder zunehmenden Hilfe- und Pflegebedarf anzupassen. Es stellt sich die Frage, ob eine orale Rehabilitation im Rahmen des stationären Aufenthaltes wünschenswert und machbar wäre.

Methode: Im Jahr 2016 wurden im Rahmen einer qualitativen Beobachtungsstudie alle in einem Zeitraum von 14 Tagen neu in eine akutgeriatrische Einrichtung eingetretenen Patienten zur bisherigen zahnmedizinischen Versorgung, dem aktuellen Versorgungsbedarf und dem Wunsch einer Versorgung befragt. Die Patienten wurden im Anschluss zahnmedizinisch untersucht und ein Behandlungsplan wurde erstellt.

Ergebnisse: Aus Sicht der 74 befragten Patienten, der betreuenden Ärzten und des Zahnarztes wäre eine unmittelbare Rehabilitation der Patienten im Krankenhaus wünschenswert. Über die Hälfte der untersuchten Patienten würde eine zahnärztliche Kontrolluntersuchung im Rahmen des Aufenthaltes begrüßen. Der Wunsch rührt zum einen von aktuellen Beschwerden und zum anderen auch daher die Chance zu haben, wieder Kontakt zu einer zahnmedizinischen Diagnostik zu erhalten. Viele Patienten des Krankenhauses würden sich auch gern vor Ort therapieren lassen. Die Bezahnten begrüßen neben der Diagnostik auch die Möglichkeit im Krankenhaus eine Zahn- und Prothesenreinigung zu erhalten.

Anhand der Studie wird dargestellt, welche Patienten mit welchem Aufwand im Rahmen der Gesamtrehabilitation von einer zahnärztlichen Betreuung in der Akutgeriatrie profitieren würden. Des Weiteren wird der finanzielle Aufwand dargestellt.

Diskussion/ Praktische Implikationen: Die Wiederherstellung von Schmerzfreiheit, Kaufunktion, sauberen Mundverhältnissen und einem hilfe- wie auch pflegebedarfsangepassten Prophylaxekonzept könnten in einer akutgeriatrischen Einrichtung stattfinden. Die erforderlichen administrativen und finanziellen Abklärungen, sowie die Durchführung der zahnärztlichen Therapie nach ärztlicher Rücksprache könnten zeitnah zur Aufnahme stattfinden. Damit könnten aufwändige, kostenintensive und medizinisch risikoreiche Transporte in eine Zahnarztpraxis während oder nach einem akutgeriatrischen Krankenhausaufenthalt vermieden werden. Maßnahmen zur Einübung der täglichen Mundpflege könnten in das bestehende Therapieangebot unter Einbezug der im Krankenhaus anwesenden Berufsgruppen, wie z.B. Ergotherapeuten abgestimmt werden.

Um das zahnmedizinische Rehabilitationsziel zu erreichen, wäre es wünschenswert, wenn künftig die Tätigkeit von Zahnärzten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung im Krankenhaus möglich wäre.