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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Onkologische Arztbriefe an Brustkrebspatientinnen – Ein ergänzendes Informationsangebot innerhalb der Arzt-Patienten-Kommunikation

Meeting Abstract

  • Jasmin Benser - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH - WINHO GmbH, Köln, Deutschland
  • Lea Schüssler - Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda , Fulda, Deutschland
  • Mathias Bertram - Hämatologisch Onkologischer Schwerpunkt, Hamburg, Deutschland
  • Susanne Kümpers - Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda , Fulda, Deutschland
  • Kerstin Hermes-Moll - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH - WINHO GmbH, Köln, Deutschland
  • Walter Baumann - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH - WINHO GmbH, Köln, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP040

doi: 10.3205/16dkvf182, urn:nbn:de:0183-16dkvf1828

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Benser et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mammakarzinom-Patientinnen haben einen ausgeprägten krankheitsspezifischen Bedarf an Informationen. Unerfüllte Informationsbedürfnisse sind dabei abhängig vom Alter und der Gesundheitskompetenz der Patientinnen. Ziel dieser Arbeit ist es Akzeptanz, Einfluss, Nutzen und Eignung der Weitergabe eines onkologischen Arztbriefes im ambulanten Rahmen an Brustkrebspatientinnen herauszustellen.

Fragestellung:

  • Wie beurteilen Brustkrebspatientinnen den Arztbrief/-erhalt?
  • Welche Erfahrungen machen Brustkrebspatientinnen durch den Erhalt eines onkologischen Arztbriefs für Hausärzt/-innen und welchen Einfluss hat dies auf sie?
  • Welche Erfahrungen machen und welche Perspektiven haben Onkologen bzgl. des Aushändigens eines Arztbriefes an Brustkrebspatientinnen?

Methode: Aus den Fragestellungen leitet sich ein qualitativer Forschungsansatz ab. Neun Mammakarzinom-Patientinnen mit unterschiedlichem Bildungsstand, Krankheitsschwere und Fortschritt in der Behandlung, im erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Alter erhielten eine Kopie des Arztbriefes ihrer drei niedergelassenen Onkologen. Alle wurden in problemzentrierten Interviews und Experteninterviews befragt. Eine Auswertung erfolgte mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philip Mayring.

Ergebnisse: Das Angebot der Arztbriefkopie wurde von allen teilnehmenden Brustkrebspatientinnen angenommen und positiv beurteilt. Alle Patientinnen ziehen für sich einen individuellen Nutzen aus dem Erhalt des Arztbriefes, der sich u.a. darin zeigen kann die Korrespondenz zu beliebiger Zeit nachlesen und auch vergleichen zu können sowie den Brief als ergänzende Informationsmöglichkeit für die Familie zu nutzen. Die Mehrheit schätzt trotz unverständlicher Anteile den Arztbrief als überwiegend verständlich ein und bewertet den Informationsgehalt positiv. Ein Einfluss auf Internetrecherchen kann ausgeschlossen, eine Veränderung der Kommunikationssituation mit Angehörigen differenziert werden. Die positive Haltung der Patientinnen gegenüber ihren Onkologen erwies sich durch den Arztbrieferhalt als bestätigt oder gleichbleibend. Angebot von und Nachfrage an Arztbriefkopien werden von den Onkologen unterschiedlich gehandhabt und erfahren.

Aus den Perspektiven der Onkologen wird deutlich, dass der Arztbrief aufgrund seiner eigentlichen Funktion ungenügende Eigenschaften als Patienteninformation aufweist. Nutzen und Eignung ist laut Meinung eines Teils der Experten abhängig von bestimmten Faktoren die Brustkrebspatientinnen betreffend, zu denen u.a. ihr Aufklärungsbedürfnis sowie ihr Umgang mit Informationen zählen. Dennoch weist die Arztbriefausgabe an die Patientinnen unterschiedliche nützliche Aspekte auf, in dem z.B. ein Nutzen für den Versorgungsprozess entsteht aber auch Transparenz über das ärztliche Handeln.

Diskussion: Werden die Ergebnisse der problemzentrierten Interviews und der Experteninterviews in Beziehung gesetzt, zeigt sich eine eher kritischere Einstellung zur Arztbriefausgabe seitens eines Teils der Onkologen. Aus Patientinnensicht hingegen weisen die Ergebnisse auf die überwiegende Nützlichkeit des Arztbriefes als ergänzende Patienteninformation hin. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Onkologen den Arztbrief weitgehend aus ihrer berufsbezogenen Sichtweise wahrnehmen, in der die primäre Funktion als Arzt-Arzt-Kommunikation überwiegt. Die Patientinnen scheinen hingegen ein emotionales Verhältnis zu dem Arztbrief aufgrund des Erlebens der darin enthaltenen Informationen zu entwickeln, in dem über ihren Körper und ihre Erkrankungssituation geschrieben wird und sie auch deshalb den Arztbrief erhalten möchten. Einfluss, Eignung und Ausprägung des Nutzens des Arztbriefes als Patienteninformation scheinen von vielfältigen Faktoren abhängig zu sein: Angaben zu Rezidivrisiko und -ausschluss, Aufklärungsbedürfnis, Umgang mit der Erkrankung und entsprechenden Informationen seitens der Patientinnen sowie deren Bildungsstand.

Praktische Implikationen: Für jene Onkolog/-innen, bei denen weder Arztbriefe durch die Patientinnen nachgefragt noch von ärztlicher Seite aus angeboten werden, könnte ein Angebot für Patientengruppen mit einem aktiven Umgang mit ihrer Erkrankung und der entsprechenden Aufklärung den Ausgangspunkt darstellen. Im Sinne der patientenzentrierten Kommunikation, in der auch ermutigt wird, Fragen zu stellen könnten bspw. alle Arztbriefe, die ausgegeben werden, mit der Bitte versehen werden, Fragen und mögliche Unklarheiten bis zum nächsten Gesprächstermin schriftlich zu notieren, um sie dann besprechen zu können. Dadurch kann für ein Abarbeiten aller Fragen in der Gesprächssituation gesorgt werden, um etwaige Missverständnisse zu beseitigen, den Informationsstand zu verbessern und eine Vergewisserung des angemessenen Verständnisses zu erreichen.