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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Einfluss des Dialyseverfahrens auf patientenrelevante Endpunkte bei erwachsenen Patienten mit akutem Nierenversagen auf der Intensivstation

Meeting Abstract

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  • Tonio Schönfelder - IGES Institut GmbH, Berlin, Deutschland
  • Xiaoyu Chen - IGES Institut GmbH, Berlin, Deutschland
  • Hans-Holger Bleß - IGES Institut GmbH, Berlin, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP034

doi: 10.3205/16dkvf176, urn:nbn:de:0183-16dkvf1762

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Schönfelder et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Patienten mit dialysepflichtigem akutem Nierenversagen werden auf der Intensivstation mit kontinuierlichen und intermittierenden Dialyseverfahren behandelt. Studien geben Hinweise, dass kontinuierliche Verfahren Vorteile bei einigen Patientenpopulationen, insbesondere bei hämodynamisch instabilen Patienten, besitzen. Diesbezügliche Ergebnisse sind jedoch inkonsistent und eine Überlegenheit eines der beiden Verfahren auf patientenrelevante Endpunkte wurde bisher nicht festgestellt. Allerdings bilden die bislang vorliegenden Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen nicht den aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse ab und berücksichtigen technische Weiterentwicklungen möglicherweise nur unzureichend.

Fragestellung: Ziel dieser Untersuchung war die Analyse von Unterschieden zwischen kontinuierlichen und intermittiereden Dialyseverfahren hinsichtlich Mortalität, Dialysefreiheit (Renal Recovery), Kreislaufstabilität, Verweildauer und Kosteneffektivität.

Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, Embase und Cochrane Library sowie eine ergänzende Handrecherche im Internet zur Identifikation grauer Literatur durchgeführt. Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien, vergleichende Beobachtungsstudien und Kosten-Effektivitäts-Studien. Die Selektion und Bewertung der Studien wurde anhand zuvor festgelegter Kriterien und standardisierter Checklisten vorgenommen. Es erfolgte eine Zusammenfassung von extrahierten Daten zu patientenrelevanten Endpunkten aus mehreren Studien durch Meta-Analysen.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 49 Studien in die Analyse einbezogen. Bei initialer Behandlung mit kontinuierlichen Dialyseverfahren haben überlebende Patienten eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit von Dialysefreiheit. Dieser Vorteil zeigt sich sowohl bei Gesamtbetrachtung aller eingeschlossenen Studien als auch bei selektiver Betrachtung längerer Beobachtungszeiträume bis 90 Tage nach der Behandlung. Patienten, die mit kontinuierlichen Verfahren behandelt worden sind, weisen allerdings höhere Mortalitätsraten auf als Patienten, die mit intermittierenden Verfahren behandelt worden sind. Dieser Unterschied zeigt sich fast ausschließlich in den eingeschlossenen vergleichenden Beobachtungsstudien. Die Wahl des Dialyseverfahrens hat keinen signifikanten Einfluss auf die Anzahl hypotoner Episoden während der Behandlung, die Änderung des Mean Arterial Pressure und die hämodynamische Instabilität. Die Verweildauer im Krankenhaus und auf der Intensivstation wird durch das Dialyseverfahren ebenfalls nicht beeinflusst. Die Datenlage zur Kosteneffektivität ist inkonsistent. Aktuellere Analysen geben Hinweise, dass kontinuierliche Verfahren bei Betrachtung längerer Zeiträume durch eine geringere Anzahl an chronisch Dialysepflichtigen kosteneffektiv sind.

Diskussion: Die initiale Behandlung von Patienten mit akutem Nierenversagen mit kontinuierlichen Dialyseverfahren hat gegenüber intermittierenden Verfahren signifikante Vorteile in Bezug auf die Dialysefreiheit. Aussagen über den Langzeiteffekt des Dialyseverfahrens über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus sind mit der derzeitig verfügbaren Studienlage nicht möglich; dies sollte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Die höhere Mortalität unter kontinuierlichen Verfahren in den eingeschlossenen Beobachtungsstudien ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Allokationsbias zurückzuführen, da schwer kranke Patienten zu Beginn ihrer Behandlung häufiger kontinuierliche anstatt intermittierende Verfahren erhielten. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Evaluationen auf das deutsche Gesundheitssystem ist mit Einschränkungen zu betrachten, da sich keine der identifizierten Kosten-Effektivitäts-Studien auf den deutschen Versorgungskontext bezieht und den Analysen gesundheitssystemspezifische Kostenannahmen zugrunde liegen. Für valide Aussagen ist eine Erhebung mit nationalen Kostendaten notwendig, um auf diesen aufbauend, gesundheitsökonomische Analysen durchzuführen.

Praktische Implikationen: Die vorliegende Untersuchung stellt die derzeit umfangreichste Auswertung von Daten zu kontinuierlichen und intermittierenden Dialyseverfahren bei Intensivpatienten mit akutem Nierenversagen dar. Die Analyse zeigt, dass Patienten bei Einleitung einer kontinuierlichen Dialyse im Vergleich zu einer intermittierenden eine höhere Wahrscheinlichkeit der Dialysefreiheit bis zu 90 Tage nach der Behandlung besitzen.