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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Der intersektorale Präventions- und Therapiepfad für ältere Patienten mit motorischen und kognitiven Einschränkungen

Meeting Abstract

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  • Lysann Kasprick - HELIOS Geriatriezentrum Zwenkau, Zwenkau, Deutschland
  • Sarah Feist - HELIOS Geriatriezentrum Zwenkau, Zwenkau, Deutschland
  • Senta Liebmann - HELIOS Geriatriezentrum Zwenkau, Zwenkau, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP016

doi: 10.3205/16dkvf166, urn:nbn:de:0183-16dkvf1667

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Kasprick et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Der selbstständige Verbleib in der eigenen Häuslichkeit ist zentrales Bedürfnis älterer Menschen und wichtige Ressource zum Erhalt der Lebensqualität. Stationäre Krankenhauseinweisungen können diese Selbstständigkeit gerade bei Patienten mit kognitiven und motorischen Defiziten massiv gefährden und die Lebensqualität beeinträchtigen.

Fragestellungen: In zwei Untersuchungen im stationären und ambulanten Setting wurde eruiert, ob durch Training von Mobilität und Kognition die Lebensqualität älterer, multimorbider Patienten während eines stationären Aufenthalts in der Klinik für Akutgeriatrie und nach der Entlassung in die eigene Häuslichkeit verbessert werden kann.

Methodik: Die Studienpopulation in der Klinischen Studie bildeten 105 Patienten (Ø 82 Jahre), bei denen laut Screeninginstrument GeriNOT geriatrischer Handlungsbedarf bestand. In einer Querschnittsuntersuchung wurden Zusammenhang und Einfluss von Mobilität und Kognition auf die Lebensqualität (SF-12-Fragebogen) untersucht. Aus der Patientenakte wurden Ergebnisse der Assessmenttests zur Beurteilung von Mobilität (Timed-up-and-Go-Test [TUG], Tinetti-Test) und Kognition (Geldzähltest [GZT], Mini Mental Status Test [MMST]) sowie Kontrollvariablen (z.B. soziale Unterstützung) übernommen. Die Auswertung erfolgte durch bivariate Korrelations- und multiple lineare Regressionsanalysen. Um Veränderungen von Mobilität und Kognition während des Klinikaufenthalts zu beurteilen, wurde eine Längsschnittuntersuchung angewandt und durch Mittelwertvergleiche ausgewertet.

Im ambulanten Setting wurde eine Kontrollierte Studie im Längsschnittdesign durchgeführt. Einschlusskriterium war das Bestehen von geriatrischem Handlungsbedarf, welcher durch das Screeninginstrument ANGELINA-Bogen erhoben wurde. Die Interventionsgruppe bildeten elf Probanden (Ø 84 Jahre), die Kontrollgruppe dreizehn (Ø 78 Jahre). In der Interventionsgruppe wurde über einen Zeitraum von zwei Monaten einmal pro Woche für eine Stunde ein Bewegungs- und Kognitionstraining nach dem evidenten Übungsprogramm GeriNeTrainer durchgeführt. Die Auswertung der angewandten Assessmenttests zur Einschätzung der Mobilität (TUG) und Kognition (MMST) sowie zur Lebensqualität (SF-12) erfolgte durch Mittelwertvergleiche.

Ergebnisse: Die Ergebnisse im stationären Setting zeigen, dass zwischen Lebensqualität und Mobilität (z.B. TUG: r=0,14; p=0,35) sowie Kognition (z.B. GZT: r=0,23; p=0,02) geringe Zusammenhänge bestehen. Den größten positiven Einfluss auf die psychische Lebensqualität hat die Unterstützung durch das soziale Umfeld, auch Verbesserungen der Kognition können diese Dimension der Lebensqualität erhöhen. Die körperliche Lebensqualität wird durch Verbesserung der Motorik positiv beeinflusst. Der Einfluss von Mobilität und Kognition auf die Lebensqualität ist, möglicherweise aufgrund des zu kleinen Umfangs der Studienpopulation, gering und nicht signifikant. Die Ergebnisse sollten dennoch zur Ableitung erster Tendenzen und als Grundlage für weitere Untersuchungen genutzt werden. Während des Klinikaufenthalts (mindestens 14 Tage) konnten Mobilität und Kognition der Patienten statistisch signifikant verbessert werden, jedoch bestand zur Entlassung weiterhin Hilfebedarf. An diesem Punkt schließen die Ergebnisse der Klinischen Studie im ambulanten Setting an. Durch die Teilnahme an GeriNeTrainer-Übungsgruppen konnten die motorischen und kognitiven Fähigkeiten sowie die Lebensqualität im Vergleich zur Kontrollgruppe verbessert werden. Auf diese Weise wird der Erhalt der Selbstständigkeit auch nach dem Klinikaufenthalt nachhaltig unterstützt und die Teilhabe am sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben gefördert.

Diskussion: Nach dem Klinikaufenthalt sind zusätzlich Maßnahmen im ambulanten Setting notwendig, um Selbstständigkeit und Lebensqualität der Patienten zu erhöhen. Zur Vermeidung von Diskontinuität wird die Anwendung einer standardisierten Überleitung mit Mindestkriterien in den ambulanten Bereich zur Teilnahme an GeriNeTrainer-Übungsgruppen empfohlen. Durch die engmaschige Zusammenarbeit der GeriNeTrainer mit der Geriatrischen Schwerpunktpraxis mit integriertem Care- und Casemanagement sind die Patienten in allen Settings optimal unterstützt und Versorgungsbrüche zwischen den Sektoren werden vermindert.

Implikation: Für geriatrische Risikopatienten und deren Familien ist die Entwicklung holistischer Versorgungs- und Coachingprogramme unabdingbar, um Diskontinuität zwischen den Sektoren des Gesundheitssystems zu vermindern. In einem zukünftigen Forschungsprojekt, finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, wird die Standardisierung sowie Digitalisierung der intersektoralen therapeutischen Versorgung zur bestmöglichen Erhöhung der Lebensqualität als Teilziel erarbeitet. Damit soll das Forschungsdefizit in diesem Bereich reduziert und die Möglichkeit der Verlaufsforschung erhöht werden.

Contributed equally: L. Kasprick, S. Feist, S. Liebmann