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Neuartige Arzneimittel auf dem deutschen Arzneimittelmarkt – eine Analyse am Beispiel der Antidiabetika
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Veröffentlicht: | 28. September 2016 |
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Hintergrund: In den letzten Jahren sind zunehmend neue Arzneimittel auf den deutschen Markt gelangt, über deren Verbreitung im Markt auch vor dem Hintergrund einer frühen Nutzenbewertung noch zu wenig Wissen existiert. Die Verbreitung neuartiger Arzneimittel im deutschen Gesundheitswesen wird anhand der Indikationsgruppe der Antidiabetika analysiert. Bei den untersuchten Wirkstoffen handelt es sich um Fertigarzneimittel, die der Wirkstoffgruppe der DPP-4-Hemmer (Gliptine) entstammen. Sie wurden zwischen 2007 und 2009 zur Therapie von Typ-2-Diabetes zugelassen und stehen seither unter Patentschutz.
Fragestellung: Im Folgenden wird untersucht, wann ein Arzneimittel als innovativ eingestuft werden kann, wie neuartige Präparate auf den deutschen Markt gelangen sowie welche regionalen und soziodemografischen Unterschiede hinsichtlich der Marktpenetration bestehen. Zentrale Untersuchungsaspekte sind hierbei die Inanspruchnahme von Arzneimittelinnovationen im Zeitablauf, soziodemografische Unterschiede, die regionale Marktdurchdringung sowie eine differenzierte Betrachtung von Substitutions‐ und Add-On-Effekten. Im Detail soll die Frage beantwortet werden, ob im deutschen Gesundheitswesen Unterschiede hinsichtlich der Verordnung von und des Zugangs zu Arzneimittelinnovationen.
Methodik: Die Grundlage der retrospektiven Analyse bilden Routinedaten der Techniker Krankenkasse der Jahre 2010 bis 2014. Verordnungen von DPP-4-Hemmern wurden mittels ATC-Code identifiziert, wobei auch fixe Kombinationspräparate mit Metformin Berücksichtigung fanden. Eine Jahreszuordnung erfolgte anhand des Abgabedatums. Zur Abgrenzung wurde als Referenzmarkt der gesamte Antidiabetikamarkt ohne Berücksichtigung von Insulinen und Insulinanaloga herangezogen. Zentrale Untersuchungsaspekte bilden die Inanspruchnahme von Arzneimittelinnovationen im Zeitablauf, soziodemografische Unterschiede, die regionale Marktdurchdringung sowie eine differenzierte Betrachtung von Substitutions- und Add-On-Effekten.
Ergebnisse: Das Verordnungsvolumen stieg im Untersuchungszeitraum kontinuierlich an, wobei die Kosten pro Verordnung rückläufig waren. Der Anteil der Gliptinempfänger am gesamten Antidiabetikamarkt verdoppelte sich dabei im Zeitverlauf nahezu. Es konnte hinsichtlich des Verordnungsvolumens ein geschlechtsspezifischer Unterschied sowie eine Häufung der Verordnungsraten zwischen dem 50. und 79. Lebensjahr festgestellt werden. In Bezug auf den gesamten Antidiabetikamarkt wurden Gliptine besonders häufig in den neuen Bundesländern sowie einigen ländlichen Kreisen verordnet. Bei fast 80% der Verordnungen wurde ein Kombinationspräparat mit einem weiteren Wirkstoff oder zusätzlich zum Gliptin ein weiteres Präparat verschrieben.
Diskussion: Der kontinuierliche Anstieg des Antidiabetikaverbrauchs im Untersuchungszeitraum weist auf eine zunehmende Marktdurchdringung mittels der ausgewählten Gliptine hin. Diese Entwicklung stimmt mit dem allgemeinen Trend auf dem gesamten deutschen Antidiabetikamarkt überein, da in den letzten Jahren bei den DPP-4-Hemmern ein starkes Wachstum stattgefunden hat. Der große Anteil an Kombinationstherapien lässt den Schluss zu, dass es sich bei den Gliptinverordnungen mehrheitlich um Add-on-Präparate handelt, so dass hierdurch zusätzliche Kosten auf dem Arzneimittelmarkt verursacht werden. Die Einschätzung des G-BAs hinsichtlich des Zusatznutzens stützt dieses Ergebnis. Der im Zeitablauf leichte Rückgang der Kombinationstherapien könnte jedoch zugleich auf eine Umstellung der Arzneimitteltherapie hindeuten.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Arbeit machen deutlich, dass neben der Zusatznutzenbewertung weitere Einflussfaktoren bei der Marktdurchdringung neuartiger Arzneimittel ausschlaggebend sind. So liegt zwischen der Bewertung des GBAs und der Entwicklung der Marktdurchdringung einzelner Präparate häufig kein eindeutiger Zusammenhang vor. Zudem zeigt der hohe Anteil an Add-on-Präparaten, dass vor dem Hintergrund der begrenzten finanziellen Möglichkeiten im deutschen Gesundheitswesen der Einsatz von Add-on-Technologien kritisch hinterfragt und entsprechend gerechtfertigt werden muss.