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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Entwicklung eines Risikomodells auf der Basis von Abrechnungsdaten für adjustierte Krankenhausvergleiche der Letalität bei Sepsis

Meeting Abstract

  • Daniel Schwarzkopf - Universitätsklinikum Jena, Center for Sepsis Control and Care, Jena, Deutschland
  • Daniel Thomas-Rüddel - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Deutschland
  • Carolin Fleischmann - Universitätsklinikum Jena, Center for Sepsis Control and Care, Jena, Deutschland
  • Hendrik Rüddel - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Deutschland
  • Konrad Reinhart - Universitätsklinikum Jena, Center for Sepsis Control and Care, Jena, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP136

doi: 10.3205/16dkvf157, urn:nbn:de:0183-16dkvf1570

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Schwarzkopf et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Abrechnungsdaten ermöglichen aufgrund ihrer einfachen Verfügbarkeit großangelegte Vergleiche der Versorgungsqualität zwischen Krankenhäusern. Für die sinnvolle Interpretation von Ergebnissen ist die Adjustierung unterschiedlich verteilter Risikofaktoren entscheidend. Sepsis ist mit 280.000 Fällen und 68.000 Todesfällen p. a. ein zentraler Fokus der Verbesserung der Versorgungsqualität in Deutschland [1].

Fragestellung: Ziel der Untersuchung ist die Entwicklung eines Modells zur Ermöglichung adjustierter Vergleiche bzgl. der Krankenhausletalität bei Sepsis auf Basis von Abrechnungsdaten.

Methode: Die Krankenhausstatistik gemäß §21 KHEntgG beim Statistischen Bundesamt wurde für die Jahre 2010-2013 mittels Datenfernverarbeitung ausgewertet. Krankenhausfälle erwachsener Patienten mit Sepsis wurden anhand der ICD-10 kodierten Haupt- und Nebendiagnosen identifiziert und in exklusive Schweregrade eingeteilt (einfache Sepsis: A40.x, A41.x, R65.0; schwere Sepsis: R65.1; septischer Schock R57.2). Es wurde je ein Risikomodell je Schweregrad entwickelt. Als mögliche Risikoprädiktoren wurden Geschlecht, Alter, Aufnahmeanlass, die kodierten Infektionsfoci und Komorbiditäten gemäß Charlson und Elixhauser Indices, die Kodierung einer Sepsis als Hauptdiagnose, das OPS-kodierte Vorliegen einer palliativmedizinischen Behandlung, Chemotherapie, Behandlung multiresistenter Erreger oder Schlaganfallbehandlung sowie das Behandlungsjahr festgelegt (53 Faktoren). Die Risikomodelle wurden in 50% Derivationsstichproben mittels logistischer Regression mit Rückwärtsselektion entwickelt und ihre Güte anschließend in 50% Validierungsstichproben geprüft. Schließlich wurden die Modelle auf die Gesamtstichprobe angewendet und die Güte des kombinierten Risikomodells hinsichtlich Diskrimination, Kalibrierung und aufgeklärter Varianz bestimmt.

Ergebnisse: Es wurden 441.207 Krankenhausfälle mit einfacher Sepsis (Krankenhausletalität 13,5%), 284.883 mit schwerer Sepsis (Krankenhausletalität 40,3%) und 112.609 mit septischem Schock (Krankenhausletalität 59,6%) identifiziert. Zwischen 41 und 43 Prädiktoren wurden in den drei Modellen ausgewählt. Die Prädiktionsgüte war in Derivations- und Validierungsstichproben gleichermaßen gut. Es gab keinen Hinweis auf eine Überanpassung der Modelle. Die stärksten Risikofaktoren waren Alter, fortgeschrittene Lebererkrankungen und onkologische Nebenerkrankungen. Das Behandlungsjahr zeigte signifikante Effekte mit sinkender Mortalität zwischen 2010 und 2013 für einfache und schwere Sepsis jedoch nicht für septischen Schock. Das kombinierte Risikomodell zeigte in der Gesamtstichprobe eine hohe Modellgüte hinsichtlich Diskrimination (area under the curve: 0,81; Abbildung 1 [Abb. 1]), Kalibrierung (Abbildung 2 [Abb. 2]) und aufgeklärter Varianz (R2 Schätzer: 0,25).

Diskussion: Mit der vorliegenden Untersuchung wurde das erste komplexe Risikomodell für Krankenhausvergleiche auf Basis von Abrechnungsdaten in Deutschland entwickelt. Die Prädiktionsgüte ist hoch und übertrifft vergleichbare Untersuchungen mit US-Daten [2]. Die Rolle von Krankenhausmerkmalen für das Letalitätsrisiko bei Sepsis wird in weitergehenden Untersuchungen betrachtet werden. Der vorgestellte Ansatz der Risikomodellierung ist auf andere Krankheitsbilder bzw. Qualitätsindikatoren übertragbar.

Praktische Implikation: Komplexe Risikomodellierungen mit hoher Modellgüte sind auf der Basis von Abrechnungsdaten möglich. Das gewonnene Risikomodell kann über die Berechnung erwarteter Letalitäten und standardized mortality ratios direkte Anwendung in adjustierten Krankenhausvergleichen finden. Krankenhäuser können die in jedem Haus bereits verfügbaren §21 Daten nutzen, um ohne größeren Aufwand zu verlässlichen Einschätzungen ihrer auf die Letalität der Sepsis bezogene Versorgungsqualität zu gelangen. Dieser Ansatz wird bereits jetzt im Rahmen des Deutschen Qualitätsbündnisses Sepsis unter Beteiligung von ca. 50 Krankenhäusern umgesetzt.


Literatur

1.
Fleischmann C, Thomas-Rueddel DO, Hartmann M, et al. Fallzahlen und Sterblichkeitsraten von Sepsis-Patienten im Krankenhaus. Dtsch Arztebl International. 2016;113:159-66.
2.
Ford DW, Goodwin AJ, Simpson AN, Johnson E, Nadig N, Simpson KN. A Severe Sepsis Mortality Prediction Model and Score for Use With Administrative Data. Crit Care Med. 2016 Feb;44(2):319-27. DOI: 10.1097/CCM.0000000000001392 Externer Link