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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Ökonomische Evaluation von Verträgen zur integrierten Versorgung mit Zelen’s Design

Meeting Abstract

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  • Melanie Harling - DAK-Gesundheit, Vorstandsreferat Versorgungsforschung, Hamburg, Deutschland
  • Elke Scharnetzky - DAK-Gesundheit, Vorstandsreferat Versorgungsforschung, Hamburg, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP134

doi: 10.3205/16dkvf155, urn:nbn:de:0183-16dkvf1559

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Harling et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Wenn Gesetzliche Krankenkassen Verträge zur integrierten Versorgung (iV) nach § 140a SGB V abschließen, muss deren Wirtschaftlichkeit spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein. Über diese gesetzliche Verpflichtung hinaus ist jede Kasse an dem Erfolg der eigenen iV Verträge sehr interessiert. Somit stellt sich die Frage, wie die Evaluation der iV gestaltet werden sollte. Goldstandard ist die randomisierte, kontrollierte Studie. Zelen hat 1979 ein neues Design vorgestellt, das speziell für den Vergleich von ‚best standard or control treatment‘ mit einer neuen experimentellen Therapie konzipiert wurde [1]. Zelen’s Design erscheint daher für die ökonomische Evaluation der iV durch Kassen besonders geeignet.

Fragestellung: Wie können iV Verträge mit Hilfe von Zelen’s Design evaluiert werden?

Methode: Zunächst wird die Zielgruppe der iV definiert. Anhand der Anzahl der Versicherten in der Zielgruppe wird abgeschätzt, ob die Fallzahl ausreichend groß ist, um die Evaluation mit hinreichender Power durchzuführen. Nach der Fallzahlschätzung wird das Verfahren der Randomisierung festgelegt. Die größte Power ergibt sich bei zwei gleich großen Gruppen. Zelen’s Design sieht vor, dass die Randomisierung erfolgt, bevor das Einverständnis der Probanden nur in der Interventionsgruppe eingeholt wird. Das Datum der Randomisierung wird für alle Versicherten als Beginn der Intervention und Startdatum für die Evaluation dokumentiert. Versicherte, die in die Kontrollgruppe randomisiert werden, werden wie üblich behandelt, ihnen wird die iV nicht angeboten. Denjenigen Versicherten, die in die Interventionsgruppe randomisiert werden, wird die iV angeboten. Nur diese Gruppe wird über das iV Angebot aufgeklärt. Nimmt ein Versicherter das iV Angebot nicht an, dann erfolgt die Behandlung wie in der Kontrollgruppe. Bei der Evaluation wird streng nach ‚Intention to treat‘ ausgewertet, d.h. alle Versicherten, denen die iV Behandlung angeboten wurde, werden in der iV-Gruppe ausgewertet, unabhängig davon, ob das iV Angebot angenommen wurde oder nicht. Für die Evaluation werden ausschließlich Daten herangezogen, die der Kasse bereits vorliegen. Eine zusätzliche Datenerhebung und -übermittlung findet nicht statt.

Ergebnisse: Anhand eines Beispiels aus der Praxis wird die Vorgehensweise im Rahmen des Vortrags erläutert. Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der iV sind für die Kasse die Gesamtkosten aus verschiedenen Bereichen (z.B. Krankenhaus, Arzneimittel, Krankengeld) von Bedeutung. Eine Aufteilung der Kosten auf verschiedene zugrundeliegende Erkrankungen ist methodisch aufwändig und erscheint nicht praktikabel. Die erforderliche Fallzahl ist u.a. stark davon abhängig, welcher Anteil der Versicherten das iV Angebot annimmt. Abhängig von der Teilnahmequote q, muss die Anzahl der Probanden um den Faktor 1/q² erhöht werden, um eine konstante Power zu gewährleisten. Wenn nur die Hälfte der Versicherten die iV annimmt, ist q = 0,5, so dass die Probandenzahl um den Faktor 4 erhöht werden muss, um die gleiche Power zu erreichen wie bei einer Teilnahme aller Versicherten. Da die Varianz der Kostendaten, die verglichen werden sollen, meist hoch ist, sind in der Regel große Fallzahlen von einigen Tausend Versicherten erforderlich, um eine Evaluation mit ausreichender Power durchzuführen. Bei der Fallzahlplanung wird auf vorhandene Daten der Kasse zurückgegriffen. Die Randomisierung wird anhand dieser Daten überprüft, damit sichergestellt ist, dass das gewählte Verfahren eine zufällige Verteilung der Versicherten auf die beiden Gruppen gewährleistet.

Diskussion: Zelen’s Design bietet eine wissenschaftlich fundierte Möglichkeit für Krankenkassen, iV Verträge mit vertretbarem Auswand ökonomisch zu evaluieren. Voraussetzung für die Evaluation ist, dass die angebotene iV eine große Akzeptanz bei den Versicherten findet, so dass die Teilnahmequote hoch ist. Dieses Vorgehen ist darüber hinaus nur bei iV Verträgen sinnvoll, die für große Zielgruppen konzipiert werden.

Praktische Implikationen: Gesetzliche Krankenkassen sind zur Evaluation der Wirtschaftlichkeit von Verträgen zur integrierten Versorgung nach § 140a SGB V gesetzlich verpflichtet. Die hier beschriebene Vorgehensweise auf der Grundlage des Designs von Zelen zeigt eine Möglichkeit auf, wie Kassen dieser Verpflichtung mit vertretbarem Aufwand wissenschaftlich fundiert nachkommen können.


Literatur

1.
Zelen M. A new design for randomized clinical trials. N Engl J Med. 1979 May 31;300(22):1242-5.