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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Inanspruchnahme physiotherapeutischer Leistungen in Deutschland von 2007 bis 2014. Analyse der Altersstruktur von Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung

Meeting Abstract

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  • Thomas Petzold - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Toni Lange - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland
  • Christian Kopkow - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP104

doi: 10.3205/16dkvf141, urn:nbn:de:0183-16dkvf1417

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Petzold et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Der Bedarf, die Inanspruchnahme und der Zugang zur medizinischen Versorgung betreffen gleichermaßen ärztliche und nicht-ärztliche Berufe. Leistungen der Heil- und Hilfsmittel, insbesondere physio-, logo- und ergotherapeutische Leistungen bedürfen einer ärztlichen Verordnung, wobei die Listung im Heilmittelkatalog erforderlich ist. In 2014 wurden 72% (4,17 Mrd. €) der Ausgaben der Heilmittel für die Inanspruchnahme von physiotherapeutischen Leistungen aufgewendet. Somit stellen physiotherapeutische Leistungen den größten Teil der Heilmittel in Deutschland dar.

Erste Analysen einzelner Krankenkassen zeigen altersassoziierte Unterschiede zum Inanspruchnahmeverhalten physiotherapeutischer Leistungen. Laut Heilmittelbericht 2015 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) wurden 57% physiotherapeutische Leistungen von Frauen zwischen 50 und 79 Jahren in Anspruch genommen. Ein ähnlicher Trend wurde auch im Heil- und Hilfsmittelreport 2015 von der BARMER GEK dargestellt. In der Altersgruppe der 80 bis 90 Jährigen liegt hierbei die Verordnungsquote bei rund 33% aller Versicherten.

Fragestellung: Das Ziel der vorliegenden Studie ist die Darstellung des altersbezogenen und krankenkassenübergreifenden Inanspruchnahmeverhaltens von Leistungen aus dem Heilmittelkatalog der Physikalischen Therapie von 2007 bis 2014 in Deutschland.

Methode: Um Informationen zur Versorgung von Leistungen aus dem Heilmittelkatalog der Physikalischen Therapie in Deutschland abzubilden, wurde das frei zugängliche Heilmittel-Informations-System des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-HIS) herangezogen. Zur Datengewinnung wurden sowohl der Bundesbericht als auch die Berichte der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen genutzt und Informationen zur Altersstruktur bezogen auf die Inanspruchnahme von Leistungen der Physikalischen Therapie für den Zeitraum 2007 bis 2014 extrahiert.

Ergebnisse: Von 2007 bis 2014 wurden jährlich im Durchschnitt 27.799.699 Verordnungsblätter für physiotherapeutische Leistungen in Deutschland ausgestellt (Range: 25.326.486 bis 30.243.340). Bei Versicherten von 0 bis 20 Jahren wurden Leistungen in 2007 von 1.490.672 Verordnungsblättern und in 2014 von 1.422.590 Verordnungsblättern in Anspruch genommen. Dies entspricht 95% der Verordnungsblätter von 2007. Versicherte im Alter zwischen 21 und 65 Jahren stieg die Inanspruchnahme von Leistungen der Physikalischen Therapie um 12% (2007: 14.711.226; 2014: 16.506.259). Ein Anstieg von 17% konnte in der Altersgruppen über 65 Jahren (2007: 10.512.762; 2014: 12.308.368) beobachtet werden.

Im gleichen Zeitraum stieg in der Altersgruppe der unter 20 Jährigen der Bruttoumsatz um 5% (2007: 206.880.000€; 2014: 217.129.000€) an. Der Bruttoumsatz stieg um 31% in der Gruppe der 21 bis 65 Jährigen von 1.550.084.000€ in 2007 auf 2.041.733.000€ in 2014 an. Gleichermaßen ist ein Anstieg von 2007 zu 2014 um 39% (2007: 1.300.096.000€; 2014: 1.817.372.000€).

Diskussion: Der Anstieg von Verordnungsblättern variiert zwischen den einzelnen Altersgruppen, so dass ein gesamter Trend unabhängig vom Versichertenalter nicht beobachtet werden kann. Der Bruttoumsatz steigt hingegen stetig und unabhängig vom Versichertenalter über den Beobachtungszeitraum an. Allerdings zeigt sich zwischen den Altersgruppen ein deutlicher Unterschied zwischen 5% und 39% Anstieg des Bruttoumsatzes im Vergleich zwischen 2007 und 2014. Es ist kritisch zu hinterfragen, welche Faktoren mit dem Ansteigen des Bruttoumsatzes assoziiert sind. Eine differenzierte Analyse auf Ebene von Behandlungseinheiten ist notwendig, um präzisere Aussagen über die Inanspruchnahme von Leistungen der Physikalischen Therapie ableiten zu können. Allerdings sind diese Analysen auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Daten nicht möglich.

Praktische Implikationen: Das Inanspruchnahmeverhalten von physiotherapeutischen Leistungen variiert mit dem Alter der Versicherten. Die Analyse der aktuellen Inanspruchnahme ist von hoher Relevanz, um eine nachhaltige Planung und Ausgestaltung von Versorgungstrukturen und –prozessen zu ermöglichen und Über-, Unter- und Fehlversorgung in der physiotherapeutischen Versorgung entgegen zu steuern. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der mit einem Anstieg des Inanspruchnahmeverhaltens älterer Versicherten (>65 Jahre) einhergeht, ist eine strukturierte und nachhaltige Evaluation und Versorgungsforschung im Bereich der Heilmittelversorgung, insbesondere der physiotherapeutischen Leistungen notwendig. Krankenkassenübergreifende Daten ermöglichen Analysen zu Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Physiotherapie.