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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Regelmäßigkeit der Teilnahme und Erreichen der Qualitätsziele. Ergebnisse aus dem Disease Management Programm Koronare Herzkrankheit in Nordrhein

Meeting Abstract

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  • Bernd Hagen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Sabine Groos - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Jens Kretschmann - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Arne Weber - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP100

doi: 10.3205/16dkvf137, urn:nbn:de:0183-16dkvf1370

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Hagen et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Ein regelmäßig erfolgender Arzt-Patienten-Kontakt wird in der Betreuung chronisch kranker Patienten allgemein als ein Schlüsselelement der Qualität der hausärztlichen Versorgung angesehen. Die Regelmäßigkeit der Kontakte ist auch von entscheidender Bedeutung innerhalb der Disease Management Programme (DMP). Je nach Erkrankungsschwere sind hier eine quartalsweise oder halbjährliche Untersuchung des Patienten in der Praxis zwingend vorgeschrieben. Dabei tolerieren die DMP lediglich eine einmalig ausgefallene Dokumentation, geschieht dies zweimal aufeinanderfolgend, wird der Patient aus dem Programm ausgeschrieben und muss – bei Fortdauer der Teilnahmevoraussetzungen – erneut eingeschrieben werden. Gegenstand der nachfolgenden Darstellung ist dabei nicht die Häufigkeit derartiger administrativer Neueinschreibungen, sondern das Muster und die relative Häufigkeit einer zeitweiligen Nicht-Teilnahme der Patienten am DMP.

Fragestellung: Im Rahmen des DMP Koronare Herzkrankheit (KHK) wurde untersucht, in welchem Ausmaß die Patienten kontinuierlich an dem Programm teilnehmen, welche Faktoren diese Teilnahmekontinuität bedeutsam beeinflussen und ob sie ihrerseits relevant für das Erreichen der vertraglich definierten Qualitätsziele ist.

Methoden: Innerhalb der 2014 im DMP betreuten und bis 2012 eingeschriebenen KHK-Patienten lassen sich empirisch drei Patientengruppen ermitteln, für die relativ zu ihrer jeweiligen Teilnahmedauer und festgelegten Untersuchungsfrequenz < 50 %, 50 bis < 70 % bzw. ≥ 70 % aller theoretisch möglichen Dokumentationen vorliegen. Die Unterschiede zwischen diesen drei Patientengruppen werden deskriptiv dargestellt. In voneinander unabhängigen logistischen Regressionsmodellen wurden die Risikofaktoren einer hohen Teilnahmediskontinuität sowie deren Einfluss auf das Erreichen der Qualitätsziele im DMP KHK bestimmt (Maßzahl: Odds Ratio OR und deren 95-%-Konfidenzintervall CI).

Ergebnisse: Von den insgesamt 193.441 KHK-Patienten mit wiesen 7.462 (3,9 %) einen Anteil von weniger als 50 % aller möglichen Dokumentationen auf, 18.695 (9,7 %) einen zwischen 50 % und weniger als 70 % sowie 167.284 (86,5 %) einen von 70 % oder mehr. Die Häufigkeit der Unterbrechung korrelierte mit deren Länge. Während Patienten mit einer hohen Anzahl fehlender Untersuchungen auch häufig über sehr lange Zeiträume von über einem Jahr nicht dokumentiert wurden, fehlten in der Gruppe mit der höchsten Kontinuität lediglich einzelne Untersuchungsquartale. Bedeutende Gruppenunterschiede bestanden in Bezug auf Patientenmerkmale, Risikofaktoren und den Interventionsbedarf. So waren diskontinuierliche Teilnehmer jünger (68,9 vs. 70,7 vs. 73,2 Jahre), sie rauchten häufiger (20,2 vs. 16,6 vs. 11,9 %) und bei ihnen war 2014 häufiger eine Bypass-OP oder PTCA erforderlich (10 vs. 5,7 vs. 3,8 %). Dementsprechend wiesen Patienten bis zu 65 Jahren (≥ 76 vs. ≤ 65 Jahre OR 0,51; 0,47–0,54), Raucher (OR 1,40; 1,31–1,50) sowie insbesondere Patienten, bei denen eine Koronarintervention erfolgte (OR 2,38; 2,14–2,64), auch ein hohes Diskontinuitätsrisiko auf. Dieses Risiko war auch bei männlichen KHK-Patienten etwas größer (OR 1,07; 1,01–1,13). Auf der anderen Seite erhöhte sich mit wachsender Teilnahmekontinuität die Chance, normotone Blutdruckwerte zu erreichen (OR 1,09; 1,04–1,15) bzw. Thrombozyten-Aggregationshemmer (OR 1,27; 1,20–1,34), Beta-Blocker (OR 1,14; 1,08–1,20) oder Statine (OR 1,16; 1,10–1,22) verordnet zu bekommen. Allerdings hatten diskontinuierlich teilnehmende Patienten eine höhere Chance, überwiesen zu werden (OR 1,41; 1,09–1,83).

Diskussion: In einer vergleichsweise kleinen Gruppe männlicher, jüngerer und weiterhin rauchender KHK-Patienten bestand ein deutlich erhöhtes Risiko, diskontinuierlich an dem DMP teilzunehmen. Diese Gruppe zeichnete sich zudem durch einen deutlich erhöhten Interventionsbedarf (Bypass-OP, PTCA) aus. Gegenüber Patienten mit einer hohen hatten jene mit einer geringen Teilnahmekontinuität bei den meisten DMP-Qualitätszielen auch eine geringere Chance, diese zu erreichen. Zum Teil decken sich diese Befunde mit denen aus der Forschung, wo sich Faktoren wie ein höheres Alter, weibliches Geschlecht, aber auch ein höherer Ausbildungs- und Sozialstatus sowie ein größeres Wissen um die eigene Erkrankung als förderlich für die Therapieadhärenz erwiesen haben. Im Gegensatz zu Daten aus der Literatur zeigten sich allerdings bei den eher wenig DMP-adhärenten KHK-Patienten niedrigere Verordnungsraten.

Praktische Implikationen: Diese Patientengruppe stellt die beteiligten Hausärzte vor große Herausforderungen. Solche Patienten müssen besonders informiert und motiviert werden, regelmäßig teilzunehmen, damit langfristig eines der zentralen DMP-Ziele erreicht werden kann, nämlich das Verhindern oder Verzögern der kardio-vaskulär bedingten Morbidität und Mortalität.