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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Retrospektive Patientenaktenstudie zur Darstellung der Versorgungsrealität von Patienten mit Myokardinfarkt

Meeting Abstract

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  • Michael Hahn - AstraZeneca GmbH, Medizin, Wedel, Deutschland
  • Stefan Busch - AstraZeneca GmbH, Medizin, Wedel, Deutschland
  • Katrin Riedel - AstraZeneca GmbH, Market Access, Wedel, Deutschland
  • Uwe Zeymer - Klinikum der Stadt Ludwigshafen am Rhein gGmbH, Medizinische Klinik B, Ludwigshafen, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP098

doi: 10.3205/16dkvf135, urn:nbn:de:0183-16dkvf1356

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Hahn et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Das akute Koronarsyndrom (ACS) beinhaltet die instabile Angina pectoris, NSTEMI und STEMI. Da die aktivierten Thrombozyten eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie des ACS spielen, ist eine antithrombotische Therapie ein Eckpfeiler der akuten und der langfristigen Therapie von Patienten mit instabiler Angina und Myokardinfarkt. Es ist das Ziel dieser Behandlung, die Mortalität und das Risiko erneuter kardiovaskulärer Ereignisse zu reduzieren. Unter anderen haben Patienten mit den folgenden Risikofaktoren ein hohes Risiko für das Auftreten eines erneuten kardiovaskulären Ereignisses (kardiovaskulärer Tod, NSTEMI, STEMI, ischämischer Schlaganfall): Alter über 65 Jahre, stattgehabter zweiter Myokardinfarkt, Diabetes mellitus, Mehrgefäß-KHK und chronische, nicht dialysepflichtige Niereninsuffizienz.

Fragestellung: Ziel dieser Studie ist, Erkenntnisse über die Versorgungsrealität der Patientenpopulation mit stattgehabtem Myokardinfarkt und einem hohen Risiko für das Auftreten weiterer kardiovaskulärer Ereignisse unter Alltagbedingungen zu gewinnen. Dazu sollten die Krankheitscharakteristika und die Behandlungsrealität dieser Patienten beschrieben werden. Besondere Aufmerksamkeit galt der Erfassung der Rate von erneuten kardiovaskulären Ereignissen.

Methoden: Die Studie wurde als retrospektive, nicht-interventionelle Patientendokumentationsstudie durchgeführt. Eingeschlossen wurden lebende und verstorbene Patienten nach Myokardinfarkt, die ein hohes Risiko für erneute kardiovaskuläre Ereignisse hatten. Durch insgesamt 341 Ärzte (Allgemeinmediziner und Kardiologen) wurden deutschlandweit insgesamt 1.243 Patienten eingeschlossen und deren Patientenakten ausgewertet. Die Studie wurde durch die Ethikkommission der LÄK Rheinland-Pfalz genehmigt.

Ergebnisse: Für die Auswertung wurden die Patienten nach dem Zeitpunkt des letzten Myokardinfarktes in Kohorten aufgeteilt. Für diese Auswertung liegt der Fokus speziell auf den lebenden Patienten, deren letzter Myokardinfarkt 1-3 Jahre zurücklag (n = 615).

Das mittlere Alter der Patienten betrug 69,7 Jahre (± 7,92) zum Zeitpunkt des betrachteten Myokardinfarktes, die Patienten waren in der Mehrzahl männlich (64,0 %), Rentner (74,0 %) und lebten ganz überwiegend im häuslichen Umfeld (93,0 %).

Ein NSTEMI war mit 53,5 % tendenziell häufiger die Ursache des Myokardinfarktes als ein STEMI (45,7 %). 88,6 % der Patienten erhielten eine koronare Intervention (PCI 68,3 %, ACB-OP 10,9 %). Eine Lyse-Therapie wurde bei 12,9% der Patienten durchgeführt.

Nach dem Myokardinfarkt wurde die Mehrheit der Patienten mit Acetylsalicylsäure therapiert 94,5 %, einen ADP-Rezeptorantagonisten erhielten 80,7 %. Die häufigste Begleitmedikation zur Sekundärprophylaxe waren Lipidsenker (86,3 %) gefolgt von Betablockern (76,1 %) und ACE-Hemmern (61,6 %).

Ein Alter von >65 Jahren war bei 91 % der Patienten der häufigste Risikofaktor für das Auftreten eines erneuten kardiovaskuläres Ereignisses, gefolgt vom Diabetes mellitus (37,1 %), einer Mehrgefäß-KHK (27,6 %), einem zweiten Myokardinfarkt (21,6 %) und chronischer Niereninsuffizienz (15,0 %).

Der Anteil von Patienten mit einem erneuten Myokardinfarkt lag bei 14,4 %., wobei dies jeweils zur Hälfte ein NSTEMI (51%) und ein STEMI (49%) waren.

Diskussion: Unsere Studie beschreibt die klinischen Charakteristika von Patienten mit Myokardinfarkten unter Alltagsbedingungen und die Studienergebnisse stellen die Versorgungsrealität dieser Patienten in Deutschland dar. Die Auswertung der Patientenakten zeigt eine substantielle Rate erneuter kardiovaskulärer Ereignisse von 14,4 % innerhalb von ein bis drei Jahren nach stattgehabtem Myokardinfarkt. Dabei muss beachtet werden, dass die rekurrenten Ereignisse als Todesursache bei Verstorbenen in dieser Zahl methodisch bedingt nicht berücksichtigt wurden. Internationale nicht-interventionelle Untersuchungen mit größerer Patientenzahl konnten eine Rate von erneuten Ereignissen von insgesamt ca. 20 % in dieser Patientengruppe aufzeigen.

Praktische Implikationen: Der Nachweis von 14,4 % der Patienten, die ein bis drei Jahre nach einem Myokardinfarkt ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis erlebt haben, spricht für ein bleibend hohes kardiovaskuläres Risiko auch über das erste Jahr nach Myokardinfarkt hinaus. Diese Patienten sollten daher in engmaschiger kardiologischer Kontrolle bleiben, und die antithrombotische Therapie sowie die Sekundärprophylaxe sollten optimiert werden. Außerdem besteht ein Bedarf an weiteren Therapieoptionen, um dieses hohe kardiovaskuläre Rezidivrisiko zu senken.

Contributed equally: M. Hahn, S. Busch, K. Riedel, U. Zeymer