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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Häusliche Kinderkrankenpflege in Niedersachsen – dem Fachkräftemangel begegnen

Meeting Abstract

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  • Bernd Karow - Medizinische Hochschule Hannover, Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher e.V., Hannover, Deutschland
  • Kerstin Kremeike - Medizinische Hochschule Hannover, Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher e.V., Hannover, Deutschland
  • Anika Mohr - Medizinische Hochschule Hannover, Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher e.V., Hannover, Deutschland
  • Dirk Reinhardt - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kinderheilkunde III, Essen, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP030

doi: 10.3205/16dkvf131, urn:nbn:de:0183-16dkvf1317

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Karow et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die flächendeckende pflegerische Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher stellt im Flächenland Niedersachsen mit relativ geringer Bevölkerungsdichte eine besondere Herausforderung dar. Der Fachkräftemangel in der (Kinderkranken-)Pflege erschwert diese Problematik noch. In einem aus Landesmitteln finanzierten Projekt werden daher aktuell Ursachen untersucht und regionale Lösungsansätze entwickelt.

Fragestellung: Wie gestaltet sich die Situation in der häuslichen Kinderkrankenpflege aus Sicht der versorgenden Dienste? Welche möglichen Lösungsansätze lassen sich daraus für bestehende Probleme bei der Sicherstellung der ambulanten Kinderkrankenpflege ableiten?

Methode: Standardisierte Fragebogenerhebung unter niedersächsischen ambulanten Pflegedienstleitungen (PDL) (07 - 09/2015) und -mitarbeiterinnen (MA) (10 - 12/2015), die Kinder und Jugendliche versorgen. Persönliche Kontaktaufnahme und Zusendung eines PDL-Fragebogens per Mail an 17 identifizierte Dienste sowie von MA-Fragebögen an sieben Dienste mit der Bitte um Rücksendung ausgefüllter Exemplare. Die Auswertung fand deskriptiv statt.

Ergebnisse: Neun (Rücklauf = 53%) PDL- und 97 (Rücklauf = 20%) MA-Fragebögen konnten ausgewertet werden. Die neun Dienste beschäftigten zum 31.12.2014 insgesamt 620 Mitarbeiterinnen (Varianz = 10 – 213; Mittel = 69). Sowohl in der PDL- als auch in der MA-Befragung waren 97% der Beschäftigten weiblich und 83% Teilzeitkräfte. Die Pflegedienste versorgten zusammen 271 Kinder und Jugendliche (8 - 79; Mittel = 30), 164 (61%) davon mit > 4 Stunden täglich. Die Entfernung zwischen Pflegedienst und Patientenwohnort lag im Schnitt bei 72 km (21 - 121).

Alle neun Dienste gaben unbesetzte Stellen an, insgesamt fehlten 29 Vollzeitkräfte (Varianz = 1 - 10; Mittel = 3). Alle befragten Pflegedienste mussten im Jahr 2014 Versorgungen aufgrund von Personalmangel ausfallen lassen oder von vornherein ablehnen. Wenn Ausfall kompensiert werden konnte, geschah dies am häufigsten durch Überstunden verbleibender MA oder verringerte Versorgungszeiten. Zwei Versorgungen mussten vollständig gekündigt werden. Drei der befragten Pflegedienste führen Wartelisten für Versorgungen, die nicht innerhalb von 14 Tagen übernommen werden können. Zum Zeitpunkt der Befragung umfassten diese Listen insgesamt 21 Patienten, für deren Versorgung 27 Vollzeitkräfte benötigt wurden. Die Ablehnungen der sieben Pflegedienste, die dazu Angaben machten, summieren sich für 2014 auf 53 Versorgungen. Gründe für eine Ablehnung lagen meist in fehlendem (qualifizierten) Personal oder der Entfernung zwischen Patientenwohnort und Pflegedienst. Gründe für den Mangel an Pflegekräften sahen die Leitungen der Dienste vor allem in zu wenig verfügbaren Pflegekräften (9/9), mangelnder Qualifikation vorhandener Kräfte (6), zu hohen Gehaltsvorstellungen (6) und unzureichender Kinderbetreuung (6).

Von den insgesamt 80 befragten Teilzeitbeschäftigten können sich 27 (34%) eine Erhöhung ihres Arbeitsumfangs vorstellen. Als wichtigste Hinderungsgründe nannten diese 27 eine mangelnde Kinderbetreuung, zu geringe Verdienstmöglichkeit und familiäre Verpflichtungen. Tabelle 1 [Tab. 1].

Diskussion: Die Erkenntnisse der Erhebung bestätigen eine inadäquate häusliche pflegerische Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher in Niedersachsen. Besonders problematisch zeigen sich dabei die großen Entfernungen zwischen Patienten und Pflegediensten, eine mangelnde Qualifikation verfügbarer Pflegekräfte und fehlende freie Kräfte auf dem Arbeitsmarkt. Neu-Einstellungen oder die Aufstockung von Teilzeitkräften scheitern häufig an mangelnder Kinderbetreuung und zu geringer Verdienstmöglichkeiten.

Praktische Implikationen: Um den bestehenden Problemen zu begegnen, sind folgende Maßnahmen geplant:

  • Überbrückung großer Entfernungen, z.B. durch Kooperation mit Erwachsenenpflegediensten
  • Implementierung spezieller Schulungsangebote für (neue) Mitarbeiterinnen z.B. zu Heimbeatmung
  • Angebote der Kinderbetreuung

Auch eine bessere Entlohnung würde die häusliche Kinderkrankenpflege für Fachkräfte attraktiver machen.