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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Wer nimmt die Angebote von Krebsberatungsstellen in Anspruch und warum? Ergebnisse einer Befragung von Brustkrebspatientinnen

Meeting Abstract

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  • Thomas Hehlmann - Universität Bremen - Institut für Public Health und Pflegeforschung, Abteilung 6: Gesundheit und Gesellschaft, Bremen, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV097

doi: 10.3205/16dkvf112, urn:nbn:de:0183-16dkvf1125

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Hehlmann.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Fragestellung: Die Bremer Krebsgesellschaft (BKG) führte im Jahr 2003 ca. 2400 Beratungen durch. 80 Prozent der Beratungen wurden von Frauen nachgefragt. 43 Prozent hatten das Thema Brustkrebs zum Inhalt. Bereits seit dem Jahr 2000 konnte man für das Thema Kommunikationsqualität im Gesundheitswesen eine stetig steigende Aufmerksamkeit verzeichnen. Frauen mit Brustkrebs beklagten mit Blick auf die Arzt-Patientinnen-Kommunikation nicht nur Informationsdefizite, sondern auch die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehung. Das Thema sozioökonomischer Status spielte zu dem Zeitpunkt in Bezug auf die Arzt-Patientinnen-Kommunikation eine eher nebensächliche Rolle. Für die BKG stellte sich damals die Frage, in welchen soziodemographischen Merkmalen sich Frauen, die eine Beratung der BKG in Anspruch nehmen, überhaupt unterscheiden. Gefragt wurde auf danach, wie die Frauen, die zur Beratung kamen, die Qualität der Kommunikation mit sogenannten Health Professionals einschließlich den Beraterinnen bei der BKG beurteilen.

Methode: Mit einer Fragebogen-Querschnittstudie wurden 116 Frauen in vier Bremer Krankenhäusern etwa 4 Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus befragt. 33 Frauen waren nach dem Krankenhausaufenthalt zur Beratung bei der BKG. Als soziodemographischen Merkmale wurde das Einkommen, der Schulabschluss und das Alter erhoben. Die Qualitätsmerkmale für die Kommunikation wurden als Single-Items mit einer Skalierung von 1-5 erfasst und als Summenscore abgebildet (Cronbach’s alpha =.88). Die Single-Items bezogen sich auf den Umfang und den Nutzen der Informationen, Aspekten der Autonomie, der Einfühlsamkeit und den Bezug zur Lebenssituation der Frauen.

Ergebnisse: Beim Vergleich der Gruppe von Frauen, die eine Beratung bei der BKG in Anspruch genommen hatte, mit der Gruppe, die dies nicht tat, zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen einzelnen Aspekten der Qualität der Kommunikation (hier: nur die mit dem behandelnden Arzt) und der Inanspruchnahme einer Beratung. So sagte sowohl der Umfang der vom Arzt erhaltenen Informationen (OR 0.6; CI 0.37-0.98), die Einfühlsamkeit des Arztes (OR 0.45; CI 0.27-0.76), und der Bezug zur Lebenssituation der Frauen (OR 0.43; CI 0.26-0.71) die Inanspruchnahme einer Beratung bei der BKG voraus. Ein Trend zeichnete sich beim Vergleich beider Gruppen für den Nutzen der Informationen ab (OR 0.68; CI 0.45-1.07). Anders formuliert: je schlechter die Werte für die Kommunikationsqualität mit den behandelten Ärzten ausfiel, je eher wurde eine Inanspruchnahme der Beratung bei der BKG wahrscheinlich. Zudem zeigte sich, dass signifikant häufiger jüngere Frauen OR .96 (CI: .92-.99) und Frauen mit höherer Schulbildung OR 1.36 (CI: 1.07-1.73) die Beratung bei der BKG aufsuchen. Einer der Hauptgründe für die Inanspruchnahme der Beratung lag in dem Wunsch nach einen Gesprächspartner bzw. einer Gesprächspartnerin, der bzw. die ihnen mehr Informationen zur Erkrankung und Behandlung geben konnte.

Diskussionen sowie praktische Implikationen: Die Ergebnisse lassen sich in zwei unterschiedliche Themengebiete aufteilen. Zum einen bleibt nach wie vor ungeklärt, warum eher Frauen mit höherem sozioökonomischen Status (SES) diese Beratungseinrichtung aufsuchen und was Frauen mit niedrigerem Status davon abhält, dies zu tun. Zwei vergleichbare Untersuchungen der BKG bestätigten das Ergebnis sogar noch: auch die Besucherinnen des sogenannten „Krebsinformationstages“ (Bremer Patientenkongress) hatten überdurchschnittlich einen höheren SES. Das gleiche Ergebnis ergab ein Blick auf die soziodemographischen Daten der Kursteilnehmerinnen des Kursangebots „Jetzt Aktiv – Ernährung und Bewegung in der Krebsnachsorge“ der BKG. Die Frage ist vor allem deshalb nicht ganz unwesentlich, da zwar die Inzidenz für Brustkrebs weltweit einen höheren Wert für Frauen mit höherem SES verzeichnet, die Mortalität aber für Frauen mit niedrigem SES höher ist. Unter Umständen vergrößert ein gut gemeintes Aufklärungs- und Beratungsangebot letztendlich die bereits bestehenden Unterschiede im krankheitsbezogenen Wissen zu Frauen mit niedrigem SES (Knowledge-Gap-Hypothese).

Ein zweiter ungeklärter Bereich bleibt die Qualität der Arzt-Patientinnen-Kommunikation bei Brustkrebs. Zwar hat die zunehmende Diskussion um Themen wie Paternalismus, Empathie, Shared Decision Making und das SPIKES-Protokoll zur Übermittlung schlechter Nachrichten immerhin zu einem Einzug dieser Thematik in die S3-Leitlinie zur Behandlung von Brustkrebs geführt, dennoch fehlen Studien, die die Einhaltung dieser Qualitätskriterien auch mit Blick auf Patientinnen mit niedrigem SES untersuchen.