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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Vergleich der Performance ausgewählter Morbiditätsscores und des RSA Risikofaktors zur Vorhersage von Gesamtbehandlungskosten, Krankenhausfällen und Mortalität auf GKV Routinedaten

Meeting Abstract

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  • Steffen Heß - Health Risk Institute, Berlin, Deutschland
  • Josephine Jacob - Health Risk Institute, Berlin, Deutschland
  • Lennart Hickstein - Health Risk Institute, Berlin, Deutschland
  • Jochen Walker - Health Risk Institute, Berlin, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV52

doi: 10.3205/16dkvf107, urn:nbn:de:0183-16dkvf1075

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Heß et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Zur Messung der Morbidität von Patienten in Beobachtungsstudien werden häufig der Charlson Komorbiditätsindex (CCI), der updated Charlson Index (UCCI) und der Elixhauser Comorbidity Score (ECS) genutzt. Die Performance dieser Scores auf Routinedaten wurde bis jetzt fast ausschließlich auf nicht-europäischen Routinedaten getestet [1], [2], [3].

Der RSA Risikofaktor gibt an, wie stark die Morbidität eines Versicherten – gemessen an den Kriterien des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (morbiRSA) – von der GKV durchschnittlichen Morbidität abweicht [4].

Fragestellung: Inwiefern unterscheidet sich die Vorhersagegüte des Charlson Komorbiditätsindex (CCI), des updated Charlson Index (UCCI), des Elixhauser Comorbidity Score und der RSA Risikofaktor in Bezug auf Gesamtbehandlungskosten, Hospitalisierung und Mortalität in einem Zeitraum von einem Jahr?

Methode: Eine Forschungsdatenbank mit anonymisierten Routinedaten von ca. vier Millionen gesetzlich Versicherten, die in ihrer Alters- und Geschlechtszusammensetzung der deutschen Bevölkerung entspricht (Destatis Stand 31.12.2013), war die Grundlage für die von uns durchgeführte longitudinale Kohortenstudie. Analysiert wurden die Kalenderjahre 2013 und 2014, wobei das Jahr 2013 zur Bildung der Komorbiditätsscores und das Jahr 2014 zur Bildung der Endpunkte genutzt wurden. Die Studienpopulation bestand aus fast vier Millionen Versicherten, die in 2013 vollversichert waren und in 2014 vollversichert waren oder verstorben sind. Um den Zusatznutzen der Scores zur Vorhersage der Endpunkte Gesamtbehandlungskosten (kontinuierlich), Hospitalisierung (binär) und Mortalität (binär) zu bestimmen, wurde mittels multivariater Regressionsmodelle für Geschlecht und Alter adjustiert.

Ergebnisse: Die Aussagekraft der betrachteten Scores ist stark von der Zielgröße abhängig. Für 2014 ist der MRSA-Risikofaktor der beste Prädiktor für Gesamtleistungskosten (beste AIC/Likelihood unter allen Modellen mit Alter und Geschlecht und dem jeweiligen Score). Die Mortalität wurde besser durch den CCI in seiner ursprünglichen als auch in seiner aktualisierten Form erklärt (AUCCCI=0,929; C.I.:0.927-0,932 und AUCUCCI=0,931; C.I.: 0,928-0,933) (Abbildung 1 [Abb. 1]). Der beste erklärende Score für Hospitalisierung im Folgejahr war wieder der MRSA-Risikofaktor (AUC=0,684; C.I.: 0,682-0,685).

Diskussion: Die etablierten Scores sind ursprünglich für einen anderen Kontext entwickelt worden und werden jetzt in Beobachtungsstudien kontextfremd eingesetzt (z.B. als Kovariaten zur Bildung strukturgleicher Vergleichsgruppen mit anderen Zielparametern als primäre Endpunkte). Folgerichtig zeigten die Scores zwar eine gute Performance bei den Zielvariablen für die Sie ursprünglich entwickelt wurden – schnitten aber bei anderen Zielvariablen schlechter ab. So waren der CCI, UCCI und Elixhauser Morbiditätsscore gute Prädiktoren für Mortalität im Folgejahr, wohingegen der MRSA-Risikofaktor Krankenhauseinweisungen und Gesamtleistungskosten besser vorhergesagt hat.

Die international verwendeten CCI, UCCI und Elixhauser Morbiditätsscores sind leicht zu implementieren und zu verstehen. Der Morbi RSA Risikoscore hingegen stellte sich als gute Ergänzung dar. Seine Komplexität führt jedoch zu einer erschwerten Berechnung und vor allem zu einer erschwerten Interpretation.

Praktische Implikationen: Eine möglichst gute Adjustierung für Komorbiditäten ist für die Durchführung von Beobachtungsstudien essentiell [5]. Gerade die etablierten Scores werden deshalb immer häufiger auch für Kontext-fremde Zielgrößen eingesetzt. Abhängig von der jeweiligen Zielgröße sollte die Verwendung des MRSA Risikoscores in Erwägung gezogen werden.

Um den Vorteil der einfachen Interpretierbarkeit der etablierten Scores auszugleichen wäre die Entwicklung vereinfachter Scores für gängige Zielgrößen von Evaluationen in der GKV, wie z.B. Krankenhauseinweisung und Leistungskosten, hilfreich.


Literatur

1.
Southern DA, Quan H, Ghali WA. Comparison of the Elixhauser and Charlson/Deyo methods of comorbidity measurement in administrative data. Med Care. 2004 Apr;42(4):355-60.
2.
Chu YT, Ng YY, Wu SC. Comparison of different comorbidity measures for use with administrative data in predicting short- and long-term mortality. BMC Health Serv Res. 2010 May 27;10:140. DOI: 10.1186/1472-6963-10-140 Externer Link
3.
Needham DM, Scales DC, Laupacis A, Pronovost PJ. A systematic review of the Charlson comorbidity index using Canadian administrative databases: a perspective on risk adjustment in critical care research. J Crit Care. 2005 Mar;20(1):12-9.
4.
Drösler S, Hasford J, Kurth BM, Schaefer M, Wasem J, Wille E. Evaluationsbericht zum Jahreausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich. BMG; 06/2011.
5.
Brookhart MA, Schneeweiss S, Rothman KJ, Glynn RJ, Avorn J, Stürmer T. Variable selection for propensity score models. Am J Epidemiol. 2006 Jun 15;163(12):1149-56.