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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Erfahrungen mit der Förderung von Betroffenen-Kontrollierten Forschungsprojekten im Bereich seelischer Gesundheitsforschung (Hamburger Projekt EmPeeRie2)

Meeting Abstract

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  • Elena Demke - UKE Hamburg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg, Deutschland
  • Thomas Bock - UKE, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV060

doi: 10.3205/16dkvf100, urn:nbn:de:0183-16dkvf1003

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Demke et al.
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Gliederung

Text

Die besondere Stärke von Peer-Research ist die Nutzung von Erfahrungsexpertise. Diese prägt nicht nur spezifische Fragestellungen, sondern impliziert auch bestimmte Prioritätensetzungen bei der konkreten Vorgehensweise, etwa hinsichtlich der Wahl von Methoden, ethischer Abwägungen, der Gestaltung des Kontakts zu ForschungsteilnehmerInnen u.a. Im englischen Gesundheitssystem sowie in der englischen Forschungsförderung genießt dieser Forschungsbereich inzwischen eine relativ große Akzeptanz. So finden sich dort spezifische Förderprogramme und Netzwerke im Rahmen des National Health Service (NHS). Zu verweisen wäre etwa auf Projekte des Institut fürs Psychiatrie des Kings' College London (Service User Research Enterprise SURE) oder auch auf das Service User Research Forum (SURF). Durch Publikationen, Vorträge und politisches Engagement bekannt wurden z.B. Diana Rose, Alison Faulkner, Angela Sweeny und Janet Wallcraft. Ausserdem haben Peer-Forscherinnen und -forscher in England durch die breite politische Unterstützung mehr Einfluss auch auf die allgemeine Forschungsplanung, Betroffene einzubeziehen ist vielfach Voraussetzung, um Forschungsförderung zu beantragen.

EmPeeRie hat das ehrgeizige Ziel, neben der nutzerorientierten Wissenschaftsberatung mindestens zehn nutzerkontrollierte Forschungsprojekte vorzubereiten, trialogisch auszuwählen, zu coachen und ihre erfolgreiche Durchführung zu garantieren. Ziel ist, einen eigenständigen Nutzerkontrollierten Forschungsbereich langfristig zu etablieren. Der bisherige Vorbereitungs- und Auswahlprozess sowie die sich abzeichnenden inhaltlichen thematischen Schwerpunkte werden dargestellt und ein erstes Resümee wird gezogen.

Abschließend wird von den Bemühungen berichtet, den Prozess durch eine öffentliche Vorlesung publik zu machen und zu begleiten. Konzeption und Organisation der Ringvorlesung liegt in den Händen Psychiatrie-Erfahrener. Sie läuft über zwei Semester, wobei das erste Semester verschiedene Beispiele und theoretische Überlegungen zur Bedeutung von Erfahrungswissen in verschiedenen Wissenschaftsbereichen zur Diskussion stellt und das Folgesemester den Schwerpunkt auf den Bereich der Psychiatrie legt. Die von EmPeeRie aufgelegte Vorlesungsreihe „Nothing about us without us – in wissenschaftlichen Diskursen" verdeutlicht somit das wissenschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Potential von Erfahrungs-Expertise in der Forschung – außerhalb und innerhalb der Psychiatrie.

Auf mehreren Ebenen trägt EmPeeRie dazu bei, dass Betroffene und Angehörige nicht nur als Objekte, sondern als Subjekte von Forschung agieren. Durch Inhalt und Form wirkt EmPeeRie dem Risiko der Stereotypisierung und Stigmatisierung in der Forschung, ergo im Zentrum der wissenschaftlichen Meinungsbildung, entgegen – mit der Chance auf mehr Subjektorientierung und Realitätsnähe sowie perspektivisch komplexere Forschungsstrategien.

Das Projekt wurde möglich durch die Hamburgische Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur und durch Eigenmittel der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg. Die regelhafte Etablierung der Nutzer-Orientierten Wissenschaftsberatung (EmPeeRie N.O.W.) gehört zu den vereinbarten Projektzielen. Ebenso soll die Förderung von nutzerkontrollierten Forschungsprojekten verstetigt werden. Verallgemeinernd werden auf der Basis des Projektberichts Chancen und Herausforderungen der Förderung betroffenen-kontrollierter Forschung im Bereich seelische Gesundheit und der einschlägigen Versorgungsangebote in Deutschland diskutiert.

Contributed equally: E. Demke, T. Bock