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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Die Zusammenarbeit mit Versorgungsforschern aus Sicht eines Forschungspartners aus der Selbsthilfe

Meeting Abstract

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  • P. Böhm - Berlin, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV056

doi: 10.3205/16dkvf096, urn:nbn:de:0183-16dkvf0961

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Böhm.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die direkte Einbeziehung von Patienten in die Forschung ist ein wichtiges Anliegen der Patientenorganisationen für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen. Auf der europäischen Ebene der Rheuma-Selbsthilfeorganisationen (PARE = People with Arthritis/Rheumatism in Europe) gibt es Projekte solcherart bereits seit 2010, in Deutschland hat der BV der Deutschen Rheuma-Liga 2014 mit der Schulung interessierter Patientinnen und Patienten („Forschungspartner/innen") im Herbst 2014 begonnen. Im o. g. Forschungsprojekt zur „Entwicklung und Evaluation einer Intervention zur Vermittlung kommunikativer Kompetenzen für rheumakranke Menschen auf der Basis einer Analyse kommunikationsbezogener Faktoren der sozialen Teilhabe", das vom Bundesverband der Deutschen Rheuma-Liga gefördert wird, werden seit Januar 2015 erstmals in Deutschland zwei dieser geschulten Patient/innen eingesetzt, hinzu kommen zwei Rheumapatientinnen aus der Freiburger Rheuma-Liga, die über große Erfahrung mit Patientenschulungskursen in der Rheumatologie verfügen. Durch die Mitwirkung von vier Betroffenen als partizipative Forscher/innen ist innerhalb der Forschergruppe auch personell das Verhältnis zwischen den professionellen Forscher/innen und den beteiligten Patient/innen nahezu ausgeglichen.

Bisherige Erfahrungen: Seit dem Beginn dem Projektstart im Januar 2015 waren die Forschungspartner/innen folgendermaßen am Projekt beteiligt:

  • Teilnahme an den gemeinsamen Arbeitstreffen aller Forschungsbeteiligten im Januar, Juli und November 2015,
  • Mitgestaltung der Teilnehmerinformationen für eine Online-Befragung,
  • Mitarbeit an der Gestaltung der Online-Befragung (incl. Testen des Fragebogens),
  • Weitergabe der Informationen über die Online-Befragung an interessierte Patienten,
  • Mitgestaltung des auf Grundlage der Befragungsergebnisse erstellten Schulungsmanuals und der Informationsflyer für potentielle Schulungsleiter und zu schulende Selbsthilfegruppen
  • Vorbereitung und Durchführung von Probeschulungen
  • Organisation und Durchführung von Evaluationsschulungen

Bewertung: Die Deutsche Rheuma-Liga definiert die Tätigkeit der Forschungspartner folgendermaßen: „Der Patient (mit seiner rheumatischen Erkrankung) handelt als aktives Mitglied des Forscherteams mit denselben Rechten wie die professionellen Forscher und bringt sein Erfahrungswissen in alle Projektphasen ein". Nach dem Eindruck des Verfassers ist dies bisher im beschriebenen Forschungsprojekt in allen Punkten gegeben. Die Meinungen der beteiligten Patient/innen werden von den „Profis" ernstgenommen, Vorschläge werden aufgegriffen und umgesetzt, die Patient/innen können sich mit ihren Erfahrungen erfolgreich in das Projekt einbringen. Auch ist der Prozess bislang transparent: die meisten der wesentlichen Informationen werden zeitnah an alle Projektbeteiligten weitergegeben und untereinander kommuniziert. Natürlich kann es keine vollständige Gleichheit im aller Beteiligten geben. Der Anteil der Arbeit der professionellen Forscher/innen im Forschungsprojekt ist deutlich größer als der der Forschungspartner/innen, dafür leisten diese ihre Arbeit unbezahlt und während ihrer Freizeit, entsprechend dem Selbstverständnis der Arbeit in einer Selbsthilfeorganisation.

Diskussion: Partizipative Forschung ist sinnvoll, denn Patient/innen können ihre Erfahrungen als „Experten ihrer eigenen Erkrankung" einbringen und sind durch ihre Situation motiviert. Zudem ist die Mitbeteiligung von Betroffenen (Bürger-, Konsumenten-, Patientenbeteiligung) Bestandteil demokratischer Gesellschaften und die Partizipation von Patient/innen erhöht die Legitimation von Forschungsprojekten. Das gemeinsame Forschungsprojekt der MLU Halle-Wittenberg und des Universitätsklinikums Freiburg ist ein gutes Beispiel für erfolgreiches Teamwork zwischen Forschern und Patient/innen und sollte zur Durchführung weiterer partizipativer Forschungsvorhaben ermutigen.