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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Selbstmanagementkurse für chronisch Kranke – Einschätzung des Nutzens der INSEA – Selbstmanagementkurse "Gesund und aktiv leben" aus Sicht der Teilnehmenden

Meeting Abstract

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  • Gabriele Seidel - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • Marius Haack - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • Maren Kreinhacke - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • Marie-Luise Dierks - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV64

doi: 10.3205/16dkvf082, urn:nbn:de:0183-16dkvf0825

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Seidel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Um die Lebensqualität chronisch Erkrankter zu verbessern und ihre gesundheitlichen Ressourcen zu stärken, haben die Medizinische Hochschule Hannover, die BARMER GEK, die Robert Bosch Stiftung und das EVIVO Netzwerk (Schweiz) Anfang 2015 die Initiative für Selbstmanagement und aktives Leben (INSEA) gegründet. Herzstück der Initiative sind die evidenzbasierten, indikationsübergreifenden Selbstmanagementkurse „Gesund und aktiv leben“, die an der Universität Stanford (USA) im „Chronic Disease Self-Management Program“ (CDSMP) entwickelt und manualisiert sowie von der Careum Stiftung (Schweiz) ins Deutsche übersetzt wurden. In den Kursen treffen sich chronisch Erkrankte und/oder Angehörige über 6 Wochen 1x wöchentlich für 2,5 Stunden, um Wege und Methoden („Werkzeuge zum Selbstmanagement“) zum aktiven Umgang mit ihrer Erkrankung kennenzulernen und zu erproben. Geleitet werden die Kurse von zwei ausgebildeten Kursleitungen, von denen mindestens eine Person selbst chronisch erkrankt ist (Peer-Ansatz). Genuine Praxispartner, bei denen die Kurse seit Anfang 2015 regional angeboten werden, sind die Patientenuniversität an der Medizinischen Hochschule Hannover und die Selbsthilfekoordination Bayern e.V.

Fragestellung: Wie beurteilen die Teilnehmer den Nutzen der Kurse? Lassen sich im Zeitverlauf Wirkungen auf den Umgang mit der Erkrankung und das Empowerment der Betroffenen zeigen?

Methode: Die Evaluation erfolgt auf Basis halbstandardisierter Selbstbewertungsfragebögen zu drei Zeitpunkten; vor Beginn des Kurses, direkt nach dem Kurs sowie 6 Monate nach Abschluss des Kurses. Das Erhebungsinstrument basiert auf bereits in der Evaluation der CDSMP-Kurse genutzten Skalen, die um zusätzliche Frageblöcke wie den Health Education Impact Questionnaire (heiQ) erweitert wurden. So werden u.a. die soziodemografischen Daten der Teilnehmenden, ihr subjektiver Gesundheitszustand, Gesundheitskompetenz und -verhalten, Selbstwirksamkeit und die Zufriedenheit mit den INSEA-Kursen erfasst. Die Auswertung erfolgt mit dem Softwareprogramm SPSS.

Ergebnisse: Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 17 INSEA-Kurse durchgeführt, in die insgesamt 221 Teilnehmende integriert werden konnten. Aus dem Pool der Teilnehmenden beteiligten sich 176 (79,2%) Personen an der Evaluation zu den ersten beiden Messzeitpunkten (78,7% weiblich; mittleres Alter: 59,6 Jahre; Altersspanne: 24-80). Die drei häufigsten chronischen Erkrankungen der Teilnehmenden sind Erkrankungen des Bewegungsapparates (54,0%), psychische Erkrankungen (32,4%) und Diabetes (22,0%). Über 60% der Teilnehmer sind von mehr als einer chronischen Erkrankung betroffen. In den Daten zeichnen sich leichte Verbesserungen beim subjektiven Gesundheitszustand der Teilnehmenden, in ihrer Selbstwirksamkeit sowie eine Verminderung krankheitsbedingter Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens ab. Außerdem konnten leichte Verbesserungen der Gesundheitskompetenz und Selbstmanagementfähigkeiten festgestellt werden. Die meisten Teilnehmenden haben im Kurs gelernt, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen (77,9%), Fragen in Gesprächen mit Ärzten besser zu formulieren (71,7%) und was sie selbst für ihre Gesundheit tun können (91,2%). Sie bewerten die Kurse im Durchschnitt mit einer Schulnote von 1,7 und würden das Programm weiterempfehlen (97,7%).

Diskussion: Erste Ergebnisse entsprechen den international dokumentierten Effekten der CDSMP-Kurse. Sie deuten darauf hin, dass die „Selbstmanagementwerkzeuge“, die die Teilnehmenden im Kurs einüben und in ihrem Alltag umsetzen, zur Stärkung der Selbstwirksamkeit der Personen beitragen. Zum Vortragszeitpunkt werden Evaluationsdaten weiterer Kurse und des dritten Messzeitpunktes vorliegen. Sie werden erste Aussagen über die Nachhaltigkeit des Programmes in Deutschland zulassen. Weitere Subgruppenanalysen werden außerdem zeigen, ob und wie bestimmte Gruppen von Teilnehmenden besonders profitieren.

Praktische Implikation: Die INSEA-Kurse sind als Ergänzung zur medizinischen und therapeutischen Versorgung gedacht. Sie werden fortlaufend angeboten, ebenfalls fortlaufend werden ehrenamtliche Kursleitungen rekrutiert und ausgebildet, was die weitere Dissemination des Programms ermöglicht und vorantreibt. Gleichzeitig werden neue Praxispartner aktiv rekrutiert. Ziel hierbei ist es, unterschiedliche Institutionen mit ihrem spezifischen Hintergrund und den damit verbundenen unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten zu potentiellen Kursteilnehmern zu integrieren, damit vor Ort weitere Kurse angeboten werden können. Für 2016 sind bisher 35 Kurse terminiert, die Angebote werden sukzessive erweitert.