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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Qualität und Güte in der Partizipativen Forschung mit Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung

Meeting Abstract

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  • Mandy Hauser - Universität Leipzig, Institut für Förderpädagogik- Kompetenzbereich Geistige Entwicklung, Leipzig, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV36

doi: 10.3205/16dkvf079, urn:nbn:de:0183-16dkvf0799

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Hauser.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Qualität des gemeinsamen Forschens mit Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung (im Folgenden sgB) im Rahmen partizipativer Forschungsansätze wird aktuell mehrperspektivisch diskutiert: Aus dem akademischen Sektor wird bspw. die wissenschaftliche Qualität von Studien, die nicht nur über sondern explizit mit den Betreffenden arbeiten, u.a. mit der Begründung mangelnder Objektivität und dem Verweis auf die notwendigen kognitiven Kompetenzen in Frage gestellt (Goeke & Kubanski, 2012). Partizipativ arbeitende Forschende und Co-Forschende hinterfragen dagegen den rein akademischen Zugang zum Qualitätsbegriff und fordern die Neu-Formulierung der geltenden Qualitätskriterien unter Berücksichtigung der Spezifität des Ansatzes Partizipativer Forschung (Bergold & Thomas, 2012). An diese Forderung anknüpfend untersucht die hier vorgestellte qualitative Studie interperspektivisch die aktuellen Diskussionen und Sichtweisen zur Qualität des gemeinsamen Forschens mit Menschen mit sgB, um anschließend Kriterien ethischer und wissenschaftlicher Qualität Partizipativer Forschung formulieren zu können.

Fragestellung: Aus diesem Anliegen resultiert folgende Fragestellung: Welche Kriterien und Richtlinien sind notwendig, um die ethische und wissenschaftliche Qualität des gemeinsamen Forschens mit Menschen mit sgB abzusichern?

Methode: Die Beantwortung der Fragestellung ist durch eine zweischrittige qualitative Analyse verschiedener Informationsquellen gekennzeichnet. Dieses Vorgehen dient dazu, dem Anspruch der Arbeit, einen interperspektivischen Blick auf die Qualität Partizipativer Forschung zu werfen, gerecht zu werden. Im ersten Schritt wurden aktuelle, internationale, themenspezifische Publikationen zum Themenkomplex Partizipative Forschung recherchiert, unter Beachtung vorab theoriegeleitet festgelegter Kriterien ausgewählt und durch die Methode der qualitativen Dokumentenanalyse und mit Hilfe des Computerprogramms MAXQDA ausgewertet. Aus der Dokumentenanalyse ergab sich ein verzweigtes Kategoriensystem, welches erste Hinweise auf mögliche Qualitätskriterien Partizipativer Forschung geben konnte. Im zweiten Schritt wurden über problemzentrierte, leitfadengestützte Interviews erfahrungsbasierte, subjektive Sichtweisen von Forschenden mit und ohne sgB aus partizipativen Forschungssettings gewonnen. Die Interviews wurden bewusst an die zweite Stelle der Informationsgewinnung eingesetzt, weil sie die gewonnen Erkenntnisse aus der Dokumentenanalyse durch persönliche Sichtweisen und Erfahrungen ergänzen können und gegebenenfalls eine Schwerpunktsetzung in der Formulierung der Qualitätskriterien erfolgen kann. In diesem Sinne orientierte sich auch die inhaltliche Vorbereitung der Interviews an diesen ersten Analyseergebnissen. Der Auswertung der Interviews wurde das Kategoriensystem aus der Dokumentenanalyse vorangestellt und es wurden deduktiv Textstellen zu den bereits vorhandenen Kategorien zugeordnet. Gleichsam wurden induktiv neue Kategorien und Subkategorien gebildet, falls sich Textstellen bzw. Aussagen in keine der vorhandenen Kategorien einordnen lassen.

Ergebnisse: Als Ergebnis der Studie konnten aus dem verzweigten Kategoriensystem 50 Kategorien herausgearbeitet werden, die als Qualitätsmerkmale bzw. -kriterien für eine wissenschaftlich und ethisch hochwertige Partizipative Forschung mit Menschen mit sgB gelten können. Zur inhaltlichen Strukturierung wurden die erhobenen Qualitätskriterien auf vier Qualitätsbereiche aufgeteilt:

  • Kriterien zu den grundlegenden Werten Partizipativer Forschung
  • Kriterien zur Gestaltung des Forschungsprozesses
  • Kriterien zur Zusammenarbeit der Teilnehmenden im Forschungsprozess
  • Kriterien zur Wirkung und Bewertung der Ergebnisse Partizipativer Forschung

Im Rahmen des geplanten Vortrags soll eine Reihe der Qualitätsmerkmale aufgezeigt und besprochen werden.

Diskussion und praktische Implikationen: Die Einhaltung von Qualitätsmerkmalen spielt für jede Form wissenschaftlichen Arbeitens eine entscheidende Rolle- so auch in der Partizipativen Forschung mit Menschen mit sgB. Durch die besonderen Voraussetzungen, die Forschende ohne akademische Vorbildung (und so auch Menschen mit sgB) in den Forschungsprozess einbringen, ist die Frage der Qualität für das gemeinsame Forschen in besonderem Maße zu stellen. Die „klassischen“ Gütekriterien von Forschung, wie Validität, Reliabilität und Objektivität erfahren, so die Erkenntnisse der dargestellten Studie, in der Partizipativen Forschung mit Menschen mit sgB nur bedingt Anwendung und werden im eingereichten Vortrag entsprechend hinterfragt, reformuliert und erweitert. Damit soll der Vortrag unter Berücksichtigung forschungstheoretischer und forschungspraktischer Perspektiven einen Beitrag zum besseren Verständnis des Qualitätsbegriffs im gemeinsamen Forschen mit Menschen mit sgB leisten.