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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Persönliche, elektronische Patientenakte – Nutzen schaffen mit System(en)

Meeting Abstract

  • Aline Kunz - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Sabrina Pohlmann - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Antje Brandner - Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Informations- und Medizintechnik, Heidelberg, Deutschland
  • Helene Hofmann - Universitätsklinikum Heidelberg, Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen, Heidelberg, Deutschland
  • Joachim Szecsenyi - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Dominik Ose - Universitätsklinikum Heidelberg, Abt. Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV063

doi: 10.3205/16dkvf063, urn:nbn:de:0183-16dkvf0639

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Kunz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit der Verabschiedung des eHealth-Gesetzes wurde der Weg für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens weiter geebnet. Damit verbunden sind verschiedene Bestrebungen, die intersektorale Vernetzung auszubauen und auch Patienten stärker in den Versorgungsprozess mit einzubeziehen [1]. In anderen Ländern wird in diesem Zusammenhang bereits seit einiger Zeit das Konzept elektronischer Patientenakten verfolgt [2], [3]. Im Rahmen des hier vorgestellten Forschungsprojektes wird die Entwicklung einer persönlichen, einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakte (PEPA) vorangetrieben [4], [5] und eine Testimplementierung im realen Versorgungsgeschehen vorbereitet. Damit ist das Ziel verbunden, Beförderer und Herausforderungen der Implementierung einer PEPA in der Versorgung von Patienten mit gastrointestinalen Tumorerkrankungen aufzudecken und mögliche Herangehensweisen für eine gelingende Implementierung zu entwickeln.

Fragestellung: In der aktuellen Projektphase sollen Anforderungen an die Implementierung des Prototyps in den Versorgungsalltag betrachtet werden. Dabei steht die folgende Fragestellung im Fokus: Welche Faktoren bestärken potentielle zukünftige Nutzer darin eine PEPA zu nutzen und welche Faktoren behindern eine erfolgreiche Implementierung?

Methode:

Usability Tests und Interviews: Im Rahmen eines Usability Tests hatten Krebspatienten (n=11), Patientenangehörige (n=8) sowie Leistungserbringer (n=23) die Möglichkeit, den Prototypen der PEPA anhand von realitätsnahen Testaufgaben kennenzulernen: Während der Bearbeitung der Aufgaben werden die Nutzer beobachtet und darum gebeten, laut auszusprechen, worüber sie bei den einzelnen Schritten nachdenken („think-aloud“). Direkt im Anschluss wurden alle teilnehmenden Testnutzer interviewt, um ihre Eindrücke während der Testnutzung detaillierter zu hinterfragen.

Experteninterviews: In Ergänzung zu der Usability Testung wurden Experteninterviews mit Vertretern relevanter Organisationen des deutschen Gesundheitssystems sowie mit Fachexperten aus den Bereichen IT, Telematik und eHealth geführt (n=11).

Im Vorfeld des Interviews wurden die Experten über das aktuelle Forschungsprojekt sowie das PEPA-Konzept informiert und anschließend anhand eines teilstandardisierten Interviewleitfadens befragt.

Datenauswertung: Die Mitschriften der teilnehmenden Beobachtungen wurden bereinigt, kodiert und mit qualitativen Methoden entsprechend der Fragestellung analysiert. Alle Interviews wurden digital aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Die Grundeinstellung zum Nutzen elektronischer Patientenakten variiert zwischen den befragten Teilnehmergruppen. Während Patienten und Angehörige den Nutzen einer Akte sehr hoch einschätzten, war die diesbezügliche Meinung der Leistungserbringer über die verschiedenen Berufsgruppen ambivalent. Ferner sehen die Befragtengruppen die Barrieren für eine erfolgreiche Implementierung häufig darin, dass die jeweils anderen Beteiligten die Akte wohl nicht akzeptieren und somit auch nicht nutzen würden. So betonten Patienten beispielsweise die Notwendigkeit, die beteiligten Ärzte umfassend über die für sie resultierenden Vorteile zu informieren. Umgekehrt unterstrichen einige der befragten Ärzte die Schulungs- und Aufklärungsnotwendigkeit seitens der Patienten.

Diskussion: Um eine erfolgreiche Implementierung von elektronischen Patientenakten zu ermöglichen, reicht es nicht aus, ein System zu entwickeln, das bedienerfreundlich und intuitiv gestaltet ist. Vielmehr müssen die künftigen Nutzer möglichst früh mit einbezogen werden und der Mehrwert, den eine solche Akte für die Nutzer mit sich bringt, anhand praktischer Beispiele erfahrbar gemacht werden.

Praktische Implikationen: Für den vorliegenden Projektkontext ergibt sich aus den bisherigen Erkenntnissen ein noch stärkerer Fokus auf die Themen „Ersteinrichtung der Akte“ und „Schulung“. Nur wenn die potentiellen Nutzer genau wissen, was auf sie zukommt und wie sie die neue Technik bestmöglich einsetzen können, kann eine flächendeckende und nachhaltige Einführung der PEPA gelingen.

Contributed equally: S. Pohlmann


Literatur

1.
Komura K, et al. Patient-perceived usefulness and practical obstacles of patient-held records for cancer patients in Japan: OPTIM study. Palliat Med. 2013 Feb;27(2):179-84.
2.
Pearce C, Bainbridge M. A personally controlled health record for Australia. JAMIA. 2014;21(4):707-13.
3.
Pfeiffer KP. Ist-Zustand und Perspektive von e-Health in Österreich und International - ein Überblick. Wien Med Wochenschr. 2011;161(13-14):334-40.
4.
Baudendistel I, et al. Personal electronic health records: understanding user requirements and needs in chronic cancer care. J Med Internet Res. 2015 May 21;17(5):e121.
5.
Baudendistel I, et al. The patients active role in managing a personal electronic health record: a qualitative analysis. Support Care Cancer. 2015 Sep;23(9):2613-21.