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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Verstehen Laien Qualitätskonzepte der gesetzlichen Qualitätssicherung? Das Beispiel risikoadjustierte Mortalität

Meeting Abstract

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  • Uwe Sander - Hochschule Hannover, AG Public Reporting, Hannover, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV08

doi: 10.3205/16dkvf060, urn:nbn:de:0183-16dkvf0604

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Sander.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Wirkung von Qualitätstransparenz von Leistungserbringern zur Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen (Public Reporting) wird durch die eingeschränkte Verständlichkeit von Krankenhausvergleichsportalen vermindert. In zahlreichen Studien wurde dies festgestellt festgestellt (Emmert et al. 2014), (Hibbard et al. 2001), (Peters et al. 2007),(Geraedts et al. 2012), (Hibbard et al. 2010; Hibbard et al. 2005; Sander et al. 2015). Während der Einfluss von Faktoren wie die grafische Präsentation von Risikoinformation, die Lesbarkeit von Texten oder soziodemographische Eigenschaften von Nutzern auf die Verständlichkeit bereits in einigen Studien untersucht wurden, gibt es bislang wenig Informationen darüber, ob Laien die Konzepte hinter den Qualitätsvergleichen verstehen und ob dies einen Einfluss auf die Krankenhauswahl hat.

Fragestellung: Ziel dieser Studie war es, zu prüfen, inwieweit potentielle Nutzer von Krankenhausvergleichsportalen grundlegende Begriffe und Konzepte zur risikoadjustierten Todesrate (RAM) verstehen. Zudem sollte der Zusammenhang des Verständnisses mit den Wahlentscheidungen im Rahmen einer experimentellen Krankenhauswahl untersucht werden.

Daraus ergaben sich die folgenden Hypothesen:

1.
Das Verstehen der unter dem Begriff risikoadjustierten Mortalität zugrunde liegenden Konzepte ist bei den Probanden unterschiedlich groß.
2.
Dieses Verstehen korreliert mit der Auswahl einer Klinik im Rahmen einer experimentellen Krankenhauswahlentscheidung.

Methode: Es wurde ein Instrument mit 20 Items zur Überprüfung des Verständnisses von Konzepten zur risikoadjustierten Todesrate entwickelt. Anschließend wurden zwei Online-Präsentation der risikoadjustierten Todesrate für fünf Krankenhäuser als Krankenhaus-Vergleichsportal entwickelt. Im Rahmen einer Online-Befragung wurde das Verständnis von 353 Probanden zur risikoadjustierten Mortalität sowie zum experimentellen Krankenhauswahlverhalten untersucht und statistisch ausgewertet (SPSS Version 21).

Ergebnisse: Die Verständlichkeit von 20 Items (Konzepte zur risikoadjustierten, tatsächlichem und erwarteten Todesrate sowie zum Referenzbereich und Bundesdurchschnitt) wurden geprüft. Die Verständlichkeit lag im Durchschnitt bei 60,9% (Min: 14,2 %; Max: 86,1; SD 21,43). So stimmten beispielsweise nur jeder siebte Befragte der Aussage zu, dass die risikoadjustierte Todesrate bei Krankenhäusern mit vielen Risiko-Patienten in der Regel genauso hoch ist wie bei Häusern mit wenigen Risiko-Patienten (14,2%). Nur jeder Vierte der Meinung, dass ein Referenzbereich für einen Qualitätsindikator für alle deutschen Krankenhäuser gleich ist (22,4%). Für 13 Begriffe wurde ein signifikanter Zusammenhang mit der Auswahl einer Klinik mit der niedrigsten RAM festgestellt. Beispiel: „Die Erwartete Todesrate zeigt an, wieviel Sterbefälle bei den behandelten Patienten einer Klinik zu erwarten sind.“ 88,4 % der Probanden, welche dies als richtiges Konzept verstanden hatten, wählten die Klinik mit der niedrigsten RAM im Gegensatz zu nur 62,4 % der nicht zustimmenden Probanden (p < 0,001, Phi-Koeffizient für Zusammenhangsstärke 0,299).

Diskussion: Unserer Kenntnis nach ist dies die erste Studie, welche einen Zusammenhang des Konzeptverständnisses der RAM mit der Wahlentscheidung für ein Krankenhaus mit einer besseren RAM untersuchte. Die Verständlichkeit von Qualitätsindikatoren und deren dahinterliegende Qualitätskonzepten und konnten als weitere Faktoren charakterisiert werden, die mit Wahlentscheidungen von Laien für oder gegen Krankenhäuser zusammenhängen können. Die Qualitätssicherung in Deutschland setzt zunehmend auf die Darstellung risikoadjustierter Ergebnisindikatoren. Insofern können die Ergebnisse eine evidenzbasierte Grundlage für ihr Informationsangebot bieten.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse können Hinweise für die Konzeption und Umsetzung von Krankenhausvergleichsportalen liefern, um diese patientenverständlicher zu gestalten. Portalanbieter bekommen durch die Ergebnisse konkrete Einblicke, welche Schwierigkeiten ihre Nutzer haben, die komplexen Qualitätskonzepte hinter den dargestellten Qualitätsindikatoren zum Ergebnis medizinischer Behandlungen richtig einschätzen zu können. Zudem können sie Informationen identifizieren, welche möglicherweise nur für eine Minderheit ihrer Nutzer verständlich sein werden. Daraus können Entscheidungen resultieren, solche Konzepte gegebenenfalls entweder nicht zu thematisieren oder sie besonders ausführlich - etwa mit Beispielen oder visuellen Unterstützungen - zu erläutern. Portalanbieter können zusätzlich Items identifizieren, welche im Zusammenhang damit stehen, dass Probanden eine bessere Krankenhauswahl treffen.