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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Was kann Pay-for-Performance für die deutschen Krankenhäuser bedeuten? Eine Simulation mit Routinedaten

Meeting Abstract

  • Jürgen Stausberg - Institut für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Thomas Jungen - Arbeitsgemeinschaft katholischer Krankenhäuser Saarland, Caritasverband für die Diözese Trier e.V., Trier, Deutschland
  • Guido Lerzynski - Heilig Geist-Krankenhaus, Köln, Deutschland
  • Bernadette Rümmelin - Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V. (KKVD), Berlin, Deutschland
  • Christoph Scheu - Klinikum St. Elisabeth Straubing, Straubing, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV04

doi: 10.3205/16dkvf056, urn:nbn:de:0183-16dkvf0565

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Stausberg et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Der Gesetzgeber hat mit dem Krankenhausstrukturgesetz - KHSG vom 10.12.2015 eine qualitätsabhängige Vergütung für den stationären Bereich in § 136b Sozialgesetzbuch V (SGB V) festgeschrieben. Dies nimmt einen internationalen Trend zu Pay-for-Performance-Systemen (P4P-Systemen) auf, obwohl sich für Deutschland über die letzten 10 Jahren eine kontinuierliche Verbesserung der Versorgungsqualität bei stationären Leistungen gezeigt hat. Auch fehlt der wissenschaftliche Nachweis für die Wirksamkeit eines P4P. Dennoch stehen Krankenhäuser und Krankenhausträger nun vor den Herausforderungen, sich frühzeitig mit möglichen Ausgestaltungen eines solchen Systems auseinanderzusetzen, Effekte auf die Krankenhausvergütung zu antizipieren und ggf. Maßnahmen zur geeigneten Positionierung in Bezug auf ein P4P-System einzuleiten.

Fragestellung: Jenseits von Eckdaten aus internationalen Ansätzen fehlen für Deutschland empirische Erkenntnisse, wie sich mögliche Ausgestaltungen eines P4P-Systems auf die Vergütung bei Krankenhausgruppen, Krankenhäusern, Leistungsbereichen und Leistungen auswirken. Ziel der Untersuchung war daher, entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen sowie mögliche Schwachstellen auf Systemebene zu identifizieren. Ausdrücklich nicht Gegenstand der Untersuchung war es, die bekannten Gründe gegen ein P4P-System zu adressieren, das Fehlen a) eines zuverlässigen und richtigen Verfahrens der Qualitätsmessung und Qualitätsbewertung sowie b) einer ökonomischen Intervention, die die Erreichung vorab definierter Qualitätsziele fördert.

Methode: Ausgehend von internationalen Ansätzen und Diskussionspunkten in Deutschland sowie den Möglichkeiten von Routinedaten wurden sieben Szenarien über eine Variation von Verfahren zur Qualitätsmessung, zur Qualitätsbewertung, zur Art der Intervention und zum Ausmaß der Intervention definiert. Über diese Szenarien wurden die Effekte eines P4P in einem Datenbestand von 40 Krankenhäusern mit rund 660.000 stationären Behandlungsfällen der Mitgliedschaft des Qualitätsindikatoren für Kirchliche Krankenhäuser - QKK e. V. simuliert. Im Vergleich zur bundesweiten Verteilung waren dabei Krankenhäuser mit mittlerer Bettenzahl überproportional vertreten. Sowohl zur Qualitätsmessung als auch zur Messung der ökonomischen Effekte wurden anonymisierte Routinedaten des Jahres 2013 verwendet. Die Krankenhäuser wurden über die Summe der effektiven Bewertungsrelation in vier Größenklassen unterteilt.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 14 Varianten zu sieben Szenarien berechnet. U. a. zeigte sich, dass bei allen Szenarien mit gleichhohen, proportionalen Zu- und Abschlägen die Gesamtsumme der Zuschläge die Gesamtsumme der Abschläge übertraf. Hierbei wurde dann eine Variante mit Deckelung der Zuschläge ergänzt. Krankenhäuser mit einer Summe der effektiven Bewertungsrelation ab 27.001 zeigten bei den Szenarien mit überwiegender Messung der Wirksamkeit der Versorgung durchgehend gute bis neutrale Ergebnisse. Ausgleichseffekte innerhalb eines Krankenhauses traten bei Verwendung von Major Diagnostic Categories als Leistungsbereiche kaum auf; hingegen ergab die Qualitätsbewertung bei Verwendung von Diagnostic Related Groups als Leistungsbereiche viel seltener statisch signifikante Unterschiede. Krankenhausgruppen profitierten überwiegend von Ausgleichsmöglichkeiten über Krankenhäuser hinweg. Die Abschläge je Krankenhaus betrugen maximal 1,1 % bis 5 % des Erlösvolumens ohne P4P, die Zuschläge maximal 1,7 % bis 5 %. Das umverteilte Budget als Betragssumme der Veränderung je Krankenhaus lag zwischen 0,3 % und 2,5 %.

Diskussion: Trotz der Vielzahl von Varianten lagen die ökonomischen Effekte auf Systemebene nicht weit auseinander. Formal eröffnet das Spielraum zur Ausgestaltung eines P4P-Systems, auch bei offensichtlichen Schwachstellen. So wurde ein Mengeneffekt in einem Spannungsfeld zwischen statistisch nachweisbarer Zuverlässigkeit einerseits und Größen-unabhängigen Chancen zur Darstellung einer außerordentlich guten Qualität deutlich. Bei Fokussierung auf die Wirksamkeit der Versorgung als Qualitätseigenschaft zeigten sich bei allen Szenarien unabhängig vom gewählten Ansatz der Qualitätsmessung vergleichbare Bewertungen der Krankenhäuser. Die Bewertung unterschied sich hingegen deutlich von derjenigen bei Betrachtung der Patientensicherheit. Für einzelne Krankenhäuser führte bereits eine Veränderung von Einschlusskriterien zu massiven ökonomischen Veränderungen.

Praktische Implikationen: Die Simulation von verschiedenen Varianten eines P4P ergab auf Systemebene ähnliche ökonomische Effekte. Bei fehlender Evidenz für eine ausreichend zuverlässige und faire Qualitätsbewertung verdeutlicht dies die Gefahr einer nicht transparenten und vorwiegend politisch motivierten Ausgestaltung in Deutschland. Jenseits der Qualitätsdiskussion werden kleine Krankenhäuser außerhalb von Verbünden unter den Nebenwirkungen eines P4P-Systems zu leiden haben. Vor einer Einführung eines P4P-Systems für den stationären Bereich in Deutschland sind zwingend umfangreiche Studien erforderlich.