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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

„Fieber seit drei Tagen und Auswurf“ – Symptome akuter Atemwegsinfektionen, die mit einer Antibiotikaverordnung assoziiert sind. Eine Conjoint-Analyse bei Hausärzten

Meeting Abstract

  • Susann Schaffer - Universitätsklinikum Erlangen, Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • Lisa Schwarz - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Medizinische Fakultät, Erlangen, Deutschland
  • Thomas Kühlein - Universitätsklinikum Erlangen, Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • Marco Roos - Universitätsklinikum Erlangen, Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • Angela Schedlbauer - Universitätsklinikum Erlangen, Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV40

doi: 10.3205/16dkvf047, urn:nbn:de:0183-16dkvf0470

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Schaffer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bei akuten Atemwegsinfekten werden unstrittig zu oft Antibiotika verordnet. Gleichzeitig sind Diagnose und damit Therapie vieler Atemwegsinfekte mit erheblicher diagnostischer Unsicherheit verknüpft. Ob ein viraler oder bakterieller Infekt vorliegt, lässt sich oft nicht ganz sicher sagen. Gelb-grünliches Sputum wird häufig als Anzeichen einer bakteriellen Infektion interpretiert und gilt als Prädiktor für die Verordnung von Antibiotika. Ein weiteres relevantes Entscheidungskriterium scheint die Schwere der Erkrankung, im Sinne von Fieber und verschlechtertem Allgemeinzustand, zu sein. Patienten mit Fieber, entweder von ihnen berichtet, oder vom Arzt gemessen, erhalten eher ein Antibiotikum als Patienten ohne Fieber. Auch ein höheres Alter und das Vorhandensein von Komorbiditäten sind durchaus leitliniengerecht eher mit einer Verordnung von Antibiotika verknüpft.

Fragestellung: Die Ergebnisse der bisherigen Studien legen nahe, dass es Symptome und Patientenmerkmale gibt, die häufig zu einer Antibiotikaverordnung führen. Allerdings ist die Relevanz der einzelnen Symptome und Patientenmerkmale im komplexen Kontext der Verordnungssituation wenig beforscht. In der vorliegenden Studie sollen der Einfluss bestimmter Symptome und Patientenmerkmale auf die Verordnungsentscheidung und die Sicherheit der Entscheidung untersucht werden. Zudem wird erfasst, ob es einen Zusammenhang zum Umgang mit diagnostischer Unsicherheit gibt.

Methode: Conjoint-Analyse anhand einer quantitativen Querschnittsbefragung mit Online-Fragebogen. Es wurden 16 Fallvignetten konstruiert, die fünf verordnungsrelevante Merkmale in zwei Eigenschaftsausprägungen enthielten. Das Erhebungsdesign wurde mit dem Hahn & Shapiro Katalog bestimmt. Die Merkmale waren: Sputum (gelb-grün vs. klar), Alter des Patienten (jung vs. alt), Komorbidität (Diabetes mellitus Typ 2 ja vs. nein), Fieber (ja vs. nein), Dauer der Erkrankung (kurz vs. länger als fünf Tage). Den Teilnehmern wurden die Fallvignetten randomisiert dargeboten. Sie waren aufgefordert zu entscheiden, ob sie ein Antibiotikum verschreiben würden (ja/nein) und wie sicher sie in ihrer Entscheidung seien (sechsstufige Skala). Der Umgang mit diagnostischer Unsicherheit wurde mit Hilfe des Fragebogens „Physicians‘ Reaction to Uncertainty“, kurz PRU, erfasst. Es wurde eine Datenauswertung mit Conjoint-Analyse zur Bestimmung der Nutzen- und Wichtigkeitswerte, mit anschließender Clusteranalyse zur Bestimmung von Subgruppen gleichen Verhaltens durchgeführt.

Ergebnisse: An der Befragung nahmen 159 Ärzte teil. Die konkreten Projektergebnisse werden zum Kongress vorliegen. Erste Analysen legen nahe, dass es eine Subgruppe gibt, die dem Merkmal „Auswurf“ eine hohe Wichtigkeit einräumt, und eine zweite, die dem Merkmal „Fieber“ eine hohe Wichtigkeit einräumt.

Diskussion und praktische Implikationen: Die Annahme einer bakteriellen Beteiligung bei bestimmten Symptomen und unterschiedlichen Fähigkeiten im Umgang mit diagnostischer Unsicherheit dürften in der Verordnungsentscheidung eine wichtige Rolle spielen. Eine vertiefte Kenntnis individueller Faktoren könnte es ermöglichen, in einem zweiten Schritt mit neuen Interventionen der Überverordnung von Antibiotika zu begegnen.