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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Zahlungsbereitschaft der Eltern für Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern: Ergebnisse des Gesundheitsförderprogramms "Komm mit in das gesunde Boot" in Grundschulen in Baden-Württemberg

Meeting Abstract

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  • Romy Lauer - Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin, Innere Medizin II, Ulm, Deutschland
  • Dorothea Kesztyüs - Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Deutschland
  • Jürgen Michael Steinacker - Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin, Innere Medizin II, Ulm, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV14

doi: 10.3205/16dkvf040, urn:nbn:de:0183-16dkvf0404

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Lauer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Übergewicht und Adipositas im Kindesalter sind ein allgegenwärtiges Thema, was neben körperlichen, psychischen und sozialen Folgen für die betroffenen Kinder auch wirtschaftliche Folgen für das Gesundheitssystem und darüber hinaus hat. Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft für Verbesserungen der Gesundheit im Allgemeinen, und speziell für die Reduktion von Übergewicht und Adipositas bei Kindern, sind nicht sehr geläufig. Diese könnten jedoch als Schwellenwert für Kosten-Effektivitätsanalysen von Präventions- und Gesundheitsförderprogrammen im Kindesalter dienen.

Fragestellung: Wie ist die Zahlungsbereitschaft für Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und was beeinflusst sie, gemessen bei Eltern, deren Kinder an dem Gesundheitsförderprogramm „Komm mit in das gesunde Boot“ teilnahmen?

Methode: Cluster-randomisierte Interventionsstudie mit Wartekontrollgruppe zur Evaluierung eines schulbasierten Gesundheitsförderprogramms. Für die vorliegende Untersuchung wurden Daten der beiden Follow-up Erhebungen im Herbst 2011 und im Frühjahr 2013 bei Grundschülern und ihren Eltern in ganz Baden-Württemberg verwendet. Anthropometrische Daten der Kinder wurden standardisiert von geschultem Personal erhoben. Angaben der Eltern zu Soziodemographie, Gesundheitsdeterminanten und persönlichen Einschätzungen hinsichtlich des Körpergewichts wurden mittels Elternfragebögen erfasst. Nach der Frage, ob Übergewicht und Adipositas ein ernsthaftes Problem für die Gesundheit der Bevölkerung darstelle, wurden Fragen zur generellen Zahlungsbereitschaft für eine Halbierung der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern, sowie bei positiver Antwort nach der Höhe des Betrags gestellt. Um Unterschiede in den Basischarakteristika für zahlungsbereite und nicht-zahlungsbereite Eltern zu untersuchen, wurden Mann-Whitney U-Tests bzw. Fisher´s exakte Tests berechnet. Das Signifikanzniveau für zweiseitige Tests wurde auf α < 0.05 festgelegt.

Ergebnisse: 97,8% der Eltern (n=874) sahen in 2013 Übergewicht und Adipositas als ein ernsthaftes Problem für die Gesundheit der Bevölkerung an. Daten zur Zahlungsbereitschaft in 2013 lagen für 856 Kinder vor. Der Anteil der grundsätzlich zahlungsbereiten Eltern lag bei 36,1% (n=309), 90% (n=278) gaben die Höhe ihrer Zahlungsbereitschaft im Median mit €20,00 pro Monat an (Mittelwert=€27,55). Bei Annahme einer Zahlungsbereitschaft von €0 für diejenigen Eltern, die nicht zahlungsbereit waren oder keine Angaben zu dieser Frage machten (n=906), liegt die allgemeine Zahlungsbereitschaft im Median bei €0,00 (Mittelwert=€8,45). Eltern von übergewichtigen, adipösen und zentral adipösen Kindern waren signifikant häufiger zahlungsbereit als Eltern der anderen Kinder (p<0,05). Mütterliche Adipositas war auch mit einer höheren Zahlungsbereitschaft verbunden (p<0,01). Familien mit einem tertiären Bildungsniveau und einem höheren Familieneinkommen sowie Eltern, die ihre Kinder als zu korpulent einschätzten waren signifikant häufiger bereit, etwas für die Reduktion von Übergewicht zu zahlen (p<0,05).

Diskussion: In 2013 waren ungefähr ein Drittel der untersuchten Eltern bereit, etwas für die Reduktion der Inzidenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern zu bezahlen. Trotz geringerer Fallzahl und marginaler Unterschiede zu den Querschnittsergebnissen aus 2011 dieser Studie gibt es im Längsschnitt ähnliche Tendenzen für Faktoren der Zahlungsbereitschaft wie Übergewicht der Mutter und der Kinder sowie soziodemographische Variablen. Ein Vergleich mit anderen Studien ist aufgrund deren geringer Präsenz sehr schwierig, dennoch kann die Zahlungsbereitschaft einen wichtigen Vergleichswert für Kosten-Effektivitätsanalysen bieten. Die für das vorliegende Gesundheitsförderprogramm berechneten Kosten pro Kind pro Jahr von €24,05 liegen deutlich unter der gemessenen Zahlungsbereitschaft.

Praktische Implikationen: Eine größere Zahlungsbereitschaft der untersuchten Eltern ist für von Übergewicht und Adipositas betroffenen Familien sowie für Familien mit einem höheren sozialökonomischen Status zu verzeichnen. Dies kann ein Bewusstsein des Problems und der Notwendigkeit zur Handlung wiederspiegeln, welches von der Politik aufgegriffen und in präventive Maßnahmen umgesetzt werden kann. Die Zahlungsbereitschaft kann als Schwellenwert für Kosten-Effektivitätsanalysen von Präventionsprogrammen von Übergewicht und Adipositas bei Kindern eingesetzt werden und bietet eine Alternative zu QALYs (quality adjusted life years), die im Bereich Prävention schwierig anzuwenden sind.