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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Schnittstelle Spitalaustritt: Optimierung der Medikationssicherheit beim Übertritt in den Home-Care Bereich

Meeting Abstract

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  • Carla Meyer-Massetti - Luzerner Kantonsspital & Universität Basel, Zentrum für Spitalpharmazie, Luzern, Schweiz

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV010

doi: 10.3205/16dkvf038, urn:nbn:de:0183-16dkvf0386

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Meyer-Massetti.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Während in der Literatur gut belegt ist, dass bis zu 50% der unerwünschten Ereignisse im Gesundheitswesen Medikations-assoziiert sind, ist nur wenig bekannt zur Medikationssicherheit im Home Care Bereich. Die meisten Daten stammen aus den USA, wobei angenommen wird, dass bis zu 30% der Home Care Patienten von einem Medikations-assoziierten Problem in Form einer unerwünschten Arzneimittelwirkung oder eines Medikationsfehlers betroffen sind.

Schnittstellen wie der Übertritt vom Spital zu Home Care sind bezüglich Kommunikation und Informationsweitegabe besonders kritisch und geriatrische Patienten gehören zu einer speziell vulnerablen Patientengruppe.

Fragestellung: Ziel dieser Pilotstudie, die im Rahmen einer Masterarbeit an der Universität Basel/Schweiz durchgeführt wurde, war die Generierung von Basisdaten zur Medikationssicherheit beim Übertritt von geriatrischen Patienten vom Spital zur Spitex als Grundlage für spätere Optimierungsinterventionen. Zusätzlich wurden die Abläufe mit einem Fokus auf die Kommunikation qualitativ analysiert.

Methode: Im Rahmen eines Pilotprojektes wurden alle Patienten erfasst, welche vom 1.3.2016 bis zum 15.4.2016 von einem grossen Schweizer Zentrumsspital (860 Betten, 48‘900 Austritte/Jahr) zur einer städtischen Home Care Organisation („Spitex", 1‘300 Eintritte/Jahr) übertraten. Systematisch wurde eine Medikationsanalyse (Typ 2b) bei denjenigen Patienten durchgeführt, welche =65 Jahre alt waren und mit mindestens 5 fix verordneten Medikamenten auf Ihrer Medikationsliste im fraglichen Zeitraum aus dem Spital übertraten.

Zusätzlich wurde der aktuelle Übertrittsprozess mit dem vereinbarten Prozess vergleichen und Diskrepanzen identifiziert.

Ergebnisse: Von 39 Patienten, die im fraglichen Zeitraum aus dem Spital zur Spitex übertraten, erfüllten 19 Patienten die Einschlusskritierien. Diese Patienten waren im Durchschnitt 75.1 ±7.4 Jahre alt (von 65 bis 87 Jahre), 57.9% (11/19) der Patienten waren weiblich. Es waren pro Patient von 5 bis 19 Medikamente verordnet (Durchschnitt: 8.4 ± 3.8 Medikamente). Lediglich 79.8% der Dosen (158/198) konnten in einem Wochendispenser gerichtet warden. Dabei sind die Reservemedikamente nicht berücksichtigt.

Zu den häufigsten Arzneimittel-bezogenen Problemen gehörten fehlende oder falsche Angaben zur Einzeldosis (84.2%) und zur Applikationsform (84.2%), potenzielle Interaktionen (73.7%) und verschriebene Medikamente ohne eindeutige Indikation (68.4%).

Bei der Analyse des Übertrittsprozesses zeigte sich, dass Dokumente mit zentralen Informationen zur Medikation in 77% der Fälle fehlten.

Diskussion: Es kann davon ausgegangen werden, dass Home Care in den nächsten Jahren aufgrund der Verlagerung von der stationären zur ambulanten Versorgung und der demographischen Entwicklung an Bedeutung gewinnen wird. Die Verfügbarkeit von Daten zur Medikationssicherheit im Home Care Bereich ist jedoch limitiert.

Diese Pilotstudie konnte deutlich zeigen, dass im Bereich Qualität der Medikation Verbesserungspotenzial steckt, insbesondere auch im Hinblick auf die Informationsweitergabe an der Schnittstelle vom Spital zur Spitex.

Gerade geriatrische Patienten haben aufgrund häufiger Polymorbidität und Polymedikation ein erhöhtes Potenzial für Medikations-assoziierte Probleme und das Interaktionspotenzial steigt mit jedem zusätzlichen Arzneimittel.

Vorhergehende Studien haben ausserdem gezeigt, dass die Medikationstherapie im Home Care Bereich Herausforderungen beinhaltet, die so im institutionellen Setting nicht vorkommen. Fehlende, inkomplette oder fehlerhafte Verordnungen behindern oftmals die Durchführung der Arzneimitteltherapie. Kritisch sind insbesondere Therapieänderungen, die ungenügend kommuniziert werden. Meldungen in einem Spitex-internen Critical Incident Reporting System berichteten besonders häufig über Fehler beim Bereitstellen der Medikamente, zumeist bedingt durch die Umgebung, darunter konkret Unaufmerksamkeit, Zeitdruck und Unterbrechungen durch Patienten. Dies zeigt, dass Erkenntnisse zur Medikationssicherheit aus dem stationären Bereich nur bedingt übertragbar sind auf den ambulanten Bereich. Die Involvierung zahlreicher Gesundheitsfachpersonen und von Laien in die Pflege zu Hause stellen besondere Anforderungen an eine lückenlose Kommunikation.

Praktische Implikationen: In der Literatur sind nur sehr beschränkt Daten zur Medikationssicherheit im Home Care Bereich vorhanden. Eine solide Datenbasis ist jedoch Voraussetzung um relevante Einflussfaktoren für spätere Interventionen zur Optimierung der Medikationssicherheit zu identifizieren. Es sollten grössere Studienpopulationen hinsichtlich Medikationssicherheit untersucht werden, um anschliessend mögliche Interventionen zur Optimierung der Patientensicherheit im Home Care Bereich gezielt zu identifzieren und zu pilotieren.