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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Behandlungsentscheidungen und -initialisierung in einem leitlinienbasierten Stepped und Collaborative Care Modell für Depression

Meeting Abstract

  • Daniela Heddaeus - Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Hamburg, Deutschland
  • Maya Steinmann - Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Hamburg, Deutschland
  • Birgit Watzke - Universität Zürich, Psychologisches Institut, Zürich, Schweiz
  • Martin Härter - Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Hamburg, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV66

doi: 10.3205/16dkvf029, urn:nbn:de:0183-16dkvf0299

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Heddaeus et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Depressionen verursachen schwere Beeinträchtigungen, ein hohes Ausmaß an persönlichem Leid und große finanzielle Belastungen für das Gesundheitssystem. Um diesen Herausforderungen effektiv zu begegnen, wurden evidenzbasierte Leitlinien für die Diagnostik und Behandlung von Depressionen entwickelt. Internationale Leitlinien empfehlen den Einsatz von Stepped and Collaborative Care Modellen (SCM) unter Einbezug niedrigschwelliger Behandlungsoptionen. Ziel dieser Studie ist die Untersuchung von initialen Behandlungsentscheidungen und -initialisierungen sowie deren Leitlinienadhärenz in einem SCM für depressive Patienten der Primärversorgung.

Fragestellung:

1.
Wie werden initiale Behandlungsentscheidungen und -initialisierungen in einem SCM im Hinblick auf schweregradspezifische Leitlinienempfehlungen umgesetzt?
2.
Inwiefern entsprechen die implementierten Behandlungen den getroffenen Behandlungsentscheidungen?

Methode: Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden Prozessdaten von Behandlern (n=78) und depressiven Patienten (n=569) analysiert, die in einem SCM im Rahmen einer cluster-randomisierten, kontrollierten Interventionsstudie zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Patienten mit Depression behandelt wurden. Für leicht-, mittel- und schwergradig depressive Patienten wurden initiale Behandlungsentscheidungen und -initialisierungen dargestellt und hinsichtlich ihrer Leitlinienadhärenz evaluiert.

Ergebnisse: 99% der Patienten erhielten eine schweregradspezifische ICD-Diagnose. Die höchste Rate an leitliniengerechten initialen Behandlungsentscheidungen (85%) und initialisierten Behandlungen (91%) wurde für leichtgradig depressive Patienten erzielt. Niedrigschwellige Interventionen wurden hier in 73% der Fälle ausgewählt und in 65% eingesetzt. Bei mittelgradiger Depression wurde in 68% der Fälle eine leitliniengerechte Behandlungsentscheidung (z.B. Pharmako- versus Psychotherapie) getroffen und in 55% umgesetzt. Die geringste Quote leitliniengerechter Behandlungsentscheidungen (60%) und Initialisierungen (19%) bestand bei Patienten mit schwerer Depression.

Diskussion: Dieses SCM hat das Potenzial zur Verbesserung der Depressionsdiagnostik und Gesundheitsversorgung bei unterschiedlichen Schweregraden. Die Rate an tatsächlich realisierten Behandlungsentscheidungen im Sinne einer Umsetzung der getroffenen Entscheidung war am höchsten für Fälle leichtgradiger Depression, allerdings am geringsten bei schwergradig depressiven Patienten. Die niedrige Quote leitliniengerechter Behandlungen für schwer depressive Patienten scheint weniger ein Problem inadäquater Behandlungsentscheidungen zu sein, als vielmehr mit der Schwierigkeit verbunden zu sein, diese in der Praxis tatsächlich umzusetzen.

Praktische Implikationen: Zur Verbesserung von Diagnostik und Behandlungsentscheidung können Stepped und Collaborative Care Modelle umgesetzt werden. Zur Umsetzung von leitliniengerechten Behandlungsoptionen sind weitere Anstrengungen und Studien nötig, die den Implementierungsprozess sowie Barrieren mit einem besonderen Fokus auf schweren Depressionen untersuchen.