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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

AOK-proReha Geriatrie – Politische und strukturelle Herausforderungen bei der Implementierung eines Behandlungskonzeptes

Meeting Abstract

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  • Ramona Auer - AOK Baden-Württemberg, Fachbereich Versorgungsmanagement, Stuttgart, Deutschland
  • Désirée Bullinger - AOK Baden-Württemberg, Fachbereich Versorgungsmanagement, Stuttgart, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV067

doi: 10.3205/16dkvf026, urn:nbn:de:0183-16dkvf0268

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Auer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Inhalt der Forschungsreihe AOK-proReha sind leitlinienorientierte Behandlungskonzepte, die eine qualitativ hochwertige Versorgung in der Rehabilitation sicherstellen sollen. Damit soll Transparenz geschaffen und die tägliche Arbeit in den Rehabilitationseinrichtungen erleichtert werden, indem Entscheidungen auf eine objektive Basis gestellt werden. Die Leistungsbeschreibung ist zugleich an eine leistungsorientierte Vergütung verknüpft.

AOK-proReha Geriatrie ist ein Behandlungskonzept für die Femurfraktur, welche in der geriatrischen Rehabilitation eine der häufigsten Aufnahmediagnosen ist. AOK-proReha Geriatrie ist das zweite Behandlungskonzept dieser Forschungsreihe. Das erste Behandlungskonzept wurde für die Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenks-Endoprothetik entwickelt. Die Implementierung dieses Konzeptes war von massiven Widerständen auf Seiten der Leistungserbringerverbände und einer damit einhergehenden Boykottierung durch die Kliniken begleitet, so dass die Umsetzung vom Scheitern bedroht war. Mittels großer Anstrengungen konnte das Konzept letztendlich erfolgreich in Baden-Württemberg umgesetzt werden.

Inhaltlich und vertragspolitisch ist die AOK Baden-Württemberg von der Initiierung von Behandlungskonzepten in der Rehabilitation überzeugt. Bei der Entwicklung und Umsetzung des Konzeptes in der Geriatrie sollte jedoch zur reibungsloseren Implementierung ein anderer Ansatz gewählt werden.

Fragestellung: Die Idee für die Entwicklung und Implementierung des neuen Behandlungskonzeptes in der Geriatrie war, von Anbeginn alle relevanten Stakeholder und Meinungsbildner in den Entstehungsprozess einzubinden.

Die Fragestellung lautet daher: Kann ein partizipativer Ansatz in der Erstellung des Behandlungskonzeptes den Erfolg in der Implementierung erhöhen?

Methodik: Nach eingehender Stakeholder-Analyse wurden wichtige Meinungsbildner aus der geriatrischen „Versorgungsszene“ zu einem Auftaktworkshop eingeladen. Hierbei wurde das Vorhaben skizziert, die möglichen Inhalte diskutiert und schließlich gemeinsam das weitere Vorgehen bestimmt. Die anschließende europaweite Ausschreibung für die Entwicklung und Erprobung von AOK-proReha Geriatrie zielte auf ein objektives Verfahren ab, bei dem sich wissenschaftliche Institute entsprechend für den Auftrag bewerben konnten. Parallel wurden die geriatrischen Rehabilitationskliniken in Baden-Württemberg über dieses Vorhaben informiert und um Mithilfe bei der Entwicklung und Erprobung gebeten. Neben den wissenschaftlichen Instituten und Modelleinrichtungen wurden für die Projektbegleitung zusätzlich zwei Fachbeiräte eingesetzt. Beide Institutionen erhielten ebenfalls eine partizipative Rolle.

Ergebnisse: Zunächst wurde das Behandlungskonzept entwickelt und anschließend stufenweise implementiert. Aktuell befindet sich das Modellprojekt in der Evaluationsphase. Ein großer Wert während des Entwicklungsprozesses wurde auf die Praxistauglichkeit und Implementierungsmöglichkeit gelegt. Im Rahmen dessen fand die Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit den Modellkliniken und weiteren Stakeholdern statt.

Der gesamte Projektverlauf wurde als ein dynamischer Prozess mit partizipativer Entscheidungsfindung verstanden. Somit war es möglich, dass ein weiteres Teilprojekt, was konzeptionell nicht angedacht war, entstehen konnte. Bevor es zur eigentlichen Implementierung des Konzeptes in den Modelleinrichtungen kam, wurde im Rahmen einer Pilotphase die Praxistauglichkeit geprüft. Die Zusammenfassung der Ergebnisse erfolgte in einem Workshop und flossen anschließend in ein Umsetzungskonzept, welches die Implementierung in den Kliniken unterstützen soll. Aktuell werden in der Evaluationsphase Daten mittels eines Evaluationbogens erhoben, der vorher mit den Beiräten abgestimmt wurde. Dabei stand u.a. auch die Anwenderfreundlichkeit in der Klinik im Fokus.

Diskussion: Die mikropolitischen Prozesse zwischen Vertragspartnern und den Akteuren in den Organisationen finden in der Versorgungsforschung bislang zu wenig Beachtung. Im Projekt AOK-proReha Geriatrie wurde mit sehr großem Aufwand ein partizipativer Ansatz gewählt, um genau diese Prozesse im Blick zu behalten. Weiter wurden im gesamten Prozess die Inhalte für das Konzept komplett losgelöst von Vergütungsfragen bearbeitet. Dieses Vorgehen war für alle Beteiligten neu und von einem hohen Abstimmungsbedarf geprägt.

Praktische Implikationen: Der Prozess der Umsetzung/Implementierung einer neuen Versorgungsform sollte gleichbedeutend mit den Inhalten in den Blick genommen werden. Obwohl der partizipative Ansatz beim Projekt AOK-proReha Geriatrie mit sehr großem Aufwand verbunden war, kommt die AOK Baden-Württemberg zu einer positiven Bewertung des Projektverlaufs. Daher wird dieses Vorgehen nun auch bei der Erarbeitung des dritten Behandlungskonzepts dieser Forschungsreihe, AOK-proReha nach Schlaganfall, Anwendung finden.

Contributed equally: R. Auer, D. Bullinger