gms | German Medical Science

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Der German Nutrition Care Process (G-NCP) als Grundlage der evidenzbasierten Ernährungsforschung

Meeting Abstract

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  • Daniel Buchholz - Hochschule Neubrandenburg, Studiengang Diätetik, Neubrandenburg, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV129

doi: 10.3205/16dkvf023, urn:nbn:de:0183-16dkvf0239

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Buchholz.
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Gliederung

Text

Im Jahr 2015 publizierte der Verband der Diätassistenten (VDD) das Manual für den German-Nutrition Care Process (G-NCP). Der G-NCP soll ermöglichen, Ernährungsprobleme qualitätsgesichert und prozessgeleitet lösen zu können. Er kann gleichermaßen in der Ernährungsprävention, der Ernährungstherapie und der ernährungsbezogenen Gesundheitsförderung

Anwendung finden. Der in Deutschland entwickelte G-NCP basiert in weiten Teilen auf dem bereits seit dem Jahr 2003 in den USA etablierten Nutrition Care Process [1]. Eine eins-zu-eins Übertragung des amerikanischen Modells auf Deutschland war jedoch nicht möglich, weshalb landesspezifische Modifikationen vorgenommen wurden [2].

In den USA wurde der Prozess von der Academy of Nutrition and Dietetics vor dem Hintergrund entwickelt, dass die Anwendung von standardisierten Prozessen die Variation definierter Outcomes senkt und gleichzeitig die Vorhersagbarkeit von Ernährungsinterventionen steigert [1]. Mittlerweile beziehen sich zahlreiche Standards of Practice (SOP) sowie Standards of Professional Performance (SOPP) der Academy of Nutrition and Dietetics auf den NCP [3]. Obwohl der NCP in den USA als „Missing Link“ zwischen Forschung und „Evidence-based-Practice“ diskutiert wird [4], wurde die Frage, ob der NCP auch als Grundlage der evidenzbasierten Ernährungsforschung dienen kann, noch nicht geklärt. Dieses gilt auch für den G-NCP in Deutschland.

Betrachtet man die Struktur des G-NCP, verdeutlicht sich jedoch, dass dieser Prozess in weiten Teilen die Perspektive der Versorgungsforschung aufnimmt. Trotz verschiedenster Definitionen lässt sich Versorgungsforschung auf die drei Grundkonzepte: Ergebnisorientierung, Multiprofessionalität und Patientenorientierung reduzieren [5], wobei den Alltagsbedingungen unter denen Versorgung stattfindet, eine besondere Bedeutung zukommt [6]. Diese Ansätze lassen sich auch im G-NCP finden.

Das zentrale Element des G-NCPs bildet der Nutzer und seine Beziehung zur Diätassistentin/zum Diätassistenten. Der Nutzer einer Dienstleistung in der Ernährungsversorgung kann je nach Setting und Situation Patient, Bewohner, Klient oder Kunde sein. Die Nutzer- bzw. die Patientenorientierung inkludiert den Alltag der Nutzer [2]. Dies ist insofern von hoher Relevanz, da die ernährungstherapeutische Versorgung nicht ausschließlich im klinischen Setting stattfindet und nicht ausschließlich der physiologisch notwendigen Bedürfnisbefriedigung dient. Wie die Ernährungsprävention zeichnet sich häufig auch die Ernährungstherapie durch eine große Nähe zum Alltag aus [7], [8] und beinhaltet daher auch eine psychologische und soziologische Dimension. Die eigentliche prozessorale Struktur des G-NCP besteht aus 5 Prozessschritten: dem Ernährungsassessment, der Ernährungsdiagnose, der Planung und der Durchführung der Ernährungsintervention sowie dem Monitoring und der Evaluation. Die Evaluation des Prozesses bezieht sich dabei auf die Qualität von Output und Outcome und verweist somit auf die Ergebnisorientierung des G-NCP. Der Prozess ist weiterhin eingebettet in verschiedene Kontextfaktoren, die Einfluss auf eine Ernährungsintervention haben können. Hierzu zählen unter anderem das Gesundheitssystem (z.B. die Finanzierung von ernährungstherapeutischen Dienstleistungen), die evidenz-basierte Diätetik aber auch das Fachwissen der Akteure sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit [2]. Auch hier verdeutlicht sich die Perspektive der Versorgungsforschung.

Aufgrund der Integration vieler für die Versorgungsforschung relevanter Konzepte bietet der G-NCP die Möglichkeit, die Komplexität von Ernährungsinterventionen zu erfassen. So lassen sich beispielsweise auf Grundlage des G-NCP Forschungsfragen entwickeln, die die in Deutschland in weiten Teilen defizitäre Ernährungsversorgung onkologischer Patienten bei gleichzeitig hoher Relevanz einer adäquaten Ernährung onkologischer Patienten erklären könnten [9], [10], [11], [12]. Der Wert des G-NCP als Grundlage einer evidenzbasierten Ernährungsforschung liegt folglich darin, die Mehrdimensionalität von Ernährung als physiologisches, psychologisches und soziologisches Geschehen in der Ernährungs(versorgungs)forschung abzubilden und zu berücksichtigen.

Kontakt: Dr. Daniel Buchholz MPH
Diätassistent | Dipl. Oecotrophologe (FH)
Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences
Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften
Studiengang Diätetik
Brodaer Straße 2
D - 17033 Neubrandenburg
buchholz@hs-nb.de


Literatur

1.
Lacey K, Pritcheit E. Nutrition Care Process and Model: ADA adopts road map to quality care and outcomes management. J Am Diet Assoc. 2003;103(10):1061-1072.
2.
VDD – Verband der Diätassistenten – deutscher Bundesverband. VDD-Leitlinie für die Ernährungstherapie und das prozessgeleitete Handeln in der Diätetik. Manual für den German-Nutrition Care Process (G-NCP). Lengerich: Pabst Science Publisher; 2015.
3.
Brantley S, et al. American Society for Parenteral and Enteral Nutrition and Academy of Nutrition and Dietetics: Revised 2014 Standards of Practice and Standards of Professional Performance for Registered Dietitian Nutritionists (Competent, Proficient, and Expert) in Nutrition Support. J Acad Nutr Diet. 2014;114(12):2001–2008.
4.
Kyle L, et al. Nutrition Care Process Chains: The “Missing Link” between Research and Evidence-Based Practice. J Acad Nutr Diet. 2015;115(9):1491-1498.
5.
Pfaff H, Schrappe M. Einführung in die Versorgungsforschung. In: Pfaff H, et al, eds. Lehrbuch Versorgungsforschung. Stuttgart: Schattauer; 2011. S. 2-33.
6.
BÄK – Bundesärztekammer; Arbeitskreis „Versorgungsforschung“ beim Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer. Definition und Abgrenzung der Versorgungsforschung [Internet]. 2004. Vom 08.09.2004 [zitiert 25.07.2016]. URL: http://www.versorgungsforschung-deutschland.de/Definition.pdf Externer Link
7.
Lang C. Der Zugang zum Klienten über die alltägliche Lebenswelt – Handeln mit Menschen und nicht am Menschen vorbei. Teil 1. Ernährungs-Umschau. 2013;(2):98-99.
8.
Lang C. Der Zugang zum Klienten über die alltägliche Lebenswelt – Handeln mit Menschen und nicht am Menschen vorbei. Teil 2. Ernährungs-Umschau. 2013;(3):170-171.
9.
Tan BH, Fearon KC. Cachexia: prevalence and impact in medicine. Curr Opin Clin Nutr Metab Care. 2008;11:400–407.
10.
Laviano A, et al. Cachexia: clinical features when inflammation drives malnutrition. Proc Nutr Soc. 2015;74:348–354.
11.
Ravasco P, et al. Dietary counseling improves patient outcomes: a prospective,randomized, controlled trial in colorectal cancer patients undergoing radiotherapy. J Clin Oncol. 2015;23:1431–1438.
12.
Ravasco P, et al. Individualized nutrition intervention is of major benefit to colorectal cancer patients: long-term follow-up of a randomized controlled trial of nutritional therapy. Am J Clin Nutr. 2012;96:1346–1353.