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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Das telemedizinische Lebensstilinterventionsprogramm (TeLiPro) bei fortgeschrittenem Typ 2 Diabetes mellitus – eine randomisiert-kontrollierte Studie

Meeting Abstract

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  • Kerstin Kempf - Westdeutsches Diabetes- und Gesundheitszentrum, Düsseldorf, Deutschland
  • Bernd Altpeter - DITG GmbH, Gründer und Geschäftsführer, Düsseldorf, Deutschland
  • Janine Berger - Deutsches Institut für Telemedizin und Gesundheitsförderung, Düsseldorf, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV34

doi: 10.3205/16dkvf022, urn:nbn:de:0183-16dkvf0225

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Kempf et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund der Studie ist der Anstieg lebensstilbedingter Erkrankungen und Risikofaktoren – Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck, Typ 2 Diabetes usw. und die damit verbundene Belastung des Gesundheitssystems und der Gesundheitsökonomie.

In einer randomisiert-kontrollierten Studie wurde die Hypothese untersucht, dass das telemedizinische Lebensstilinterventionsprogramm (TeLiPro) signifikant den HbA1c (primärer Endpunkt), das Gewicht, kardiovaskuläre Risikofaktoren, die Lebensqualität, das Essverhalten und den Bedarf an anti-diabetischer Medikation (sekundäre Endpunkte) bei Personen mit fortgeschrittenem Typ 2 Diabetes mellitus (T2DM) verbessert.

T2DM-Patienten (54% Männer; Alter 59 Jahre; BMI 36kg/m2; Diabetesdauer 11 Jahre; HbA1c 8.3%; mind. zwei anti-diabetische Medikamente) wurden in zwei parallele Gruppen randomisiert. Teilnehmer der Kontrollgruppe (n=100) bekamen eine Waage und einen Schrittzähler und blieben in der Routineversorgung. Die TeLiPro-Gruppe (n=102) erhielt zusätzlich für 12 Wochen ein telemedizinisches Coaching mit medizinisch-mentaler Motivation, eine Formuladiät und führte Blutzuckerselbstkontrolle durch. Laborparameter wurden 12 Wochen vor und bei Interventionsbeginn, nach 12 Wochen Intervention, sowie nach einer Nachbeobachtungszeit von 26 und 52 Wochen mittels Fishers-Exact-Test, Mann-Whitney-Test und Friedman + Dunns-Multiple-Comparison-Test mit Bonferroni-Adjustierung verglichen.

In der TeLiPro-Gruppe war die Dropout-Rate signifikant geringer (9 vs. 26%; p=0,001) und alle gemessenen Parameter verbesserten sich während der 12-wöchigen Intervention. Die Unterschiede in der Kontrollgruppe waren statistisch nicht signifikant. Beim Vergleich der beiden Gruppen zeigte sich eine signifikant höhere Reduktion des HbA1c (TeLiPro -1,1±1,2% vs. Kontrolle -0,3±1,3%); Gewicht (-6,1±4,6kg vs. -1,0±3,4kg); anti-diabetische Medikation (49%ige Reduktion des täglichen Insulinbedarfs; p<0,0001) und stärkere Verbesserung der Lebensqualität und des Essverhaltens (jeweils p<0,001) in der TeLiPro-Gruppe. Die erzielten Verbesserungen blieben während der Nachbeobachtung über 52 Wochen stabil: der HbA1c blieb niedrig (TeLiPro -0,7±1,3% vs. Kontrolle -0,1±1,9%), ebenso Gewicht (-6,5±6,8kg vs. -1,4±5,0kg), anti-diabetische Medikation (40%ige Reduktion des täglichen Insulinbedarfs).

Mit Hilfe von TeLiPro können auch bei fortgeschrittenem T2DM die Stoffwechseleinstellung, die Lebensqualität und das Essverhalten signifikant verbessert, sowie kardiovaskuläre Risikofaktoren und anti-diabetische Medikation reduziert werden. Die Reduktion der notwendigen Diabetesmedikamente und der täglichen Insulindosis verschleiert das komplette Ausmaß der erreichbaren HbA1c-Senkung. Die zu erwartenden Ergebnisse bei Patienten mit einer kürzeren Diabetesdauer sind eine sogenannte „klinische Remission“ – außerhalb dieser Studie bereits in der klinischen Praxis erreicht – was nicht bedeutet, dass die Erkrankung verschwindet, allerdings wohl, dass ohne medikamentöse Diabetestherapie optimale Blutzuckerwerte erhalten werden können.

Da die Kontrollgruppe nicht völlig passiv war, sondern telematisch angebundenen Schrittzähler und Waage erhalten hat – ohne nachhaltige Effekte zu erzeugen – zeigt sich, dass diese Maßnahme, die häufig von Krankenkassen für ihre Versicherten finanziert wird, ohne die anderen Module des TeLiPro nicht effektiv ist.

Durch den telemedizinischen Faktor ist TeLiPro geographisch unabhängig, was zur Folge hat, dass die Patienten problemlos in der Behandlung des primär betreuenden Hausarztes bleiben können.

Im Vergleich zu dem kürzlich auf dem deutschen Markt eingefühten Medikament Xultophy (eine Kombination aus dem Insulin Deglodec (Tresiba) and dem GLP-1 Agonisten Liraglutid (Victoza)) hatte TeLiPro eine vergleichbare blutzuckersenkende Wirkung, jedoch eine ausgeprägtere Gewichtsabnahme sowie eine Reduktion von Diabetes- und Blutdruckmedikamenten vorzuweisen. Weiterhin ist TeLiPro ein ganzheitlicher und nachhaltiger Ansatz und somit bereits mittelfristig deutlich günstiger. Der nachhaltig umgestellte Lebensstil verhindert auch die Entwicklung weiterer Folgeerkrankungen, die sowohl die Lebensqualität der Betroffenen vermindern als auch hohe Kosten verursachen.